Kapitel 37 - Herz gegen Kopf

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Kapitel 37 - Herz gegen Kopf

– Julie –

La Push, Juni 2010

Ich wusste nicht, wann ich so egoistisch geworden war.
Ich hätte mich vermutlich um Jake sorgen und ihm am nächsten Morgen direkt einen Krankenbesuch abstatten sollen oder mich bei Bella melden, um nachzuhaken, wie es ihr ging und wie es den Cullens ergangen war, doch stattdessen zerfloss ich im Selbstmitleid.

Was in mir tobte, war kaum zu ertragen.
Wann immer ich eine Sekunde ruhig saß, kämpften in mir zwei Geister – ein Kampf, so alt wie die Menschheit selbst.
Unterbewusste Gefühle bahnten sich den Weg nach oben, während mein Verstand bemüht war, sie allesamt zu verdrängen. Kurzum – die altbekannten Gegner standen einander gegenüber:
Herz gegen Kopf.

Lange hatte ich gedacht, dass mein Herz in diesem Kampf für Dillon stand, während mein geschädigter Kopf fehlprogrammiert war und immer noch Lahote für den Richtigen für mich hielt.
Doch spätestens als mein Herz beinahe gebrochen wäre, als ich Paul bloß eine Millisekunde für verloren geglaubt hatte, konnte ich kaum mehr leugnen, dass es ihm gehörte.

Doch wenn ich an all die Jahre dachte, in denen ich ihm bereitwillig mein Herz geschenkt hatte und immer mehr verloren hatte, wurde mir wieder bewusst, weshalb ich mich so konsequent dagegen wehrte, es gewinnen zu lassen.
Ich war noch nie gut gefahren – weder mit Paul, noch damit, auf mein Herz zu hören.

Dass nun auch noch diese verfluchte Prägung hinzugekommen war, machte es jedoch nicht leichter.
Diese Kette um meinen Hals, die mich inzwischen weniger an meine Eltern und immer mehr an Lahote erinnerte, wog schwerer denn je.

Ich hätte mir noch tagelang den Kopf zerbrechen und mich in meinem Drama suhlen können, doch weiterbringen würde mich das ebenfalls nicht.

Ich konnte und wollte nicht länger alleine damit sein, doch weder mit Lou, noch mit meinem Dad konnte ich ehrlich über all das sprechen und in Sachen Prägung würden sie mir ohnehin nicht weiterhelfen können.
Bella hatte sicherlich ihre eigenen Baustellen mit der bevorstehenden Hochzeit und ihre Haltung zu dem Ganzen kannte ich bereits. Mit Jake hätte ich reden können, allerdings wollte ich ihn in seinem physischen Zustand und seinem Drama mit Bella nicht auch noch mit dem meinen zur Last fallen.

Wie ich es auch drehte und wendete – es gab nur einen Menschen, mit dem ich auf Augenhöhe darüber sprechen konnte und der auch maßgeblich daran beteiligt war. Etwas in mir trieb mich also förmlich zu Lahote.

Schon früh morgens, als mein Dad noch verschlafen in der Küche stand und die Kaffeemaschine zum Laufen brachte, schnappte ich mir meine Jacke und eilte nach draußen.
Ein knappes „Morgen" rief ich meinem Vater noch zu, ehe die Haustüre hinter mir ins Schloss fiel.

Ich hatte mir nicht zurecht gelegt, was ich Paul sagen wollte. Ich ahnte, dass er ebenso verloren und planlos war wie ich. Vielleicht konnten und sollten wir einfach ein einmal offen über alles reden und uns klar werden, wie es weitergehen sollte.

– Paul –

Man hätte meinen sollen, ich wäre glücklich darüber, dass der Kampf so gut verlaufen war und Carlisle Cullen auch Jake wieder repariert hatte, doch stattdessen fühlte ich mich elender denn je.
Alleine Julie zu sehen, war eine Achterbahnfahrt, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Sie war so nah und trotzdem unerreichbar.

Schon wie sie gestern Abend zurückgewichen ist, als hätte sie einen Grund Angst vor mir zu haben, hatte mir einmal mehr das Herz gebrochen.
Der Gedanke daran, dass ich sie niemals wieder in die Arme schließen könnte, jagte mir eine solche Angst vor der Zukunft ein, dass ich sie am Liebsten nicht erleben würde.

Lahote || Twilight / WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt