Kapitel 24 - Wendungen

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Kapitel 24 - Wendungen

– Julie –

La Push, November 2009

Vielleicht waren es nur ein paar Minuten, vielleicht auch mehrere Stunden, die vergingen, als ich in der kleinen Hütte saß und mich an meiner Tasse Tee festkrallte.
Emily hatte ihn mütterlich für mich zubereitet und warf mir immer wieder mitleidige Blicke zu, während ich vor mich hinstarrte.

Ich hatte Emily eine ganze Weile nicht gesehen, doch nach Embrys Vorwarnung und Dads Erzählungen war ich darauf gefasst gewesen, wie sie inzwischen aussah.
Und in meinen Augen war Emily bloß ein lebender Beweis dafür, das Schönheit nicht gleich frei von Makeln bedeuten musste – ganz im Gegenteil.

Emily strahlte. Und das unterstrichen die tiefen, zerrenden Narben in ihrem Gesicht bloß.
Es wirkte, als würden sie mit aller Kraft versuchen, ihre wundervolle Ausstrahlung zu zerstören und doch scheiterten sie kläglich.
Ihre Wärme und Güte bekam auch ich zu spüren, als sie mich und Bella sofort selbstverständlich umsorgte.

Auch Embry, Jared und Quil hatten sich in der Hütte verteilt, doch deren gute Laune machte alles bloß noch befremdlicher.
Sie stopften sich mit Essen voll, lachten, schlossen sämtliche Wetten ab und grinsten mich immer wieder wissend an.

Gerade bewegte sich Emily wieder aus der kleinen Wohnküche auf uns zu und servierte den Jungs eine neue Ladung Muffins, als sie Bella schließlich direkt ansprach.
„Du bist also das Vampirmädchen", sagte sie sachlich und musterte die Brünette prüfend.

Während Bella unsicher aufsah und stumm nickte, verschluckte ich mich an dieser Stelle heftig an meinem Pfefferminztee und läutete damit ein Hustkonzert ein, das mir zunächst amüsierte, letztendlich aber gar besorgte Blicke einbrachte.
„Geht's?"
Fragend sah mich Embry an und zog eine Augenbraue nach oben, als ich abwinkte und mir die Tränen aus den Augenwinkeln wischte.

Vampirmädchen.
Natürlich – ich hatte mich soeben so sehr darauf versteift, dass die Gestaltwandler aus unseren alten Stammesmythen tatsächlich existierten und versucht, diese Tatsache zu begreifen, dass ich die kalten Wesen völlig außer Acht gelassen hatte.
Aber sicherlich mussten auch diese wirklich Teil unserer Welt sein.

„Moment", hob ich schließlich doch fragend meine Hand und versuchte mich zu sammeln. „Das heißt also, die Cullens sind..."
„Vampire", ergänzte Embry sachlich und zuckte mit den Schultern, als hätte er soeben nur das Offensichtliche ausgesprochen.
„Natürlich, Vampire", seufzte ich resigniert und ließ mich müde zurück in meinen hölzernen Stuhl fallen.
Es hatte keinen Sinn – ich konnte einfach nur noch alles abnicken.

Als sich die anderen unterhielten und Bella sogar einen Muffin vertilgte – ich hingegen konnte noch nicht einmal daran denken, im Moment etwas zu essen – horchten Embry, Jared und Quil plötzlich auf.
Nur etwa eine Sekunde später schlug bereits die Türe auf und Sam trat ein.

Sofort suchte er im Raum nach seiner Verlobten und ging schnurstracks, mit großen Schritten auf sie zu.
Von all den vernichtenden, ablehnenden und urteilenden Blicken, die ich von ihm gewohnt war, war in diesem Moment nicht die geringste Spur.
Stattdessen stand in seinen Augen nur bedingungslose Liebe, die niemandem anderen galt als Emily.
Er schien noch nicht einmal etwas anderes wahrzunehmen, nachdem er weder Bella, noch mir Beachtung geschenkt hatte.

„Schatz", hauchte er bloß leise und strich zärtlich über Emilys vernarbte Gesichtshälfte, ehe er ihr Gesicht mit seinen großen Händen umschloss und sie hingebungsvoll küsste.
Noch nie hatte ich das Glück zweier Menschen derart offensichtlich sehen und auch spüren können.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now