Jahr 8: Kapitel 8 - Der Schüler

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„Wenn Sie dieses Pergament ohne fremde Hilfe herstellen können, wird Ihnen das auch in ihrem zukünftigen Leben weiterhelfen. Sympathisches Pergament kann für fast alle Arten von Verzauberungen, Flüchen oder, in unseren Fall, Dokumentationen nützlich sein. Die Herstellung dauert ungefähr vier Stunden aufgeteilt auf zwei Tage, weshalb wir es auch in diesem Unterricht herstellen werden.", erklärte Amina ihrer Klasse, die mehr gelangweilt als interessiert zuhörten. Es war die letzte Stunde vor den Winterferien und Amina spürte, dass alle so schnell wie irgend möglich Hogwarts verlassen wollten. Nur der Malfoy schien keinerlei Lust zu verspüren wieder nach Hause zu fahren, was Amina nachvollziehen konnte.

Am Ende der Stunde rief sie den blonden noch zu sich. „Ja, Frau Professor?", fragte der Malfoy als er bei ihr ankam. „Haben Sie heute Zeit für eine Unterrichtsstunde?", fragte sie ihn. „Ja, natürlich, gerne. Was machen wir?", fragte der Schüler interessiert. „Das werden Sie schon sehen. Kommen Sie um acht Uhr in mein Büro und planen sie ungefähr drei Stunden ein." Mit einem Wink ihrer Hand gab sie dem Schüler zu verstehen, dass er gehen konnte, was dieser (nach einer höflichen Verabschiedung) auch tat.

Pünktlich um Acht klopfte es an Aminas Bürotür. „Herein.", bat sie und lief den Aufsatz sinken, den sie gerade korrigiert hatte. „Guten Abend, Frau Professor.", begrüßte der junge Malfoy sie und schloss die Tür hinter sich. „Hallo Draco. Setz dich." Sie wies auf den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Erst als der Schüler sich gesetzt hatte, fing sie an zu sprechen. „Ich denke, dass du bereit bis deinen Unterricht bei mir zu beenden.", eröffnete sie ihn. Erschrocken sah er sie aus grauen Augen an. „Aber, Professor. Ich denke nicht-" Sie unterbrach ihn mit einer erhobenen Hand. „Das heißt nicht, dass wir unsere Einzelstunden aufgeben werden. Es heißt lediglich, dass sie nicht mehr nötig sind.", erklärte Amina ihm.

„Sag mir, Draco, wem würdest du gerne einen Echostein geben? Wer verdient einen und hat noch keinen?", fragte sie ihn und lehnte sich auf ihren Stuhl zurück. Der Malfoy zögerte kurz, doch dann sagte er: „Harry Potter und Hermine Granger." „Und der Weasley?", fragte Amina, ohne dabei erkennen zu geben, was sie über seine Antwort dachte. „Er hat im Gegensatz zu den anderen beiden nichts, was ihn besonders macht." „Was macht Granger besonders?", wollte Amina wissen. Bei Potter musste sie nicht fragen. „Sie ist sehr intelligent und wahrscheinlich der Grund, warum Potter und Weasley noch am Leben sind. Vermutlich wären sie, ohne Granger, schon längst geschnappt worden.", antwortete der Blonde sachlich. „Sehr gut und vollkommen logisch. Ich würde gerne den Fluch an dich weitergeben, für den Fall, dass mir etwas passieren sollte.", sagte Amina und sah mit ihrem braunen Auge in seine. „Bin ich denn schon so weit? Ich habe das Gefühl, als würde noch etwas fehlen.", fragte der Malfoy zweifelnd.

„Natürlich fehlt noch etwas. Du hast noch keinen Stein gefertigt. Das kannst du erst, wenn ich dir die volle Verantwortung übertrage, und das geschieht durch meinen Tod." „Sie gehen davon aus, dass Sie sterben werden?" Der Blonde wirkte nervös. Amina nickte. „Sind wir doch ehrlich. Nur diesen einen Abend lang: Ich lebe nur noch, weil der Dunkle Lord Severus versprochen hat, dass er mich behalten darf und weil ich die Echohallen habe. Ich bin kein Druckmittel mehr gegen Albus Dumbledore und ich habe auch sonst keinen Nutzen für die Todesser, solange man mich nicht unter Kontrolle halten kann. Wenn der Dunkle Lord also beschließt, dass er die Hallen nicht mehr braucht, dann werde ich getötet. Egal, ob Severus Snape Anspruch auf mich hat oder nicht. Du hingegen bist zwar im Rang nicht besonders hoch, doch er hat keinen Grund dich zu töten. Zumindest nicht, wenn du ihm keinen lieferst."

Sie verschwieg ihm zwar, dass auch ihre Großmutter einen gewissen Einfluss auf ihr weiterleben hatte, doch bezweifelte sie, dass es im Ergebnis viel ändern würde. „Warum ausgerechnet jetzt?" Der blonde Schüler rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Weil du bereit dafür bist. Du weißt, was du wissen musst und deine Objektivität ist makellos. Es gibt keinen Grund zu warten." „Ich bin ein Todesser. Einer der Bösen.", widersprach er. „Schon allein, dass du dich als Bösen siehst, widerspricht deinen Worten." Er raufte sich die Haare und seine Augen fingen an zu glitzern. „Wie soll ich das Ganze nur beenden?", fragte er verzweifelt. „Du kannst es noch nicht. Es wird eine Zeit kommen, in der du dich entscheiden musst und es auch kannst. Ich weiß nicht, ob du es überleben wirst aber auch der Tod ist eine Wahl." „Sie verstehen das nicht.", fauchte er und stand auf. „Jedes Mal, wenn ich diese Leute sehe. Meine Familie sehe, sehe ich Mörder, die Wissen auslöschen. Arrogante Menschen, die denken ein Leben ist mehr wert als ein anderes und das schlimmste ist-"

Er sah sie mit Tränen in den Augen an. „-Ich bin einer von ihnen. Ich war stolz darauf dieses Mal zu bekommen. War froh, dass er zurückkam. Es fühlt sich alles so falsch an." Wieder fuhr er sich verzweifelt durch die blonden Haare. „Ich weiß genau, wie das ist. Ich war damals in einer ähnlichen Situation, wie du es bist. Damals entschloss ich mich dazu, nicht zu kämpfen und habe diese Entscheidung bereut. Heute Kämpfe ich, um es nicht wieder bereuen zu müssen." „Sie tragen das Dunkle Mal nicht. Sie hätten auch nicht Professor Dumbledore umgebracht.", widersprach der Schüler mit verzweifelter Stimme. „Ich trage das Mal nicht, weil meine Eltern den Dunklen Lord nicht verärgert haben. Deine hingegen schon. Zumindest dein Vater hat seinen guten Ruf mehr als nur verloren. Und sei ehrlich zu dir selbst, du hättest Professor Dumbledore auch nicht getötet, wenn Severus dich nicht unterbrochen hätte. Du hattest schon im letzten Schuljahr Zweifel.", antwortete Amina.

„Daran ist Ihr Unterricht schuld.", antwortete er ein wenig gefasster. Sie bestätigte die Aussage mit einem Nicken. „Objektivität ist der natürliche Feind des Rassismus. Es war logisch, dass der Unterricht Zweifel wecken würde. Doch du hast selbst mit dem Echo von Professor Dumbledore geredet. Du weißt, dass es genauso ausgegangen wäre, wie es bereits ist." Der Malfoy nickte und setzte sich wieder. Vor einigen Wochen waren sie gemeinsam in den Echohallen und hatten mit dem Echo von Albus geredet. Dieses hielt es wohl nicht für nötig, den jüngsten Malfoy in Unklaren über die Ereignisse am Ende des letzten Schuljahres zu lassen. Alles was mit der Ausbildung zum Hüter der Hallen zu tun hatte wurde durch den Fluch geschützt, so, dass der Dunkle Lord nichts davon erfahren konnte, selbst wenn er es wollte. Draco selbst war inzwischen den Hallen und Amina als deren Hüterin loyal und nicht mehr dem Dunklen Lord.

