Kapitel 48 - Geständnisse

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Kapitel 48 - Geständnisse

– Julie –

La Push, Juli 2010

Selten hatte ich einen solchen Sprint durch das Reservat hingelegt, wie an diesem Tag. Ich quetschte mich an den Leuten vorbei, grüßte keinen einzigen von ihnen und holte schließlich Dads verlangten Bratfisch.

Mir blieben Billys und Old Quils neugierige Blicke nicht verborgen, als ich heute schon zum zweiten Mal vor ihrem Stand auftauchte – dieses Mal ohne Paul.
Hätten die beiden gewusst, dass ich ebenjenen gerade mit meinem Vater alleine gelassen hatte, wären ihre Blicke sicherlich bloß noch bohrender gewesen.

„Lass es dir schmecken, Liebes", hörte ich Sue Clearwater noch freundlich sagen, als sie mir das Essen in die Hand drückte. „Oder ist das für deinen alten Herren?"
„Äh." Gedankenverloren sah ich sie an. „Ja, für Dad."
Sofort streckte mir Sue nun auch noch eine kühle Flasche Bier entgegen.
„Na dann, das geht aufs Haus. Er hat mir heute Morgen so geduldig mit dem Grill geholfen."

„Okay, danke", nickte ich ihr zu und nahm die Sachen entgegen.
In meinem Kopf herrschte längst ein völlig anderes Kopfkino, als dass ich mich nun auch noch mit meiner Umwelt auseinandersetzen hätte können.
Zu gerne hätte ich gewusst, was sich genau jetzt in meinem Zuhause abspielte oder ob Paul vielleicht gar schon die Flucht ergriffen hatte.

Ich wusste nicht, ob ich tatsächlich bloß neugierig oder nicht doch eher ängstlich war.
Es blieb mir bloß, das Beste zu hoffen.

Mir war bewusst, dass die beiden nicht allzu viel zu besprechen haben konnten.
Sicherlich lag meinem Vater daran, Paul endlich ordentlich die Meinung zu geigen und ihm all das vorzuwerfen, was sich in den letzten Jahren aufgestaut hatte – und bestimmt ließ er es sich auch nicht nehmen, ihn ausführlich davor zu warnen, dass sich das keinesfalls wiederholen sollte.

Aber letztendlich war es das, was ich wollte. Die beiden versuchten – zumindest hoffte ich das – einen Weg miteinander zu finden.
Und wenn Paul es geschaffte hatte, sogar mich davon zu überzeugen, dass er sich geändert hatte und er gut für mich war, dann musste das doch wohl bei meinem Dad ein Leichtes sein.
Ich musste es mir nur lange genug einreden.

Gerade näherte ich mich wieder unserem Haus und war erleichtert, dass ich keine laute Stimmen hörte und auch die Haustüre noch in den Angeln hin, als ich sah, dass sich dort etwas rührte.
Paul trat soeben wieder nach draußen und schien mich ebenfalls direkt zu bemerken.

Schnell lief ich auf ihn zu und hätte beinahe den warmen Fisch und das kühle Bier in meiner Hand fallen gelassen.
„Ach du Scheiße, wie siehst du denn aus?", platzte das Erste, das mir durch den Kopf ging, aus mir heraus.

Kreidebleich stand Paul vor mir.
„Dein Vater ist.. ziemlich direkt", murmelte er vor sich hin und schien völlig durch den Wind.
Ungeduldig sah ich ihn an.
„Oh Gott, was hat er gesagt?"
„Wir haben gerade eine kleine Reise durch die letzten Jahre unternommen", antwortete Paul und nahm mir apathisch das Bier, das eigentlich für meinen Vater bestimmt war, aus der Hand.

Begleitet von fassungslosem Kopfschütteln schoss Paul den Bügelverschluss der Flasche auf und nahm einen kräftigen Schluck.
„Ich hab mich quasi gerade nochmal ausführlichst von meiner schlimmsten Seite präsentiert bekommen. Und ich kann mich gar nicht oft genug entschuldigen, Julie. Weder bei dir, noch bei ihm."
Wieder setzte er die Flasche an und nahm einen großen Schluck.

„Ich weiß, das hast du schon mal gesagt", versuchte ich ihn anzulächeln, um ihn zu erinnern, dass wir die Vergangenheit doch ruhen lassen wollten. „Aber konntest du ihn denn zumindest überzeugen, dass es keinen Grund zur Sorge gibt?"

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now