Kapitel 02 - Jacob

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Kapitel 02 – Jacob

– Julie –

La Push, September 2009

Verschlafen brummte ich in mein Kopfkissen und streckte all meine Gliedmaßen stöhnend von mir. Der gestrige Tag war schnell vorbei gewesen, nachdem Lou mich so spontan und überrumpelnd besucht hatte.

Ich hatte noch lange mit Dillon telefoniert, mich dann zu meinem Dad gesellt und von London erzählt, bevor ich todmüde in mein Bett gefallen war.
Es war einer dieser Tage, an denen so viel und gleichzeitig gar nichts passiert war. In erster Linie war er wohl bloß der Startschuss gewesen.

Nun war ich wieder Zuhause, konnte noch ein wenig meine Freizeit genießen und hatte endlich den Kopf frei, um mir Gedanken über meine Zukunft zu machen und zu entscheiden, welchen Weg ich einschlagen wollte. Mir standen alle Türen offen – auch wenn ich noch nicht ganz wusste, was ich davon halten sollte.

Müde rappelte ich mich auf und lehnte mich gegen die Wand am Kopfende meines Bettes. Ich wusste nicht, ob es am Jetlag, an der Reise oder an meinem chronischen Schlafmangel lag, aber ich hatte keine Ahnung welche Uhrzeit, welchen Tag oder welches Jahr wir überhaupt hatten.

Prüfend ließ ich meinen trüben Blick durch mein altes Zimmer schweifen. Es war seltsam endlich wieder auszuschlafen, ohne meine Au-Pair-Kinder und wieder in meinem alten Zuhause.
Seltsam war allerdings auch, wie schnell ein Mensch sich wieder an neue, alte Umstände gewöhnen konnte. Auf eine irritierende Art und Weise kam es mir doch vor, als wäre ich nie weg gewesen.

Erst jetzt fiel mir auf, wie ungewohnt leer mein Zimmer doch war. Vor meiner Abreise, bei einem meiner erbärmlichen Versuche Paul zu vergessen, hatte ich mein Zimmer radikal entrümpelt.
Nicht nur Bilder, auf denen seine Visage zu sehen war, sondern auch alles, was mich auch nur im Geringsten an ihn erinnert hatte, war aus diesen vier Wänden verbannt worden.
Erst als ich dann in einem halbleeren Raum gestanden hatte, war mir klar geworden, dass es niemals reichen würde, Fotos und Gegenstände auszusortieren, um über ihn hinweg zu kommen.

Ehe ich länger als gewollt an diesem Gedanken hängen bleiben konnte, rollte ich mich seufzend aus dem Bett und stellte im gleichen Zug fest, dass es tatsächlich bereits 13 Uhr war.
Auch wenn ich an diesem Tag keine präzisen Pläne hatte, wollte ich die Zeit nicht so ungenutzt verstreichen lassen. Obwohl sich die Sonne auch heute wieder nicht durch die Wolkenschicht durchsetzen konnte, war es doch ein trockener Tag und es war höchste Zeit, das Reservat endlich wieder live zu erleben.

In Windeseile machte ich mich also fertig, streifte mir meine graue Sweatshirt-Jacke über und machte mich auf den Weg zu den Straßen La Pushs.
Kurz hatte ich überlegt, direkt den Weg zu Lou einzuschlagen, doch ich wusste auch, dass an Ruhe und Stille nicht mehr zu denken war, hatte sich meine beste Freundin erst einmal an meine Fersen geheftet.
Daher schlug ich vorerst alleine den Weg Richtung Meer ein und lächelte, als mir schon jetzt der Duft des Salzwassers in die Nase stieg. Das war Heimat.

Ich wusste, dass mir hier im Reservat einige seltsame Begegnungen bevorstanden, doch trotzdem konnte und wollte ich nicht befürchtend und vorsichtig durch die Siedlungen laufen. Ein bisschen freute ich mich auch auf die altbekannten Gesichter und früher oder später musste ich sowieso jedem wieder begegnen – bloß auf ein Wiedersehen mit Paul hätte ich beim besten Willen gerne verzichten können.


Nachdem ich zuerst instinktiv den First Beach angepeilt hatte, befand ich mich nun doch auf dem Weg zu einem weitaus ruhigerem und abgelegenerem Strandabschnitt, oder besser gesagt einer Bucht. Sie lag direkt hinter einem kleinen Waldstück und ich hatte dort schon einige einsame Stunden verbracht.

Lahote || Twilight / WerwolfOnde as histórias ganham vida. Descobre agora