Anscheinend hielt das Echo es für ungefährlich ihn einzuweihen. Schon allein daran merkte Amina, dass das Echo nicht Albus selbst war. Er hätte Draco vermutlich trotzdem nicht eingeweiht. „Wie viel sich doch in eineinhalb Jahren ändern kann.", dachte Amina. Vor einigen Jahren hätte sie nicht damit gerechnet, dass sie und Draco einmal so vertraut miteinander sein würden und jetzt kannte er Geheimnisse, die sie und viele andere töten könnten, wenn er sie preisgab.

Sie schwiegen einige Sekunden, bevor der blonde nickte. „In Ordnung. Was muss ich machen, um den Fluch zu übernehmen?", fragte er gefasst. „Ein Ritual in den Echohallen. Wenn wir keine weitere Zeit verschwenden, bekommen wir es heute Abend noch erledigt. Ich habe bereits alles vorbereitet." Gemeinsam erhoben sie sich und liefen zu dem Spiegel, der an der Wand hing. Minerva hatte ihn in den Sommerferien wieder anbringen lassen, nachdem Sirius und Alastor ihn für Aminas Arrest entfernt hatten.

„Wie fühlst du dich?", fragte Amina knapp zwei Stunden später, den auf dem Boden liegenden Draco. „Als wäre ich gerade verflucht worden.", antwortete dieser und stand stöhnend auf. Die Zeichen auf dem Boden glühten noch leicht und der Rauch, den nur ein starker Zauber erzeugen konnte, lag in der Luft. „Sehr gut. Die Erschöpfung lässt in ein paar Tagen wieder nach. Der Fluch breitete sich in dir aus und wird in neun Tagen vollständig sein. Danach bis du der Erbe. Zumindest steht es so in der Überlieferung. Da dieses Ritual heute zum ersten Mal durchgeführt wurde, kann es zu Abweichungen kommen." „Wie beruhigend. Warum ist das Ritual hier überhaupt möglich? Die Hallen sind doch gegen Wirkung von Magie geschützt."

„Kannst du dir die Frage nicht selbst beantworten?", fragte Amina und sah ihn aufmerksam an. Er überlegte einige Sekunden. „Liegt es an der Art der Magie? Sie ist älter und skandinavischen Ursprungs, oder?" „Korrekt. Dieses Ritual ist so alt, dass selbst die Schutzzauber der Hallen nichts dagegen ausrichten können. Man bezeichnet diese Art der Magie auch als Göttermagie. Das liegt daran, dass heute keiner mehr weiß, was man dieser Magie entgegensetzen muss.", erläuterte sie. Der Malfoy richtete sein verrücktes Jackett. „Denken Sie er wird merken, dass ich der Erbe bin?" „Wahrscheinlich. Mit etwas Glück allerdings erst später. Er scheint im Moment mit anderen Dingen beschäftigt zu sein." „Er sucht etwas, sagt Vater. Keiner scheint seinen Plan wirklich zu kennen aber sein Hauptziel ist es wohl Potter aus dem Weg zu schaffen.", sagte der Malfoy, während sie gemeinsam die Hallen verließen. „Er hat wahrscheinlich die Befürchtung, dass Mr. Potter ihn doch noch stürzen könne." „Kann er es denn?" In seiner Stimme klang Hoffnung, die Amina nur zu gut verstand. „Vielleicht. Wir werden es hoffentlich bald sehen." 

Die Alchemistin - Bis in den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt