Jahr 1: Kapitel 1 - Das Bewerbungsgespräch

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Vielstimmiges Plätschern war zu hören, als der Regen auf die Straßen, Bäume und Häuser traf. Amina mochte das Geräusch. Es linderte ihre aufkommende Nervosität, schließlich traf sie heute zum ersten Mal seit über zehn Jahren auf Albus Dumbledore. In der wahrscheinlich fragwürdigsten Schenke des eher unspektakulären Örtchens Hogsmeade, dem Eberkopf, sollte ihr Vorstellungsgespräch mit einem der berühmtesten Zauberer ihrer Zeit stattfinden.

Obwohl sie ihr Verwandtschaftsverhältnis mit eben jenem Zauberer noch nicht vollkommen verstand, musste sie sich nach unzähligen Recherchen eingestehen, dass er einer ihrer letzten noch lebenden Verwandten war – ihr Urgroßvater oder Urgroßonkel. Was von beidem er war, konnte sie noch nicht herausfinden.

Der Name ihres Vaters war Acheron Credence Barebone. Sie ging davon aus, dass Barebone ebenfalls der Nachname ihres Großvaters war. Ihre Großeltern kannte sie jedoch nur unter den Namen Credence und Nagini, welche sie durch den zweiten Vornamen ihres Vaters und ihrem eigenen Namen – Amina Nagini Tahnea – bestätigt sah.

Außerdem war sie sich sicher, dass der Vater von Credence Barebone einer der Dumbledore-Brüder sein musste, was entweder Albus oder Aberforth Dumbledore zu ihrem Urgroßvater machte und sie somit zur Urenkelin von einem der beiden. Einer Urenkelin von der beide nichts wissen konnten, denn laut Aminas Recherchen hatten sie auch von ihrem Enkel nie erfahren.

Wenn es nach ihr ginge, bliebe das auch erst mal so. Sie war neugierig und wollte Gewissheit über ihre Verwandtschaftsverhältnisse, würde sich jedoch hüten, ihre Rechercheergebnisse dem berühmten und mächtigen Zauberer mitzuteilen. Es gab keinen Grund, warum es für einen der beiden Brüder wichtig sein sollte, zu wissen, dass er Nachkommen besaß. Albus Dumbledore war nicht an Frauen interessiert, über Aberforth hatte sie diesbezüglich nichts in Erfahrung bringen können.

Es war demnach deutlich leichter, mit ihrem ehemaligen Schulleiter in Kontakt zu treten, als mit seinem Bruder.

Während in Hogwarts mindestens einmal im Jahr neue Stellen ausgeschrieben wurden, gab es im Eberkopf nur die Möglichkeit, sich als Kundschaft aufzuhalten und Aberforth war bekannterweise nicht besonders gesprächig. Amina hatte vor diese Gelegenheit zwar zu nutzen, doch versprach sie sich von einer Anstellung in Hogwarts mehr, weshalb sie sich auch auf die Stellen als Professorin für Alchemie und Arithmantik beworben hatte.

Mit schnellen, zielgerichteten Schritten lief die Neunundzwanzigjährige auf den Eberkopf zu, in dem sie vermutlich schon erwartet wurde. Ihre hellblonden, langen Haare trug sie offen, lediglich eine dünne Strähne war auf der linken Seite ihres Kopfes geflochten. Dieselbe Seite, an der sich ihr milchig-blindes Auge befand, sowie die Narbe, die darüber anfing und sich senkrecht darunter fortsetzte, bis zur Mitte ihrer Wange.

Sie erinnerte sich nicht gerne an den Tag, an dem sie die Narbe bekam und ihr linkes Auge die Sehkraft verlor.

Im Eberkopf war nicht viel los, einige zwielichtig aussehende Gestalten und der finster dreinblickende Wirt hielten sich darin auf. Er war trotz seines düsteren Blicks eher gelangweilt, als verärgert.

Amina konnte sowohl die Gefühle als auch die Gedanken ihrer Mitmenschen wahrnehmen, da sie mit der Fähigkeit einer Legilimentorin wurde. Jedoch versuchte sie sich möglichst aus den Köpfen anderer fernzuhalten. Sie hatte einen Unbrechbaren Schwur geleistet, nach dem sie sich nicht absichtlich und unerlaubt im Geiste ihrer Mitmenschen umsehen durfte. Nur bei Feinden war es ihr ohne Weiteres erlaubt.

Gezielt schritt sie auf den Mann zu: „Guten Abend, ich suche Albus Dumbledore."

Ihr Gegenüber sah sie von oben bis unten an. Er war groß, mit langen grauen Haaren und Bart und sah dem Hogwarts-Schulleiter überraschend ähnlich. Auch seine Augen schienen dasselbe leuchtende Blau zu haben. Das war also Aberforth Dumbledore. Hätte sie nicht bereits gewusst, dass ihm diese Schenke gehörte, hätte sie sich vermutlich über die fragwürdige Wahl der Örtlichkeiten ihres Bewerbungsgesprächs gewundert.

Die Alchemistin - Bis in den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt