Kapitel 12 - Das wahre Monster

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Kapitel 12 – Das wahre Monster

– Paul –

La Push, Oktober 2009

Wie versteinert stand ich im Vorgarten der Hansons und sah dem alten Wagen, den Julie eben mit quietschenden Reifen ausgeparkt hatte und nun mit rasanter Geschwindigkeit aus der Siedlung fuhr, hinterher.
Mit Sicherheit hatte ich mir mit dieser Aktion eben keinen Gefallen getan, doch ich hatte einfach nicht mehr tatenlos zusehen können.

Wie immer hatte Sam Recht behalten und die Prägung hatte mir mehr den Boden unter den Füßen weggerissen, als ich jemals geglaubt hätte. Inzwischen war mir ebenso klar wie meinem Alpha, dass ich mich nicht von Julie fernhalten konnte, doch gleichzeitig war mir eigentlich bewusst gewesen, dass ich sie nicht aus heiterem Himmel überrumpeln konnte.

Auch das war etwas, das die Prägung mit sich gebracht hatte – ich stellte Julies Bedürfnisse und ihr Glück zu jeder Zeit über meines.
Und nach allem, was zwischen uns vorgefallen war, war meine plötzliche Nähe wohl das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Egal wie hart es also war und wie gerne ich sie bei mir haben wollte, hatte ich mich darum bemüht, ihr das Gefühl zu geben, ich wäre ihr ferngeblieben.
Ich achtete darauf, dass sie mich nicht zu Gesicht bekam, wenn ich sie beobachtete und ein Auge darauf hatte, was sie machte.

Sam hatte mir ans Herz gelegt, mich vorerst mit der Situation auseinanderzusetzen und nichts zu überstürzen, doch immer wieder hatte ich mitbekommen, wie Julie Zeit mit Jake, Lou und immer öfters auch dieser Bella verbrachte – in La Push, als auch in Forks.
An dem Ort, an dem vor Kurzem die Leiche eines Mannes, der angeblich von wilden Tieren angegriffen wurde, gefunden wurde.
Sämtliche Patrouillen und unzählige von Sams Predigten später, waren wir uns allerdings sicher, dass keine wilden Tiere, sondern ein Zirkel nomadischer Vampire in Forks sein Unwesen trieb.

Dieses gesamte Vampir-Ding war mir von Anfang an auf die Nerven gegangen. Meinetwegen hätten die Cullens und ihresgleichen tun und lassen können, was immer sie wollten, solange sie es außerhalb des Quileute-Gebiets taten. Dass sich nun jedoch Julie immer öfter nach Forks begab und sogar mit Bella, die sich keineswegs von den Cullens abgewandt hatte, verkehrte, hatte die Karten völlig neu gemischt.

Forks war nicht sicher, Bella umgab sich mit Monstern und Julie ahnte nichts von all dem.
Immer wieder setzte sie sich unbewusst all diesen Gefahren aus und ich konnte nicht länger tatenlos dabei zusehen, wie sie blind in ihr Unglück fuhr.
Forks und Bella waren nicht gut für sie, ich wollte sie nicht in ihrer Nähe wissen.
Allerdings sagte sich das schwer, ohne völlig verrückt zu klingen, solange ich Julie keine vernünftige Erklärung dafür liefern konnte.

Hatte ich tatsächlich erwartet, sie würde auf mich hören, wenn ich ihr verbieten würde, dorthin zu fahren? Vermutlich nicht.
Ich wusste bloß, dass ich irgendetwas tun musste – und hatte sie damit auf direktem Wege nach Forks gejagt.

„Wow, Bro", erklang Embrys Stimme hinter mir. „Was für ein Schachzug. Das hätte ich dir auch sagen können, dass das nach hinten losgeht."
Brummend wandte ich mich um und sah ihn, Quil und Brady auf mich zukommen. Ihnen allen war wohl nicht entgangen, was sich hier soeben abgespielt hatte.
Meine Selbstbeherrschung ließ immer noch zu wünschen übrig und die Jungs stellten diese auch regelmäßig auf die Probe – manchmal bewusst, manchmal unbewusst.

„Das hilft mir gerade auch nicht weiter", knurrte ich Embry missmutig entgegen und versuchte die aufkeimende Wut in mir zu unterdrücken.
Ich war gerade zum ersten Mal auf Julie zugegangen und sie hätte nicht deutlicher machen können, wie sehr sie mich verachtete und wie sehr sie meine Gegenwart verabscheute.
Sie hatte mich noch nicht einmal eines Blickes gewürdigt. Scheinbar hatte ich tatsächlich meine Macht über sie verloren.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now