Kapitel 06 - Vernünftig sein

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Kapitel 06 – Vernünftig sein

– Julie –

La Push, September 2009

Eine Woche lang war ich nun schon zurück in La Push und verbrachte die meiste Zeit bewusst zu Hause oder bei Lou.
Es gab Einiges zu tun – ich hatte mich über die Collegebewerbungen informiert, über die einzelnen Studiengänge, hatte mir Gedanken über meine Zukunft gemacht und zu guter Letzt war da auch noch Dillon, der bei jeder Gelegenheit anrief und sich nach meinem Tag erkundigte.

Er war so aufmerksam und ich spürte, wie ich ihn jeden Tag mehr vermisste. In London hatte ich ihn jeden Tag um mich und obwohl ich gedacht hatte, ich könnte niemals wieder einem Mann vertrauen, hatte er mich doch vom Gegenteil überzeugen können.

Als mir in England alles so neu war, hatte er mir Sicherheit gegeben. Jeden Tag hatte er mich auf ein Podest gestellt und versucht, mir die Welt zu Füßen zu legen – Gesten, die ich bis dato nicht gekannt hatte.

Gerade lag ich wieder auf dem Bett, hielt das Handy an mein Ohr und lauschte seiner angenehmen, dunklen Stimme, während ich vor meinem geistigen Auge wieder sein strahlendes Lächeln sah und mir vorstellte, wie er sich sicherlich gerade wieder durch sein blondes, wild durcheinander fallendes Haar fuhr.
Er war ein wahrer Sunny-Surferboy, so wie ich mir die Kerle in LA auch immer vorgestellt hatte – ganz anders, als hier im Reservat.

Er erzählte von seinen Freunden zu Hause, die ich unbedingt kennenlernen sollte, seiner Familie, seinem Hund und dem herrlichen Wetter in Los Angeles.
„Julie?", sagte er plötzlich fragend meinen Namen und wollte sich offensichtlich versichern, dass er auch meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte.
Sofort horchte ich auf. „Ja?"

„Ich muss gleich los, aber ich muss dich einfach was fragen", tastete sich Dillon langsam voran und ich hörte förmlich die Anspannung in seiner Stimme. „Ich weiß, wir haben um dieses Thema in London immer einen großen Bogen gemacht und es war auch irgendwie gar nicht nötig das zu klären, immerhin haben wir uns sowieso immer gesehen, aber... Das mit uns – das.. Das ist doch was Ernsteres, nicht wahr?"

Schon während Dillon sprach, wuchs das Lächeln in meinem Gesicht von Sekunde zu Sekunde. Er war einfach so unglaublich lieb und ließ mein Herz selbst aus der Distanz höherschlagen – insbesondere durch das, was er soeben gesagt hatte.
„Klar", antwortete ich auf der Stelle und strahlte bis über beide Ohren. Ich war mir sicher, dass Dillon dieses Strahlen auch in meiner Stimme hören konnte. „Natürlich, und du fehlst mir."

„Du mir auch, Babe", seufzte Dillon erleichtert. „Aber dann kann ich ja jetzt guten Gewissens los und kann mir sicher sein, dass du dich in La Push nicht längst anderweitig umgesehen hast."
Leise lachend schloss er deutlich hörbar eine Türe. „Ich muss los, bis bald!", verabschiedete er sich nun gut gelaunt und auch ich lag lächelnd auf meinem Bett.
„Bis dann."

Glücklich ließ ich das Telefon neben mich auf die Matratze sinken und grinste dämlich vor mich hin. All das konnte also doch auch in diese Richtung gehen und sich so gut anfühlen.
Ich war Teil einer schrecklichen Generation, die sich ungerne festlegte, wenn es um Beziehungen ging. Kein Kuss, kein intimer Moment, kein Sex – nichts war heutzutage wirklich mehr ein Zeichen dafür, dass sich zwischen zwei Menschen mehr entwickeln konnte, als bloße Körperlichkeit.

Dass Dillon nun von sich auch dieses Thema angesprochen hatte und mich damit in all den Gefühlen, die ich für ihn hatte, bestärkt hatte, fühlte sich so herrlich befreiend an. Er schien dasselbe in mir zu sehen, wie ich in ihm und das war Balsam für meine vernarbte Seele.
Nur zu gut erinnerte ich mich an eine ähnliche Situation, wie sie vor einiger Zeit in genau diesem Zimmer stattgefunden hatte.

Lahote || Twilight / WerwolfWhere stories live. Discover now