Kapitel 43

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Ich irrte mittlerweile schon seit fünfzehn Minuten durch die Gegend, auf der Suche nach einem Bahnhof.
Ich stieg in den erst besten Bus ein, den mir mein Handy zeigte. Ich warf das Geld förmlich auf die Platte des Busfahrers und lief in die letzte Reihe. Es war ein Zweiersitz und ich hatte Glück, es war nicht viel los. Ich wusste nicht genau wohin ich fuhr, aber in diesem Moment war es mir egal. Alles war einfach egal.

Ich wischte mir über die Wangen. Meine Augen fühlte sich dick und geschwollen an. Ich hatte die ganze Zeit über geweint und hatte erst vor ein paar Minuten aufgehört. Natürlich hatte ich die seltsamen Blicke des Busfahrers bemerkt, sie aber gekonnt ignoriert. Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken. Unbekannt.
Ich nahm zögernd ab, in der Hoffnung, dass es nicht mein Vater war.

"Wo bist du Avery?" Beinahe hätte ich das Telefon fallen lassen, als ich die Stimme hörte. Verfolgte sie mich jetzt etwa auf Schritt und Tritt?
"Woher hast du meine Nummer?"
"Ich bin bei euch Zuhause durch die Hintertür und habe im Telefon deine Nummer gefunden." Lisa hatte Drogen genommen. Ich konnt es in ihrer Stimme hören und es machte mir Angst. Völlig verwirrt sprach sie die Wörter nur halb aus.

"Geh nach Hause Lisa." Ich hatte keinen Nerv mehr dafür, mich jetzt auch noch um sie zu kümmern.
"Nein. Du sagst mir jetzt sofort wo meine Tochter ist!" Sie schrie in den Hörer mit einer solchen Kraft in der Stimme, dass ich zusammenzuckte. 
"Ich weiß es nicht Lisa."
Ich hielt meine Stimme ruhig, in der Hoffnung sie würde endlich nachgeben.
"Du wirst noch sehen was du von deine Lügen hast."
Sie legte auf und ich sank tiefer in meinen Sitz. Wieso musste alles so kompliziert sein? Eine weitere Träne verließ meine Augen. Ich musste dringend schlafen, auch wenn es erst Mittag war. Genau eine Stunde war ich bei meinem Vater gewesen, bevor alles außer Plan geriet. Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte nicht kommen dürfen.

Ich tippte die Nummer ein und wählte. Ich hörte das Piepen nur zweimal und keine Sekunde später, ging Elijah ran. Ich musst einfach mit ihm sprechen.
"Hey, Prinzessin. Ich habe schon gedacht du hast mich vergessen." Ich konnte sein amüsiertes Schmunzeln vor mir sehen. Es machte alles sofort besser.
Ich schniefte kurz auf und er hielt inne.
"Weinst du etwa Avery? Was ist passiert?" Seine Stimme war aufgebracht und ich fing an zu erzählen. Alles von Anfang an.

"Er wollte nur das ich komme, damit sein Ruf nicht beschmutzt wird." Ich schniefte noch einmal. Der Schmerz saß tief, auch wenn es mich schon lange nicht mehr kümmern sollte, was mit meinem Vater war.
"Es tut mir leid, Ave. Ich hätte dich nicht alleine dort hingehen lassen sollen." Er klang schuldbewusst, aber auch die Wut schwang in seiner Stimme mit.
"Ich bringe diesen Kerl um, was fällt ihm ein." Es waren Worte, die er eher zu sich, als zu mir sprach, aber ich sie dennoch hören konnte.

"Du kannst nichts dafür, du wusstest es noch nicht einmal."
"Trotzdem. Wo bist du gerade? Ich hole dich ab. "
"Nein, das ist nicht nötig. Ich bin gerade auf dem Weg zum Bahnhof." Ich wollte nicht, dass er wegen mir fahren musste.
"Ich bestehe darauf." Ich gab endlich nach. Ich brauchte ihn. Ich musste egoistisch sein.
"Ich bin noch im Bus, ich schreibe es dir gleich."

Als ich ausstieg und mich auf die kleine Bank setzte, musste ich nur zwanzig Minuten warten, bis das schwarze Auto vor mir hielt.
"Steig ein." Er stieß die Tür auf und ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Als ich im Auto saß, drückte ich ihm als erstes einen Kuss auf die Lippen. Genau das hatte ich jetzt gebraucht.

"So sehr hast du mich also vermisst." Das übliche Grinsen legte sich auf seine Lippen. Doch diesmal störte es mich nicht.
"Sei ruhig und fahr." Er hob abwehrende die Hände in die Höhe.
"Schon gut, schon gut. Soll ich dich mit zu mir nehmen oder willst du zu dir?"
Ich wollte nach Hause und hoffte er konnte dies verstehen. Ich hoffte auch, dass Lisa bis dahin schon verschwunden war.

"Nach Hause, bitte."
"Alles was du wünscht."
Die ganze Fahrt über erzählte mir Elijah Witze und auch etwas über seinen Tag, welcher viel witziger war, als seine schlechten Witze. Trotzdem hatten sie mich zum Lachen gebracht. Es war eine gute Idee gewesen, ihn anzurufen.

Als wir in meine Vorfahrt einbogen, drückte ich ihm noch einen Kuss auf die Lippen. "Danke fürs Fahren." Ich war ihm mehr als dankbar. Ich konnte es nicht in Worte fassen. Es war schön mich auf jemanden verlassen zu können und es war noch schöner, dass dieser Mensch Elijah war.
"Du musst nur fragen und schon bin ich da." Er schloss den Abstand zwischen uns. Diesmal wurde der Kuss viel inniger als der Letzte und es gefiel mir, sehr sogar.

"Willst du mit rein kommen?"
"Ist deine Mutter nicht da?" Ich schüttelte den Kopf.
"Eigentlich nicht und auch wenn, ich vertraue ihr, sie würde alles verstehen, wenn wir es ihr erklären würden."
Elijah schien überrascht über meine Sichtweise.
"Na dann, komm."

Gemeinsam lachend liefen wir in das Haus hinein. Er hatte meinen Tag gerettet und dafür war ich ihm dankbar.
Ich ging weiter ins Wohnzimmer hinein. Das Fenster stand offen. "Mom?" Sie schien nicht Zuhause zu sein. Ich wollte weiter in die Küche laufen, als mich der Schock überkam. Zitternd ließ ich meine Tasche fallen und hielt mich an der Lehne des Sofas fest.
"Mom!"
Ein lauter Schrei, mit so viel Schmerz in sich, verließ meine Kehle, dass es die ganze Nachbarschaft erreichte. Der Boden unter mir fühlte sich an als würde er beben. Ich brach auf dem Boden zusammen. Nein, das durfte nicht wahr sein.

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