Kapitel 21 - Hysterischer Besuch

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Kapitel 21 – Hysterischer Besuch

– Julie –

La Push, November 2009

Mein Geburtstag hatte also wieder einmal versucht, mich völlig aus der Bahn zu werfen, doch mit Müh und Not hielt ich mich dennoch in der Spur.
Selbst als ich mit Dillon telefoniert hatte, war die Kette in meiner Hand. Als abends Lou vorbeigekommen ist, war sie sogar schon um meinen Hals.

„Oh, wie süß das ist. Dein Dad ist so goldig", war Lous Kommentar gewesen, als sie den alten, neuen Schmuck an mir bemerkt hatte.
Selbstverständlich war sie davon ausgegangen, dass er ein Geschenk meines Vaters sein musste. Immerhin war es auch vollkommen absurd, dass Paul so aufmerksam gewesen wäre – und doch war es wahr.

Vorsichtshalber hatte ich Lou in dem Glauben gelassen und dieses Thema unter den Teppich gekehrt. Hätte Lou erfahren, dass die Kette von Paul war, wäre sie vermutlich durch Lous Hand direkt in der Toilette gelandet.
Ich hatte es also nur abgenickt und einen ruhigen, schönen Abend mit ihr verbracht, an dem wir natürlich auch mal wieder den Kopf über Jake und seine Freunde schüttelten.

Ich musste mich zuerst selbst sortieren und das tat ich in den nächsten Tagen auch.
Was genau sich Paul mit seiner aufmerksamen Geste erhoffte, war mir ein Rätsel. Ob er auf eine Aussöhnung wartete, oder ob er gar auf ein Wiederaufleben alter Gefühle spekulierte, konnte ich einfach nicht einschätzen.
Es war nicht Pauls Art, ohne Hintergedanken nett zu sein – schon gar nicht zu mir, nach unserer Vorgeschichte.

Ich wollte ihm nicht den Gefallen tun und mich, nach allem was passiert war, plötzlich bei ihm melden und mich bedanken. Ich wollte keinen Schritt auf ihn zugehen.
Der einzige Gefallen, den ich ihm tun wollte, war, dass ich die Kette auch tatsächlich trug und das auch nicht versteckte.
Und selbst über diesen Schatten zu springen, hatte mich eine Menge Überwindung gekostet.

Vier Tage nach meinem Geburtstag war mir Paul zum ersten Mal, zumindest aus der Ferne, wieder begegnet.
Zusammen mit Embry lief er am Vormittag meine Straße entlang und passierte verdächtig langsam mein Haus. Insbesondere als er mich dann auch noch aus der Haustüre kommen sah, wie ich mich auf den Weg zu Lou machte, verlangsamte sich sein Schritt noch mehr. Zwar waren seine Blicke verstohlen, doch trotzdem bemerkte ich sie.

Diese Art, die er inzwischen an den Tag legte, war für mich noch befremdlicher als seine unerklärliche, plötzliche Anwandlung, als er dachte, er müsste mir verbieten, nach Forks zu fahren.
Er war distanziert, doch auf eine ungewöhnlich respektvolle Art und Weise.

Kaum merklich nickte ich leicht, während ich mir sicher war, Paul würde mich unauffällig beobachten. Ob dieses Nicken nun ein zögerliches Grüßen oder doch ein verstecktes „Danke" war, wusste ich selbst nicht – doch vorerst war es genug und mehr konnte ich Paul nicht geben.

Sofort riss ich also meinen Blick wieder von den beiden jungen Männern los, machte auf dem Hacken kehrt und schlug dann den Weg zu Lou ein. Neben Dad war meine beste Freundin hier im Reservat zur einzigen Person geworden, die mich zu Gesicht bekam.
Für den Rest hatte ich mich Zuhause verschanzt – insbesondere deshalb, weil ich Jake absolut nicht in seinem neuen Freundeskreis sehen wollte und auch nicht bereit war, mir seine Lügen länger anzuhören.

„Hast du eigentlich mal wieder was von Bella gehört?", fragte mich Lou gähnend, als wir auf dem Sofa ihres Wohnzimmers lagen.
Kurz überlegte ich.
„Sie hat mich zu meinem Geburtstag kurz angerufen und ich sie auch an ihrem, aber ansonsten.. Nein, seitdem ich mich in ihrer Gegenwart beinahe zerhackt hätte nicht."

Bei einem flüchtigen Blick auf meine fast verheilten Wunden an der Hand, dachte ich sofort unwillkürlich an Carlisle Cullen und seine außergewöhnliche Aura.
Es war eine so kurze Begegnung gewesen, doch trotzdem hatte sich die Ausstrahlung des überraschend jungen Arztes in meinem Kopf eingebrannt.
Erst jetzt fiel mir auch auf, dass ich Lou nie von all den Ereignissen dieses Tages erzählt hatte, nachdem mich letztendlich die Konfrontation mit Jake und Paul so beschäftigt hatte.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now