Kapitel 22 - Angriffslust

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Kapitel 22 – Angriffslust

– Paul –

La Push, November 2009

Julie hatte meine Kette um den Hals gehabt. Sie hatte meine, oder nun viel mehr ihre, Kette getragen, als sie zuvor das Haus verlassen hatte.
Diese eine Situation war alles, woran ich den ganzen Tag über denken konnte.
Vielleicht interpretierte ich zu viel in diese Sache hinein, doch ich hatte mir sogar eingebildet, dass mir Julie zugenickt hatte.

Womöglich hatte ich endlich das Geheimrezept gefunden. Je mehr ich Julie in Frieden ließ und ihr gegenüber distanziert, aber respektvoll auftrat, desto zutraulicher würde sie möglicherweise werden.
Egal wie sehr ich in dieser Zeit auch zu leiden hatte – wenn das Endresultat war, dass Julie sich nicht länger so konsequent vor mir verschloss, dann war es das wert.

Den ganzen Tag über dachte ich verträumt daran, wie wunderschön Julie mit ihrer Kette ausgesehen hatte, als sie morgens vor ihrem Haus gestanden und mich beobachtet hatte.
Nach allem, was in letzter Zeit passiert war, war selbst diese Geste ein riesen Schritt. Es hätte mich nicht überrascht, hätte sie sie mir direkt wieder zurückgeschickt oder gar weggeschmissen, doch stattdessen hatte sie mein Geschenk angenommen – und hatte mir damit zum ersten Mal seit Langem wieder Hoffnung geschenkt.

Selbst als wieder einmal das leidige Thema Cullens aufgekommen war und sich Sam wieder einmal den Kopf darüber zerbrach, wohin sie so plötzlich verschwunden waren, konnte ich ihm nicht folgen. Ich war ganz bei Julie.
Ich überlegte, wie lange es wohl dauern mochte, bis sie mich zumindest wieder verbal grüßte und schließlich endlich vernünftig mit mir reden konnte.

Verträumt saß ich also bei Sam, Jared und Embry, während die anderen wild durcheinander redeten.
Erst als unser Alpha uns hektisch anwies, ihm zu folgen und dann den Weg zu den Blacks einschlug, erlangte er langsam wieder meine Aufmerksamkeit.
Das Rudel war verunsichert, seitdem die Cullens so plötzlich verschwunden waren - Sam allen voran.

„Das.. riecht ihr das? Ich wusste doch, dass ich ihren Truck gehört habe!", knurrte Sam mit tiefer Stimme vor sich hin, als wir den kürzesten Weg zum Bungalow der Blacks nahmen.
Es brauchte nur noch wenige Schritte, bis wir aus dem Wald treten würden, doch auch ohne die Erwähnung eines Namens wusste ich, worauf unser Rudelführer hinaus wollte.
„Er wird ihr doch wohl nicht...", hörte ich Sam noch leise vor sich hin zischen, während sich in meinem Kopf auf der Stelle ein eigener Film abspielte.

Die Rede war von Bella Swan, das war uns allen klar. Und wenn ich mich nur genug darauf konzentrierte, konnte selbst ich sie bis hierher riechen.
Sie hatte so viel Zeit mit diesen Blutsaugern verbracht, dass sie diesen ekelhaften Gestank regelmäßig hier im Reservat verbreitet hatte. Es war unheimlich erleichternd, dass sich selbst dieser inzwischen zumindest etwas neutralisiert hatte – immerhin waren die Cullens auch für Bella von der Bildfläche verschwunden – doch trotzdem vernebelte er mir noch jetzt die Sinne.
Ich nahm nichts anderes wahr, als die Mischung aus Bellas Geruch und dieses grausamen Vampirgestanks.

Und schon war ich wieder an dem Punkt angelangt, an dem sich mein Kiefer ungewollt anspannte und ich nur mehr die Zähne knirschend zusammenpressen konnte.
Bella Swan wirkte auf mich wie ein rotes Tuch.
Sie war der Grund, weshalb Julie so oft nach Forks gefahren war und wir somit aneinandergeraten waren.
Und noch dazu war es Bella, die Julie letztendlich zu diesen erbärmlichen Vampiren gebracht hatte.
Sie hatte Julie in Gefahr gebracht und hatte nun tatsächlich die Nerven, hier aufzukreuzen?

Angespannt und mit verkrampften Händen, die sich wie von selbst zu Fäusten ballten, hielt ich mit Sam Schritt und spürte meinen Pulsschlag deutlich am Hals, als die Hintertür der Blacks aufschlug und ich Bella aufgebracht auf uns zustürmen sah.
Mit jedem Schritt, den wir einander annäherten, wurde der verbleibende Vampirgeruch an ihr noch intensiver und brachte meine Glieder zum schmerzen.

Lahote || Twilight / WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt