Kapitel 14

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Ich empfand weder Wut noch Trauer. Ich wollte ihn einfach nicht mehr sehen.

"Was suchst du hier?" Ich war mir ziemlich sicher, dass meine Stadt nicht auf seiner Arbeitsstrecke lag.

"Ich habe hier einen Kunden und ich wollte dich davor besuchen kommen." Ich nickte nur und verschränkte die Arme vor der Brust. "Na dann, viel Glück mit deinem Kunden."

"Avery, komm schon." Komm schon Avery, wie oft musste ich mir das schon anhören.

"Es ist schon so lange her, sei nicht so." Er verstand es nicht. Er verstand nicht, dass ich verletzt war. "Wie bin ich denn?" Erwartungsvoll blickte ich ihm tief in die Augen.

"Hat dir das deine Mutter eingeredet? Dass du nicht mehr mit mir reden sollst?" Jetzt war das Fass übergelaufen.

"Hör auf immer Mom für alles die Schuld zu geben! Du bist gegangen! Sie war für mich da, als du einfach abgehauen bist!" Ich verspürte so eine Wut in mir, ich hätte die nächste Wand einschlagen können.

"Glaubst du für mich war es leicht euch einfach so zu verlassen?" Auch seine Stimme wurde etwas lauter. "Anscheinend schon." Er war still. Ich war still.

"Tschüss, Vater." Das Gespräch war zu ende, jedenfalls für mich. Ich kehrte ihm den Rücken zu und lief davon. Ich beachtete seine Rufe nach mir nicht und lief stur geradeaus.

Ohne dass ich es bemerkte, lief eine Träne meine Wange hinunter. Ich wollte nicht weinen, nicht wegen ihm. Doch es machte mich so unendlich wütend und auch wenn ich es nicht gerne zugab, mindestens genau so traurig, dass er einfach nichts von dem verstand, was ich ihm versuchte zu erklären. Dass er immer wieder meine Mom beleidigte und schlechtmachte, obwohl er gegangen war. Eher sie sollte sich jeden Tag über ihn beschweren, wütend auf ihn sein, doch sie tat es nicht.

Denn meine Mutter war ein viel zu herzlicher und schlauer Mensch, um sich andauernd über das aufzuregen, was in der Vergangenheit lag, vielleicht aber schmerzte auch ihr der Gedanke daran, wie er uns verlassen hatte.

Ich schniefte kurz auf und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

"Na kleines Mädchen, so sieht man sich wieder und dass schon das zweite Mal an diesem Tag. Rekord."

Er grinste mich schief an, doch mir war ganz und gar nicht nach Lachen zu Mute. Er blickte mir ins Gesicht und zum ersten Mal, seitdem ich ihn traf, wurde sein Gesichtsausdruck weich.

"Hast du geweint?" Hastig schüttelte ich meinen Kopf, was wahrscheinlich verriet, das ich log.

"Wegen dem Mann? Wer war er?"

Es ging ihn eigentlich nichts an und mit ihm zu reden, hielt ich immer noch für keine gute Entscheidung. Aber ich wollte jetzt auch nicht einfach davonrennen, denn auch wenn ich nicht verstand warum, wollte ich nicht, dass er dachte, dass ich Angst oder Vorurteile gegen ihn hatte. Denn das hatte ich nicht.

"Mein Vater." Gab ich knapp von mir, während mir erneut eine Träne die Wange runterlief.

"Hat er dir weh getan?" Seine Stimme hatte wieder den bedrohlichen Unterton, welcher aber ausnahmsweise nicht mir galt.

"Nein. Alles gut. Ich muss nach Hause." Am liebsten hätte ich mir alles von der Seele geredet und dieses Gefühl war ziemlich neu für mich, denn normalerweise war ich kein Mensch der Gesellschaft brauchte, wenn es einem schlecht ging.

Er nickte nur.

"Wir sehen uns bestimmt wieder, Avery." Wie immer, wenn er meinen Namen aussprach, bekam ich eine Gänsehaut.

Dieses Mal erwiderte ich nichts, sondern lief einfach nur davon. Was ich jetzt brauchte, war mein Bett und gute Musik die mich entspannte.

Tattooed Monster Where stories live. Discover now