Kapitel 47

7K 343 48
                                    

"Avery."

Seine Stimme hallte durch das Haus. Ich winkte Elijah fort, damit er verstand, dass er sich verstecken sollte. Dieser rührte sich aber keineswegs, sondern blieb direkt hinter mir stehen.

"Ich weiß, dass du hier bist, wem gehört das Auto dort draußen?" Ich hörte seine Schritte, die die Räume erkundeten. Er hatte das Haus noch nie komplett gesehen. Er sollte verschwinden und mich endlich in Ruhe lassen.
Seine Schritte wurden schneller und lauter. Er war auf dem Weg zu der Treppe, welche nach oben und somit auch zu meinem Zimmer führte.

"Schnell versteck dich." Elijah wollte anfangen zu diskutieren,  doch es war bereits zu spät. Mein Vater stand im Raum und blickte uns beide an. Er schnaubte verdächtig auf und blieb stehen.

"Ich habe dich gesucht."
Hatte er Elijah wohl doch nicht erkannt? Doch meine Hoffnung erlosch in der nächsten Sekunde wieder, als er Elijah eindringlich musterte.

"Ich fasse es nicht, meine Tochter läuft mit einem Schwerverbrecher herum." Er lachte spöttisch auf. Er machte sich lustig und war gleichzeitig entsetzt darüber.
Ich packte all meinen Mut zusammen und lief auf ihn zu. Elijah jedoch, hielt mich zurück und zog mich wieder zu sich.

"Er ist kein Verbrecher. Er ist ein guter Mensch, nicht so wie du.", zischte ich.
"Pass auf wie du mit mir redest, Avery." Seine Stimme war bedrohlich scharf, doch ich hatte keine Angst vor ihm, nicht mehr.
"Ich bin immerhin Vater." Ich lachte auf.
"Mein Vater? Ich habe keinen Vater." Ihm schien diese Aussage nicht zu gefallen. Sein Kiefer spannte sich an und seine Hände ballten sich zu Fäusten.

"Du kommst jetzt mit mir mit!" Er lief einen Schritt auf uns zu und Elijah schob mich immer weiter hinter sich.
"Verschwinden Sie! Avery möchte nicht mit Ihnen mitkommen."
Elijahs Stimme war ruhig und beherrscht. Er wollte keinen unnötigen Kampf hinauszögern.

"Sei ruhig, du Kindesentführer! Halte dich von meiner Tochter fern oder du sitzt schneller im Gefängnis, als du denkst!" Dieser Satz machte Elijah wütend. Seine Statur veränderte sich innerhalb von Sekunden und er richtete sich in seiner vollen Größe auf, so dass er ein paar Zentimeter größer als mein Vater wirkte.
Die beiden lieferten sich ein Blickduell. 

Ich wollte nicht, dass diese Situation ausartete, weshalb ich mich zwischen die beiden quetschte, auch wenn es nicht gerade die bequemste Position war.
Beide gingen einen Schritt zurück und ich bekam endlich wieder etwas mehr Luft.

"Du gehst jetzt lieber, Phil." Er zeigte mit dem Zeigefinger abwechselnd auf mich und Elijah.
"Ich habe dich gewarnt. Deine Mutter ist nicht mehr da, du hast nur noch mich."
"Nein, ich habe meine Freunde und ich habe Elijah. Ich brauche dich nicht."
Noch in der selben Minute verließ er stampfend das Haus und ich wusste, dies würde ein Nachspiel haben. "Avery-" ich schlug ihm gegen die Schulter.
"Mir geht es gut, Elijah." Er sagte nichts mehr und gemeinsam packten wir die restlichen Sachen zusammen und verließen das Haus, welches ich nie wieder betreten würde.

Es wurde spät und ich hatte die Zeit damit verbracht, dass Brian mir erklärte, was er dort genau am Computer tat. Ich musste zugeben, auch ich war kein technisches Genie, aber so schwer wie gedacht, hörte es sich nicht an.
Elijah hatte das Gebäude schon vor einer Stunde verlassen und mir gesagt, dass ich in zwei Stunden beim Treffpunkt sein sollte. Ich war aufgeregt und fragte mich, was er wohl vor hatte.

Lola bat mir an, mir bei der Auswahl meiner Kleidung zu helfen. Sie war wesentliche schlichter gekleidet, als Harper es war, aber ich musste zugeben, ich vermisste sie und Noah. Dennoch fühlte ich mich noch nicht bereit, ihnen vor die Augen zu treten.
Lola steckte mich in ein himmelblaues Sommerkleid, welches kurz vor meinen Knien endete. Es hatte einen schönen Schnitt und war nicht zu auffällig. Ihr Geschmack gefiel mir.

Als sie jedoch mit schwarzen, hohen Schuhen, vor mir stand, schüttelte ich den Kopf.
"Komm schon, Avery. Sei keine Spielverderberin." Sie zog einen Schmollmund.
"Ich kann auf diesen Dingern nicht laufen."
Der Absatz war nicht besonders hoch, dennoch zu viel für mich. "Bitte." Ihre Augen glänzten und als Lucy ihrem Geschmack zustimmte, gab ich mich geschlagen.

Ich lief die Straßen entlang, auch wenn ich mit den Schuhen viel langsamer als üblich war. Die Graffiti-Wand war leer. Ich hatte Cole eine ganze Weile nicht mehr gesehen, was mir aber auch recht war.

Ich lief die Treppen des alten Hauses hinauf und als ich sah, was Elijah hergerichtet hatte, kamen mir Tränen in die Augen. Es war beinahe, eine exakte Kopie unseres ersten Dates. Eine Picknickdecke war ausgebreitet und die Pizzaschachtel lagen in der Mitte. Er hatte Kerzen angezündet und sie in einem Kreis um die Decke verteilt.
Ich hatte Elijah noch nie so schick angezogen gesehen, aber es stand ihm unheimlich gut.
Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose. Er sah einfach zu gut aus. Langsam kam er auf mich zu und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.

"Und gefällt es dir?" Kurz sah ich Unsicherheit in seiner Augen aufflackern, doch sobald ich lächelte, war dieser Ausdruck verschwunden.

Dieser Abend wurde noch schöner als das letzte Date und in diesen Stunden, konnte ich an etwas anderes denken, als an den Tod meiner Mutter. Er hatte es geschafft.
Er krempelte sein Ärmel hoch und trank einen Schluck aus seinem Glas. Schweigend blickte ich ihn an und mir wurde bewusst, welches Glück ich hatte.

Er streckte mir seine Hand entgegen und half mir auf. Er kam einen Schritt auf mich zu und zog etwas aus seiner Hosentasche.
"Jetzt kommt eine Frage, die schon lange überfällig war." Ich hielt den Atem an, auch wenn ich ahnte, was kam.
"Möchtest du meine Freundin werden?"
Hastig nickte ich. Ja, mehr als alles andere. "Ja." Er packte mich und wirbelte mich einmal herum. Ich lachte auf und küsste ihn leidenschaftlich. Er öffnete die Schachtel und zog eine wunderschöne Kette, mit meinem Namen, daraus.
"Sie ist wunderschön."
Er legte sie mir vorsichtig an. "Du kannst sie überall tragen."

"Jetzt gibt es nur noch ein Problem. Dein Vater." Traurig nickte ich. Es war ein großes Problem.
"Ich denke es ist Zeit auch dich zu entführen."

Tattooed Monster Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt