Kapitel 23

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"Einverstanden."

Seine Stimme war so leise, dass ich dachte, ich hätte sie mir nur eingebildet.

"Neue Erkenntnisse über deine entführte Freundin?"

Etwas überrascht, dass er sich dafür interessierte, schüttelte ich den Kopf.

"Ich glaube ich verzweifele langsam. Wenn es neue Hoffnung gibt, ist sie so schnell verschwunden, wie sie gekommen war."

Ich stützte meine Hände an meinem Kopf ab, als mich starke Kopfschmerzen überkamen.

"Und dann bekomme ich immer diese schrecklichen Kopfschmerzen."

Er kam auf mich zu und hielt mich an meiner Schulter fest. Sanft, nicht so grob wie ein paar Minuten zuvor.

"Geht es wieder?"

Ich blickte ihn nicht an. Ich nickte nur und entfernte mich ein Stück weit von ihm. Ich kannte ihn nicht und er kannte mich nicht, wenn er nicht noch mehr über mich nachgeforscht hatte.

"Ich kenne dich nicht und du mich nicht."

Er nickte. "Da hast du recht." Er überlegte kurz. "Ich mache dir einen Vorschlag, wie wäre es wir treffen uns heute Abend auf dem Dach, bestellen Pizza und lernen uns besser kennen, kleine Avery."

Ich kämpfte mit mir, einerseits war das Angebot sehr verlockend, andererseits aber auch sehr Riskant.

"Ich weiß nicht"

Ein klingeln rettete mich vor meiner Antwort.

"Schnell, geh in die Küche."

Er setzte sich in Bewegung und versteckte sich hinter der dünnen Wand, welche das Wohnzimmer und die Küche trennte.

Ich öffnete die Tür und hoffte mir nichts anmerken zu lassen. Doch als ich die Tür öffnete stand dort nicht meine Mom, sondern Lisa und sie sah nicht besonders gut aus.

"Avery, es ist alles meine Schuld."

Sie war wackelig auf den Beinen und urplötzlich wurde mir klar, dass sie etwas von den Drogen genommen haben musste, die ich bei ihr in der Schublade gefunden hatte.

Also waren es wohl doch ihre gewesen.

Plötzlich lachte sie auf und trat schwankend in das Wohnzimmer. Dann weinte sie erneut und ich half ihr, sich auf einen der Stühle zu setzen. Natürlich wählte ich einen Stuhl sodass sie der Wand zur Küche den Rücken zu drehte.

"Lisa hast du Drogen genommen?" Ich musste sie wissen, die ganze Wahrheit.

Sie nickte nur und weinte weiter. Sie hatte sogar ziemlich viel davon genommen, sie sah einfach nur schrecklich aus und ich wusste nicht, was ich in solch einer Situation tun sollte.

"Es ist alles meine Schuld. Er hat mich verlassen, sie haben mir Lucy weggenommen."

Ich strich ihr über den Rücken.

"Nein, das ist nicht deine Schuld." Versicherte ich ihr, doch es schien nicht wirklich zu helfen.

"Du verstehst das nicht, es ist alles meine Schuld."

Sie machte mich neugierig, aber bevor ich sie weiter fragen konnte, klingelte es erneut an der Tür.

Was war denn heute los, war es etwa der Postbote.

Ich lief zur Haustür und öffnete sie. Ich traute meinen Augen kaum.

"Vater. Was suchst du hier?"

Meine Stimme war in keinster Weise freundlich. Er hatte kein Recht, nach all den Jahren einfach hier aufzutauchen. Er hatte sich sein Zuhause ausgesucht und ich mir meins.

Ich wollte ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, doch er trat einfach ein und folgte mir als ich zu Lisa lief.

"Verschwinde Vater, bevor Mom nachhause kommt."

Als Lisa meinen Vater erblickte, stand sie schnell auf und rieb sich die Hände an den Beinen ab.

"Lisa bleib hier, er geht gleich wieder."

Doch sie lief eilig auf die Haustür zu und verschwand nach draußen. Schon wieder, hatte er alles zerstört.

"War das eine Freundin deiner Mutter? Sie hatte ja schon immer komische Freunde aber die -"

"Hör auf immer schlecht über sie zu reden."

Ich war so furchtbar sauer auf ihn, so sauer, dass ich meine Nägel in meine Handfläche bohrte, um ihm nicht die schlimmsten Schimpfwörter an den Kopf zu werfen.

"Rede nicht so mit mir, junge Dame. Ich bin immer noch dein Vater!"

Auch seine Stimme wurde lauter.

"Wirklich? Der Vater der mich und Mom wegen einer neuen Frau alleine gelassen und mich nie besucht hat. Seit dem Moment, in dem du in das Auto gestiegen und weggefahren bist, habe ich keinen Vater mehr."

Meine Stimme hörte sich an, als würde sie jede Sekunde zusammenbrechen und eine Träne fand den Weg zum Boden. Als er mich mitten auf der Straße angesprochen hatte, war ich nicht ausgerastet, hatte mir eingeredet es würde keinen Sinn machen zu schreien, aber jetzt fühlte es sich so an, als hätte ich keine Kontrolle mehr über mich, darüber was ich sagte und wie ich mich verhielt.

Mein Vater blieb still, denn auf diese Worte hatte er keine Antwort.

"Jetzt geh, bevor Mom nachhause kommt und komm nie wieder hier her." Ich kontrollierte meine Stimme so gut es ging und wies ihn mit meinem Finger auf den Ausgang hin. Ohne noch etwas zu sagen, verließ er das Haus mit gesenkten Kopf, aber ich hatte kein Mitleid mit ihm, schon lange nicht mehr.

Sobald sich die Tür schloss, fiel mir ein, dass Elijah immer noch hinter der Tür stehen und alles mit angehört haben musste. Wie peinlich.

Mit schnellen Schritten lief ich auf die Küche zu, doch diese war überaschenderweise leer. Elijah war nicht mehr da und die Tür, die auf die Veranda führte, war geöffnet. Er war gegangen. Vielleicht hatte er doch zu große Angst davor gehabt entdeckt zu werden oder er wollte doch meine Familiengespräche nicht belauschen. Beides nachvollziehbar, aber trotzdem war ich irgendwie traurig, dass er gegangen war. Ich mochte ihn mehr als ich sollte.

Mein Blick fiel auf einen kleinen Zettel. Ich riss ihn von der Küchenplatte und las was darauf stand.

Ich freue mich auf dich heute Abend und vergiss nicht, ich bestelle Pizza.

Anscheinend hatte ich ihn mit der drogenabhängigen Freundin und dem äußerst komplizierten Vater, doch nicht abgeschreckt. Erleichterung machte sich in mir breit und ich wusste, dass ich auf die Einladung eingehen würde.

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