Kapitel 30 - Hoffnung

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Kapitel 30 - Hoffnung

– Paul –

La Push, Dezember 2009

Es hatte keinen Knall getan, es war auch kein ohrenbetäubender Lärm zu hören gewesen. Der Moment, in dem meine Welt zerbrach, er war leise.
Er hatte in dem leichten Zittern in Julies Stimme gelegen und gleichzeitig in ihren entschlossenen Augen.

Ende November war der Punkt erreicht gewesen, an dem es vorbei war – meine Zukunft mit Julie, die noch nicht einmal angefangen hatte. Und den Schlag dahinter, den Einsturz, den Zusammenfall, den hatte niemand gehört.
Vielleicht noch nicht einmal ich selbst, denn trotz aller Aussichtlosigkeit hatte ich immer noch Hoffnung. Anders hätte ich vermutlich nicht überlebt.

„Ist es nicht wirklich ungesund, was er da betreibt?", hörte ich Embrys flüsternde, besorgte Stimme, als er sich an Sam gewandt hatte und wohl dachte, ich wäre so sehr in Gedanken versunken, dass ich ihn nicht hören würde. Müde saß ich am Waldboden, gegen einen Baum gelegt und starrte ins Leere, sah die beiden aber trotzdem aus dem Augenwinkel.
„Sie hat ihn klipp und klar abgewiesen, er muss doch irgendwie nach vorne schauen."

Tadelnd schüttelte Sam den Kopf und schenkte Embry einen Blick, der deutlich machte, dass er sich kein Urteil erlauben durfte.
„Ich mein ja nur –", wollte er gerade ansetzen, um seine Worte zu begründen, doch Sam kam ihm zuvor.
„Ich weiß, du meinst es nur gut, aber du kannst es nicht verstehen, Embry. Du wurdest nie geprägt. Deine Baustelle ist Jake, kümmere dich um ihn. Dass Bella wieder mit Edward zusammen ist, macht ihm mehr als hart zu schaffen."

„Das weiß ich, aber wie soll ich mich auf Jake konzentrieren und versuchen ihn aufzubauen, wenn es ihm hier womöglich noch schlechter geht und sich in Hoffnungen verrennt, die –"
„Leute, ich kann euch hören", brummte ich warnend, als Embry nun auch noch mit dem Kopf in meine Richtung nickte.
Sofort verstummte Embry, doch Sams mitleidiger Blick lastete immer noch auf mir.
„Manchmal ist Hoffnung eben das Einzige, woran man sich noch klammern kann, damit man nicht gänzlich untergeht", seufzte er, während ich mich auf die Beine rappelte und die beiden hinter mir ließ.

Ich wollte und musste in letzter Zeit unheimlich viel alleine sein, obwohl Sams Worte der vollen Wahrheit entsprachen.
Solange ich hoffte und daran glaubte, dass morgen ein besserer Tag sein würde, hatte ich die Kraft, den heutigen überhaupt hinter mich zu bringen – egal, wie oft ich feststellen würde, dass der nächste Tag nur noch schlimmer war.
Nichts war verloren, solange ich mir nur immer wieder sagte: „Es gibt noch eine Chance."

An diesem Tag jedoch erlosch auch der letzte Funken und stürzte mich damit in eine Dunkelheit, die ich so bisher nicht gekannt hatte.
Ziellos lief ich durch den Wald und inhalierte die kühle Luft. Die Tage in Menschenform schmerzten noch mehr als die, die ich als Wolf verbrachte, doch ich konnte immerhin nicht pausenlos auf vier Pfoten verbringen. Nicht, solange ich mir noch einredete, eine Chance bei Julie zu haben.

Seufzend erkannte ich schließlich das helle Tageslicht und war am Rande des Waldes angekommen. Von draußen erreichte mich das angenehme Rauschen des Meeres und langsam nahm ich auch wahr, wo ich mich befand.
Ich war an dem Ende des Waldes, das an die kleine, versteckte Bucht angrenzte. Hier hatte ich einiges erlebt – die besten Partys, Nachmittage mit meinen Freunden und vor allem hatte ich hier auch Julie zum ersten Mal wahrgenommen und anschließend auch zum ersten Mal die Nacht mit ihr verbracht.

Beinahe hätte ich gedacht, es wäre einzig der Gedanke an Julie, der mir bereits ihren Geruch in die Nase steigen ließ, als ich dann aber doch noch einige Schritte an den Waldrand herantrat und ihr Duft noch intensiver wurde.
Ich war ihr seit unserem letzten Gespräch, in dem sie mir verständlich gemacht hatte, dass sie mich nicht in ihrem Leben haben wollte, aus dem Weg gegangen.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now