Kapitel 27

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Die letzten Tage trafen sich Elijah und ich immer häufiger, wenn auch nie an einem anderen Ort als dem Dach und auch nie zu einer anderen Tageszeit als bei Nacht. Es war ein Tag, wie auch die vergangenen Male. Ich saß neben Elijah und beobachtete wie die Sonne unterging. Die Stille umhüllte mich und auch Elijah hatte seine Augen geschlossen.
"Wollen wir ein bisschen laufen?"
Ich nickte ihm zu. "Warum nicht."

Er zog seine Kappe hervor und setzte sie sich auf den Kopf, um nicht erkannt zu werden. Immer wieder musste ich daran denken, wie furchtbar es sein musste, sich jeden Tag zu verstecken und Angst haben zu müssen, entdeckt zu werden.

Als wir die Straßen entlangliefen, schwiegen wir, wie so oft.
"Ich habe Cole vor ein paar Tagen getroffen." Und damit brach ich das Schweigen.
Elijah blieb stehen und schaute mich an.
"Hat er irgendetwas getan?" Sein Blick   wurde drängender und seine Stimme rau, doch ich schüttelte schnell den Kopf.

"Nein. Er wollte mich nur gegen dich aufhetzen."
"Typisch Cole." Er lachte gequält auf. "Und, glaubst du ihm was er sagt?"
"Ich glaube gar nichts mehr."
Wir liefen weiter, doch kurz bevor wir in meine Straße abbogen, griff er nach meinem Arm und zog mich zurück.

"Komm, ich will dir etwas Besonderes zeigen." Ohne mir die Möglichkeit zulassen zu antworten, folgte ich ihm.
Wir liefen bis an den Strand, liefen weiter an eine eher abgelegene Stelle. Normalerweise hätte ich Angst gehabt, er wollte mich abstechen oder sonstiges, aber dieses Mal nicht, ich vertraute ihm und mir war egal wie naiv Cole dies fand.

Wir kletterten hinauf, auf eine baumhausähnliche Holzplatte mit einer Leiter, nur ohne Dach. Und er hatte nicht gelogen, die Aussicht von hier war viel schöner als von unten. Der Mond war über uns und erst jetzt bemerkte ich, dass wir heute Vollmond hatten.

Er spiegelte sich in dem klaren, mit leichten Wellen bewegten Wasser, wieder. Wir setzten uns und lauschten nur dem sanften Wind. Wie so oft schlossen wir die Augen und ich fand, es fühlte sich noch besser an als auf dem Dach des alten Hauses.

Ich drehte mich in Elijahs Richtung und merkte erst jetzt, dass er seine Augen gar nicht geschlossen, sondern mich die ganze Zeit über angestarrt hatte. Sofort wurde ich rot.

Er rückte näher an mich und ich war mir sicher er wollte mich küssen und ich musste sagen, dieser Gedanke war sehr verlockend.

Sein Gesicht kam meinem immer näher und als uns nur noch ein paar Zentimeter trennten, schloss ich die Augen. Kurze Zeit später spürte ich seine weichen Lippen auf meinen. Der Kuss ging nur ein paar Sekunden, aber er war trotzdem besonders und wunderschön gewesen.

Es war nicht mein erster Kuss gewesen, aber er war mit Abstand der Schönste. Als er sich von mir löste, öffnete ich meine Augen und blickte direkt in seine. Sie glitzerten leicht und es schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen.

Es war schade, dass dieser Kuss nicht länger angedauert hatte, nur einen Moment länger, aber immerhin wollte er nichts überstürzen und ich auch nicht. Ich war mir nicht sicher was ich fühlte. Ich mochte ihn, keine Frage, aber war ich bereit für eine Beziehung mit ihm? Immerhin müssten wir uns immer verstecken.

Doch darüber konnte ich auch noch später nachdenken und er hatte mich noch nicht einmal gefragt. Ich fühlte mich beinahe naiv, weil ich dachte, er würde mich fragen.

Ich hatte das Gefühl, als strahlte ich förmlich. Er fuhr mit seinem Daumen noch einmal meine Wange entlang und es ging eine wohlige Wärme davon aus.

Er zog seine Hand zurück, hielt sie mir hin und half mir auf.
Wir liefen die Treppe herunter und gingen zum Wasser. Als er wegschaute nahm ich eine große Ladung davon und warf es ihm ins Gesicht.

Erschrocken wich er zurück und als er mich sah, veränderte sich sein Ausdruck, als hatte er vor sich zu rächen. Und damit lag ich definitiv nicht falsch.

Ohne große Mühe, nahm mich der Riese vor mir hoch, warf mich über seine Schulter und anschließend in das eiskalte Wasser. Ich tauchte auf und blickte ihn entsetzt an, das würde Rache geben. Aber nicht heute. Ich hatte ihn nur nass gespritzt und er mich dafür gleich ins Wasser geworfen, das war nicht fair.

Er kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und half mir aus dem Wasser.

"Das bekommst du zurück."

"Sicher doch, Süße." Er zwinkerte mir zu, während ich meine T-Shirt ausgewrungen hatte.

"Überlege es dir nächstes Mal lieber zweimal ob du mich nass spritzt.", flüsterte er mir ins Ohr, während ich vor Kälte zitterte.

"Hier, nimm den." Er zog sich seinen Pullover über den Kopf, reichte ihn mir nicht wirklich, sondern zog ihn anschließend mir über. Mir wurde warm und sein herber Duft umhüllte mich.

Er brachte mich noch bis vor die Tür, küsste meine Wange und verschwand wie jedes Mal in der Dunkelheit.

Grinsend, wegen dem Kuss, betrat ich das Haus, lief die Treppe hinauf, warf mich in mein Bett und träumte diese Nacht zum ersten Mal seit lange Zeit wieder etwas Schönes.

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