Kapitel 29

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Ich weinte. Schon seit gefühlten Stunden, dabei war erst eine halbe Stunde vergangen, seitdem ich den Brief gelesen hatte.

So aufgelöst wie lange nicht mehr, war ich auf dem Weg zu dem alten Haus. Dort saß er wie immer, im Kapuzenpulli und in die Gegend starrend.

Es war so furchtbar. Ich hatte mich mit Lucys Entführer mehrmals getroffen, ich hatte ihn gemocht und ich hatte ihn geküsst. Es war so unfassbar schlimm. Er hatte es die ganze Zeit gewusst, während ich ihm über Lucy und ihrer Mutter erzählt hatte. Auch als ich ihm erzählt hatte, wie sehr auch ich unter ihrem Verschwinden litt. Er hatte nichts gesagt, nichts getan.

Ich hatte Lucy, ihre Mutter und sogar ihren Vater hintergangen, der nicht besser als mein eigener war. Ich wollte schreien, ihn einfach nur noch anschreien. Meine Wut und Trauer waren nicht in Worte zu fassen. Mein ganzer Körper zitterte.

Er erblickte mich, er lächelte. Ich war zu weit weg, er sah nicht wie aufgelöst ich war. Er hatte keine Ahnung was jetzt auf ihn zukommen würde, aber ich auch nicht. Ich wusste nicht, wie weit ich mich im Griff hatte oder ob ich ihn anspringen und von Dach schubsen würde, wenn er nicht so verdammt groß und stark wäre.

Vielleicht würde er mir etwas antun, wenn ich ihm sagen würde, dass ich sein Geheimnis kannte, dass ich ihn verraten könnte. Doch dies hielt mich nicht davon ab.

Mit einer solchen Kraft stampfte ich die Treppen hinauf. Elijah stand auf, kam auf mich zu, doch sobald er meine geschwollenen Augen und meine nassen Wangen sah, blieb er stehen und hielt inne. Doch ich ging ohne zu zögern weiter auf ihn zu.

"Avery, was ist passiert?"

Er wusste nicht warum ich hier war. Natürlich nicht.

Ohne ein Wort zu sagen, drückte ich ihm den Brief in die Hand, mit einer solchen Wucht, dass ich ihn beinahe von seinem Platz geschubst hätte.

Er sah sich den Brief an und blickte mich erneut an. In seinem Blick, war etwas nicht Identifizierbares. Ich wusste nicht mehr, wer dort vor mir stand. Der Entführer der kleinen Kinder oder doch der junge Mann, den ich in den letzten Tagen so sehr in mein Herz geschlossen hatte.

"Avery, ich weiß wie das jetzt aussieht." Er wollte auf mich zu gehen, doch ich schubste ihn mit nur einer Hand von mir. In mir brodelte es und das Feuer war kurz davor an die Oberfläche zu gelangen.

"Ach wirklich, weißt du das? Weißt du wie es ist, wenn der Junge den man für gut gehalten, der Junge dem man vertraut hat, einen so hintergeht, einem etwas vorspielt, mit einem spielt!"

"Nein, Avery warte."

"Hör mir zu!" Ich schrie und erneut weinte ich. Wie naiv ich doch gewesen war.

"Ich habe mit dir Pizza gegessen, ich habe mich mit dir getroffen. Oh Gott! Ich habe dich geküsst und das obwohl du Lucy und all die anderen Kinder entführt hast. Ich habe Lucy hintergangen, weil ich dir vertraut habe."

Meine Stimme drohte zu brechen und die Hälfte meiner Worte gingen in Schluchzern unter.

Sein Blick war voller Schmerz.

"Du hast mich belogen!"

"Nein, Avery, ich mag dich, ich mag dich sogar mehr als ein Typ wie ich, so ein Mädchen wie du mögen sollte. Du bist süß und warst die Einzige seit langem, die mich nicht dem Verbrechen beschuldigt hat."

Ich lachte schmerzvoll auf. "Was wohl ein Fehler war."

"Findest du der Kuss war ein Fehler?" Er wollte mir näherkommen und dieses Mal schaffte er es. Doch ich hatte darauf keine Antwort, ich wurde von meiner Wut gesteuert.

"Findest du das Alles hier war ein Fehler?" Er kam noch einen Schritt näher. Er berührte meine Wange, doch ich schlug seine Hand weg. Es tat so weh, wenn er dies tat, denn ich wusste nicht ob ich dem standhalten konnte.

"Sag es mir, hast du die Kinder und Lucy entführt?"

Er entfernte sich von mir, er drehte sich um und legte die Arme hinter seinen Kopf.

Als er sich wieder umdrehte, konnte ich die Antwort in seinen Augen lesen.

Mir liefen die Tränen in Strömen über die Wange, denn ich hatte Angst vor seiner Antwort, welche ich eigentlich schon kannte.

"Hast du?" Ich schrie ihn an, ließ ihn wissen wie sehr ich diesen Moment hasste.

"Ja, verdammt ja! Ich habe die Kinder und Lucy entführt und ich bereue es nicht." Er schrie mich an und ich war so furchtbar enttäuscht, nicht nur von ihm, sondern auch von mir selbst.

Ich war so entsetzt, ich legte meine Hände auf mein Gesicht und weinte bitterlich. Er hatte es getan, mein schlimmster Alptraum hatte sich bestätigt und ich stand hier vor ihm und weinte.

"Avery, ich habe es getan."

Seine Stimme war sanfter und als er meine Schulter berührte, ging ich einen weiteren Schritt zurück.

Er bereute es nicht. Er bereute es nicht, den Kindern ihre Leben genommen zu haben und den Eltern ihre.

"Du bist ein Monster!"

Dann drehte ich mich um und rannte, ich rannte davon und zwar so schnell wie ich konnte, mit keinem blassen Schimmer, was ich jetzt tun sollte.

Tattooed Monster Where stories live. Discover now