Jahr 3: Kapitel 11 - Das Treffen

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Pünktlich um zwanzig Uhr betrat Amina die Drei Besen, um ihren Ex-Freund zu treffen. Sie war neugierig, was er von ihr wollte. In dem Pub war es mäßig voll und Amina nickte Madam Rosmerta zu, welche sie von der Bar aus begrüßte. Sie sah sich um und konnte Daniel an einem Tisch an der Wand entdecken. Er hatte sich in der langen Zeit nicht viel verändert. Er hatte immer noch kurze braune Haare und braune Augen. Sein Gesicht war ein wenig kantiger als beim letzten Mal, als sie ihn gesehen hatte. Schon damals war er ein absoluter Durchschnittstyp, doch das hatte Amina nie gestört. Das Aussehen eines Menschen war nicht unbedingt wichtig für sie. Sie hatte sich in ihrer Schulzeit viel zu sehr von seinen schmeichelnden Worten und seinem zuvorkommenden Auftreten blenden lassen, anstatt zu bemerkten, wie wenig sie gemeinsam hatten. Sie hätte nie wirklich glücklich mit ihm werden können. Da war sie sich sicher.

Sie lief auf ihn zu und setzte sich. Er hatte sie von oben bis unten gemustert. Offensichtlich nicht sicher, ob sie es wirklich war. Seit ihrer Schulzeit hatte sie sich verändert. Damals war sie ein stilles, fast schon schüchternes Mädchen. Die Muskeln, die sie durch ihren täglichen Sport bekommen hatte, hatte sie damals noch nicht und auch ihr Auge war nicht blind. Die Narbe konnte Daniel deshalb ebenfalls nicht kennen.

„Hallo Daniel.", begrüßte sie ihn, nachdem sie sich gesetzt hatte. „Hi, Ami. Du siehst...gut aus.", begrüßte er sie, zögerte jedoch kurz. Sie wusste, dass er nicht die Wahrheit sagte. „Danke. Du wolltest mich treffen, warum?", fragte sie ihn mit ruhiger Stimme. „Naja...ich...", weiter kam er nicht, denn Rosmerta kam schon mit einem Tee und einem Butterbier angelaufen. „So die Herrschaften. Ein Butterbier und Ihnen, Frau Professor Tahnea, hab ich nen Tee gemacht. Der Herr hier hat für Sie zwar auch nen Butterbier bestellt, aber der kennt Sie wohl nicht besonders gut. Wie geht's Ihnen so?", plauderte Rosmerta los. „Mir geht's gut, danke Rosmerta. Tee ist genau das richtige Getränk." Sie roch kurz an dem Tee. „Kräuter?", fragte Amina die Wirtin. „Ganz genau. Dann ist ja gut, ich dachte schon, ich hätt was verpasst. Ich würde es doch bestimmt erfahren, wenn die einzige Teetrinkerin in meinem Laden anfangen würde Alkohol zu trinken.", lachte sie. „Ich lass Sie dann mal wieder allein. Falls was ist, einfach rufen." Rosmerta entfernte sich von ihrem Tisch und bediente die andere Kundschaft. „Du scheinst hier öfter zu sein. Ich war seit unserer Schulzeit nicht mehr hier. Es hat sich nichts verändert." Daniel sah sie neugierig an. Amina nickte knapp und trank einen Schluck ihres Kräutertees.

„Hast du noch Kontakt zu den anderen?", fragte sie ihn in die unangenehme Stille, die sich zwischen ihnen ausgebreitete. Sie hatte ihre ehemalige Clique nach ihrem Abschluss aus den Augen verloren. Dies fand sie nur bedingt schade, doch interessierte ihr Verbleib sie trotzdem. „Nur noch zu Bethany und David. Die beiden arbeiten auch im Ministerium. Von Chris, Weena und Lana hab' ich seit Jahren nichts gehört. Ich glaub' Chris und Lana haben von einem Jahr geheiratet. Weena hat glaub ne Freundin, ist aber nicht verheiratet." Er verzog missbilligend das Gesicht, was in Amina einen nicht gerade kleinen Funken Wut aufkeimen ließ. Seine Ansichten waren also immer noch aus dem letzten Jahrhundert.

„Warum hast du dich nach unserer Trennung nicht bei ihnen gemeldet?", fragte er fast schon anklagend. „Weil ich nicht wollte.", antwortete Amina knapp. Sie hatte in den Wochen nach der Trennung keinen ihrer Clique sehen wollen. Dann hatte sie angefangen zu begreifen, wie wenig sie mit den Personen, mit denen sie angeblichen befreundet war, eigentlich gemeinsam hatte und dass sie im Prinzip immer nur eine ungeschätzte Mitläuferin war. Keiner von ihnen hatte nochmals Kontakt mit ihr gesucht. Außer Daniel. Von dem wollte sie noch weniger etwas hören als von den anderen fünf.

„Sag mal stimmt es, dass du deine Eltern ermordet hast?", fragte er sie dann direkt. Amina nickte. Das Gespräch war ihr unangenehm und sie war sich sicher, dass es heute nicht angenehmer werden würde. „Du wolltest mir erzählen, was du von mir wolltest.", erinnerte sie ihn ohne weitere Erklärung. Sie wollte nicht noch länger Small Talk betreiben. Schon gar nicht über den Tod ihrer Eltern. „Richtig. Ich wollte dich eigentlich nur wiedersehen. Ich meine, es ist jetzt zwölf Jahre her und ich denke, du konntest sicher über das damals nachdenken. Daher wollte ich dir eine zweite Chance geben.", erklärte er und lehnte sich mit seinem Butterbier in der Hand zurück. Amina zog die Augenbraue nach oben. Hatte sie sich verhört?

Die Alchemistin - Bis in den TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt