Kapitel 9

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Wir waren gerade einmal einen Meter von den Polizisten entfernt, als Noah stehen blieb und sich umdrehte. "Noah, was ist los?" Dieses Mal flüsterte ich, auch wenn ich nicht genau wusste, warum ich es tat. "Dreh dich um." War das Einzige was er von sich gab. Mein Blick schweifte zu dem Haus hinüber. Ein Polizist kam gerade herausgelaufen und hielt dem anderen Polizisten eine Plastiktüte vors Gesicht. Noah und ich standen immer noch hinter dem Gartentürchen und versuchten angestrengt alles mitzuhören, was die beiden Polizisten sagten. Wir schauten uns gegenseitig an und zuckten beide mit den Schultern, weil keiner von uns verstand, was das Ganze zu bedeuten hatte.

"Ganz klar, Drogen." Genau dieser Satz drang zu mir durch.

Moment mal, hatte der Polizist gerade Drogen gesagt? Unmöglich, das musste ich mir eingebildet haben. Doch ein Blick zu Noah verriet mir, dass ich richtiglag, mit dem was ich gehört hatte. Seine Augen weiteten sich und geschockt blickte er zu mir herunter. Ich selbst war geschockt und mein Blick sah wahrscheinlich nicht viel besser als seiner aus.

Lisa Hayls hatte Drogen in ihrem Haus versteckt und die Polizei hatte sie gefunden. Unmöglich konnten es ihre sein. Oder? Kannte ich diese Familie etwa doch nicht so gut, wie ich zuvor dachte? Und vor allem, warum hatte die Polizei ihr Haus durchsucht? Wussten sie schon vorher von den Drogen oder hatte irgendjemand der Polizei einen Tipp gegeben?

Ein Wagen hielt direkt am Gehweg und eine Frau stieg aus. Meine Mom. Erleichterung erfasste mich, sie war nicht im Haus gewesen. Sie kam auf uns zu gelaufen und schnell nahm ich sie in den Arm, woraufhin sie mich etwas überrascht drückte. "Was ist denn hier passiert?" Meine Mutter schaute sich genauso entsetzt um, wie ich es getan hatte.

"Der eine Polizist hat gesagt, dass sie Drogen in ihrem Haus gefunden haben." Sichtlich geschockt blickte sie zu Noah, der ihr gerade etwas erzählt hatte, was wahrscheinlich auch sie in diesem Moment an Lisa zweifeln ließ.

"Das kann nicht wahr sein!" Meine Mom schüttelte ungläubig den Kopf. Doch wenn es nicht Lisas waren, von wem waren sie dann?

Wir alle standen hilfesuchend nach Antworten auf dem Gehweg, vor der Einfahrt, und warteten darauf, mehr zu erfahren. Voller Anspannung warteten wir ebenfalls darauf, dass sie Lisa Hayls aus dem Haus führten. Dies geschah dann auch. Ein Polizist hatte ihr Handschellen angelegt und führte sie aus dem Haus nach draußen, in den kühlen Sommerwind.

Ihr Blick war nach unten, auf den Boden gerichtet und sie wehrte sich nicht. Als hätte sie gemerkt, dass sie beobachtet wurde, blickte sie nach oben und direkt zu uns. Ihr Blick war leer. Sie sah einfach nur furchtbar aus, dunkle Augenringe und zerzaustes Haar, ließen sie müde und kraftlos wirken. Und die Frage, die ich mir sofort stellte, war, ob sie vielleicht genau in diesem Moment unter Drogen stand.

Meine Mom hielt ihrem Blick stand, doch ich blickte nach einem kurzen Moment weg. Diese Leere, sie war unerträglich für mich. Niemand von uns wusste, ob es ihre Drogen waren, die ihres Mannes, der schon seit mehreren Tagen spurlos verschwunden war und sich auch nicht gemeldet hatte, oder ob sie von irgendjemandem im Haus versteckt wurden, ohne dass sie es gewusst hatte.

So viele Fragen und auf keine eine Antwort. Sie wurde in den Polizeiwagen gesetzt und zwei der Polizisten stiegen vorne ein. Der Motor sprang an und das Auto fuhr los. Uns war klar, dass wir heute Nacht keine Antworten mehr auf unsere Fragen bekommen würden, aber vielleicht morgen, übermorgen oder vielleicht doch niemals.

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