Kapitel 48

6.9K 302 3
                                    

So viel hatte sich verändert und ganz plötzlich, war ich in eine neue Familie  aufgenommen worden. Wir hatten es durchgezogen. Elijah hatte eine Entführung inszeniert. Es war aufregend und beängstigend zugleich. Schon seit zwei Tagen hatte ich das Gebäude nicht mehr verlassen. Mein Smartphone hatte ich entsorgt und damit auch alles andere, womit ich erreicht werden konnte.

Es war keine leichte Entscheidung gewesen. Mir war klar, dass ich meine Freunde aufgeben musste. Ich wusste nicht, zu welchem Zeitpunkt ich Harper und Noah wiedersehen konnte. Es tat weh und ich fühlte mich furchtbar schlecht. Innerlich hoffte ich jedoch, dass Harper sich getraut hatte, Noah ihre Gefühle zu gestehen und sich nicht länger davor zu verschließen.

Sie wären ein süßes Paar und konnten sich vielleicht auch gegenseitig helfen, zu akzeptieren, dass ich fort war und nicht wusste, für wie lange.

Ich strich über die Bettdecke und atmete tief durch. Ich verdrängte die Angst, dass mein Vater mich jederzeit finden und mit sich nehmen könnte.

"Willkommen in der Familie." Mason stand in der Tür und schaute mich an. Er knackte mit seinen Fingern und kam auf mich zu.

"Danke."

Ich wusste nicht, ob die Willkommensheißung wirklich ernst gemeint war, aber ich ging davon aus. Die letzten Tage war nichts zwischen uns beiden vorgefallen und ich hatte die letzten Tage schon oft genug nur an das Schlechte gedacht.

"Du gehörst jetzt also wirklich zu uns." Er setzte sich neben mich und streifte somit meinen Arm. Ich wich ein Stückchen weiter an die Bettkante. Ich mochte Mason nicht wirklich, denn er war von Anfang an abweisend zu mir gewesen.

"Ich hoffe dir ist klar, welches Risiko Elijah damit eingeht, dich hier zu verstecken." Seine Stimme war vorwurfsvoll und plötzlich wurde mir klar, dass er nicht einverstanden damit war, dass ich bei ihnen lebte.

Natürlich war mir klar, welches Risiko Elijah wegen mir einging. Aber es war nicht alleine meine Entscheidung gewesen. Und ich wusste auch, dass Elijah sich der Risiken bewusste war. Als er mir erzählt hatte, was er mit der Entführung meinte, hatte ich verneint. Doch er hatte darauf bestanden.

Er wusste, dass ich auf keinen Fall zu meinem Vater wollte. Nicht nachdem, was er alles getan hatte.

"Ich weiß es, Elijah weiß es auch und ich bin ihm sehr dankbar dafür."

Mason erhob sich. "Dankbarkeit reicht nicht immer aus."

Er war sauer. Ich konnte es in seinen Augen sehen, wie er innerlich brodelte, dennoch war ich mir nicht sicher, ob ich der einzige Grund dafür war.

Er verließ den Raum und ließ mich alleine zurück.

"Avery, kommst du?"

Olivia kam auf das Bett zu gerannt und stemmte sich mit großer Mühe darauf.

"Wir wollen ein Spiel spielen. Elijah hat keine Zeit und hat gesagt, ich soll dich fragen. Kommst du?"

Wie konnte man bei solch einem Blick jemals Nein sagen?

"Ich komme gleich." Ich kniff ihr in die Wange und sie verließ lachend das Zimmer.

Auch ich erhob mich, strich noch einmal mein Kleid glatt und lief die Treppe hinunter. Es war nicht üblich für mich, dass ich ein Kleid trug, doch irgendwie, hatte ich Lust auf etwas Anderes bekommen.

Alle Kinder bis auf Keaden, saßen schon in einen Kreis zusammen. Ich nahm diesmal neben Luis Platz, welcher schon mit den Karten spielte, welche eigentlich in das Spiel gehörten.

Keaden kam in das Zimmer gelaufen, seine Hände gefüllte mit einer Dose voller Kekse.

"Lola hat sie für uns gebacken." Jeder griff einmal in die Box hinein. Auch ich hatte in den letzten Tagen wieder angefangen mehr zu essen. Es war ein gutes Gefühl, denn ich fühlte mich endlich wieder anwesend und nicht wie in einer Blase, die drohte zu zerplatzen, sobald sie jemand berührte.

Nach mehreren Stunden gemeinsam mit den Kindern, beschloss ich zu Lola zu gehen. Ich hatte mich noch nicht bei ihr persönlich bedankt, dass sie so viel für mich gekocht und getan hatte, als er mir schlecht ging.

Sie war dabei die Herdplatte zu putzen und summte dabei einen Hit aus dem Radio, den ich kannte, aber nicht benennen konnte.

"Lola?"

Sie zuckte zusammen und hielt sich an die Brust.

"Avery, hast du mich erschreckt. Ist alles okay?"

"Ja, sicher. Ich wollte mich nur bei dir bedanken. Du weißt schon, dass du so viel für mich getan hast."

Sie lächelte mir zu. Plötzlich sah sie viel jünger aus, als sie eigentlich war. Elijah hatte mir erzählt, dass sie schon fünfundzwanzig und somit die älteste von ihnen war. Sie hatte vorher in einem Kindergarten gearbeitet und eine Weile in einer Küche ausgeholfen.

"Kein Problem. Das macht man in einer Familie so. Wenn wir schon davon sprechen. Willkommen in der Familie."

Sie schloss mich in eine starke Umarmung.

"Ich bekomme keine Luft mehr, Lola." Sie hatte einen wirklich festen Griff, der mir die Luft abschnürte. Lachend löste sie sich von mir.

"Wo ist Elijah?" Ich biss in einen Apfel, welchen mir Lola reichte.

"Er ist mit Brian beim alten Haus, sie räumen dort ein bisschen auf. Anscheinend haben dort Jugendliche gestern eine Party gefeiert. Du weißt ja, wie sehr Elijah dieser Ort am Herzen liegt."

Ja das tat ich, denn das alte Haus, lag mir mindestens genau so sehr am Herzen, wie ihm.

Tattooed Monster Where stories live. Discover now