Kapitel 26 - Überlegungen

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Kapitel 26 - Überlegungen

– Julie –

La Push, November 2009

Drei Tage war es her, dass mir all diese neuen Informationen serviert wurden und mich die Welt, die ich bisher als so unspektakulär angesehen hatte, durch andere Augen sehen ließen.
Drei Tage, die ich mich wieder einmal zurückgezogen und versucht hatte, mich zu ordnen. Der einzige Unterschied war, dass in diesen drei Tagen selbst Lou und Dillon nur knappe Textnachrichten von mir erwarten durften.
Es gab immerhin eine ganze Menge anderer Dinge, die meinen Kopf beanspruchten und über die ich mir klar werden musste.

Fakt war: Mein Leben stand Kopf – ob im negativen oder positiven Sinne, war ich allerdings selbst nicht im Stande einzuschätzen.
Das, was ich gesehen und gehört hatte, war so irreal. Doch langsam hatte ich verstanden, dass es wohl doch zur Realität zählte und ich einfach hinnehmen musste, dass Wesen wie Vampire und Gestaltwandler zu unserer Welt gehörten – egal wie befremdlich sich dieser Gedanke auch anfühlte und wie unwohl mir bei dieser Angelegenheit auch war.

In dieser Hinsicht hätte ich gerne mein unspektakuläres Leben in Unwissenheit zurückgehabt – andererseits hatten sich mir nun so viele der Fragen, die mich in den letzten Wochen umgetrieben hatten, endlich beantwortet.
Ich konnte endlich - zumindest ansatzweise - nachvollziehen, was es mit dieser Gruppierung um Sam und der plötzlichen Veränderung all der Menschen um ihn herum auf sich hatte.

Ob ich nun allerdings Jacob wieder zu meinem Freundeskreis zählen konnte, war dennoch eine Frage, die ich mir nach wie vor nicht beantworten konnte. Zwar hatte ich nun all dieses neue Wissen, doch wo mein Platz in alledem war, war mir weiterhin nicht klar.

Egal wie sehr ich mir den Kopf zerbrach und mich immer wieder ermahnte, dass meine Grübeleien ja doch zu nichts führen würden, war da doch immer wieder dieselbe Sache, die mich wieder in diesen Strudel riss – Pauls verdammt selbstgefälliges Grinsen und seine Worte, die mir immer wieder durch den Kopf hallten.
Du sagst es, das tun manche Menschen. Und du bist nicht die Einzige, glaub mir.

Paul war nie ein Mensch vieler Worte gewesen. Egal wie direkt er immer wieder gewesen war, wenn es darum ging, mich vor den Kopf zu stoßen – sobald es um seine Gefühle ging, hatte er erschreckend hohe Mauern um sich errichtet. Es war das erste Mal, dass er angedeutet hatte, sich wahrhaft Gedanken gemacht und sich auch verändert zu haben.
Und offensichtlich war es für ihn auch unheimlich erleichternd gewesen, diese Worte endlich ausgesprochen zu haben.

Er wusste ganz genau, dass mich diese Worte nicht kalt lassen und stattdessen etwas in mir lostreten würden - und das taten sie tatsächlich.
Immerhin hatte er recht, ich hatte mich definitiv verändert – wenn auch nicht genug, um zu verhindern, dass mich Paul mit wenigen Worten und noch weniger Blicken aus der Bahn werfen konnte.
Ich hatte mich weiterentwickelt und hatte mein unheimlich dummes Verhalten der letzten Jahre erkannt. Doch dass Paul Lahote tatsächlich dieselben bedeutenden Schritte gemacht hätte, war schlicht unvorstellbar für mich. Dabei war es ganz egal, wie vernünftig und behutsam er mit mir geredet hatte und wie sehr er darauf geachtet hatte, mich nicht zu harsch mit all diesen neuen Dingen zu überhäufen.

Das Einzige, das ich ihm zutraute war, dass er eine neue Masche entdeckt hatte und darauf hoffte, mich einmal mehr in diese Richtung, die mich in meinen eigenen Untergang führte, lenken zu können. Doch was wollte er immer noch von mir, wenn er doch inzwischen sein wahres Dasein entdeckt hatte und sein Leben nun dem Wolf in sich widmen konnte? Er hatte sicherlich genug um die Ohren, als an unsere alte Geschichte anknüpfen zu wollen.

„Ich war die letzten Tage einfach komplett durch, tut mir leid. Hier geht wohl irgendein Virus um", entschuldigte ich mich zum wiederholten Male seufzend am Telefon.
Dillons enttäuschte Stimme traf mich direkt ins Herz.
„Muss ich mir Sorgen machen, Julie?", fragte er nach einer kurzen, schweren Schweigepause.
Ich wusste, dass er nicht von meiner angeblichen Krankheit sprach, doch trotzdem schwang keinerlei Vorwurf darin mit - lediglich diese erschreckende Verunsicherung, die ich nur zu gut aus meiner Vergangenheit kannte.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now