Kapitel 2

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,,Und, wie ist es dir ergangen?", fragte meine Mutter und versuchte in ein Gespräch zukommen.
,,Super, wann darf ich auf's nächste Internat? Das war bestimmt der einzige Grund, warum ihr mich früher rausgeholt habt.", sagte ich voller Euphorie und Begeisterung.
,,Leighton!", rief mein Vater aus. Unschuldig zuckte ich mit den Schultern.

Ist nur die Wahrheit.

,,Bei allem Respekt, es war dort so viel besser als hier.", sagte ich und schon mir ein Stück der Waffel in den Mund.
,,Ach du lieber Gott...", murmelte meine Mutter und trotzdem hatte ich die Befürchtung, dass die Fenster gleich aus dem Rahmen fallen werden.
,,Wir hätten sie niemals so früh ihren Abschluss machen sollen.", sagte meine Mutter zu meinen Vater als ob es der größte Skandal der Welt wäre mit fast 18 Jahren seinen verdammten Abschluss zu machen.
Ich sah es schon vor meinem inneren Auge in den Zeitungen stehen:

Riesen Skandal im Hause Norris: schon mit 18 ihren Abschluss in der Tasche?!

Wir saßen im Wohnzimmer. Ich hatte mir eine weitere Waffel besorgt, da es hier nur Essen gab, das man nicht mal mit einer Lupe sehen konnte. Also dieses High Society Essen der reichen Leute.
Meine Eltern schüttelten bei jeder meiner Aussagen den Kopf.

Es polterte auf der Treppe.
Mein Bruder sprang wie immer die letzten drei Stufen runter und stand nun unschlüssig im Wohnzimmer.

,,Na sieh mal einer an, mein Herr von Bruder hat es auch mal runter geschafft", meinte ich und verdrehte meine Augen.
,,Hallo, Leighton, meine liebe Schwester. Solltest du nicht erst morgen kommen?"
Ich richtete meinen Blick auf meinen Bruder.
Wir hatten relativ kleine Ähnlichkeiten vom Aussehen her. Zwar hatten wir die gleiche Haarfarbe und eine kleine Körpergröße, aber vom Charakter waren wir ziemlich gleich.

,,Soweit ich weiß steht mein Anreisedatum sogar am Kühlschrank, mein geehrter Bruder."

Ach ja, wundervolle Geschwisterliebe...

,,Setz dich, Lando.", befahl mein Vater streng.
Lando ließ sich neben mich sinken und sah meine Eltern abwartend an.
Ich spielte mit dem kleinem Anhänger an Tyler's Kette.
,,Nunja, wie du weißt, Lando, wird deine Schwester nächsten Monat volljährig und zur Feier ihres Geburtstages machen wir ihr ein Geschenk."

Okay, zwei Sachen:
Erstens, es ist gerade mal Ende Januar.
Zweitens, schön, dass ich nicht direkt angesprochen werde. Ja, hi, ich lebe und würde gerne aktiv am Gespräch dabei sein, danke.

,,Und wir haben uns überlegt, dass du deine Schwester einfach mit in die nächste Rennsaison nimmst! Ist das nicht toll?", fragte meine Mutter motiviert und mein Blick wanderte wieder unbewusst zu den Fenstern.

NEIN. Ohne mich. Sucht euch einen Doppelgänger und schickt den mit aber nicht mich. Punkt, aus, Ende.

,,Was? Warum?", fragten Lando und ich gleichzeitig. Lando fügte noch hinzu, dass sein Teamchef es ihn nicht erlauben würde.
,,Ihr habt euch schon lange nicht mehr gesehen. Verbringe mehr Zeit mit deinem Bruder bevor er eine richtige Karriere bekommt.", sagte Mum.
,,Ich dulde keine Widerrede. Es ist schon alles mit Andreas abgeregelt, absagen ist zu spät."

Wer ist Andreas?
Und schön, dass ich mal nach meiner Meinung gefragt werde. Ein echt tolles Gefühl.

,,Ihr hättet mich wenigstens fragen können!", rief Lando.
Ähm, hallo? Mich hätte man auch fragen können?

Mein Vater zog sein Handy aus seiner Jacketttasche (natürlich das neueste Model), und öffnete ein Video.
In dem Video war Lando zu sehen. Er wurde gefragt, ob ich mit auf die Rennsaison darf. Abwesend antwortete er mit einem genervten ja.

,,Das ist doch unfair!", rief Lando. Sein sieben jähriges Ich schaute vorbei und schmollte. Aber mein Vater hatte recht.
,,Du hast geantwortet.", sagte mein Vater und musste sich bemühen nicht zu grinsen.
Entsetzt sprang Lando auf und lief die Treppe nach oben während ich mich verstört nach hinten lehnte.
Ein ganzes Jahr mit meinem Bruder... oh Gott...

,,Ach Kindchen, der wird sich schon wieder einkriegen."
Geräuschvoll atmete ich die Luft aus.
Okay, er wird sich wieder einkriegen, aber was ist mit mir?
,,Deine Mutter und ich gehen später zu einem Geschäftsessen. Vielleicht ist es ein neuer Sponsor für Lando, wenn wir ihn für uns überzeugen können."
Toll. War's das dann mit mir?

Ich nickte, stand auf und ging genauso laut wie Lando die Treppe hoch.

Hoffentlich existiert mein Zimmer noch...





Ja, es existiert noch.
Die Wände waren immer noch weiß und es hat sich eigentlich nichts verändert. Außer, dass ich ein neues Bett habe.
Mein riesiges Fenster wurde neuerdings von Vorhängen bedeckt.
Als ich noch da war wollte ich sie nie haben. Sie störten nur die Sicht und machen die Luft im Raum stickig.
Genervt zog ich sie ab und warf sie in irgendeine Ecke.
Danach zog ich meine Koffer zu mir, die in der Mitte des Raumes standen und machte mich ans auspacken.
Nach einer Stunde war ich fertig und lag entspannt auf meinem Bett. Zum Glück hatte ich eine Steckdose daneben, so konnte ich den ganzen Abend Netflix gucken.

Ich hörte schnelle Schritte vor meiner Tür. Dann öffnete sie sich und meine Mutter schaute rein.
,,Wir gehen jetzt, Liebes. Hab Spaß."
Wobei denn?
Sie verschwand und ließ die Tür offen.

Wie sehr ich es doch hasse...

Ich stand auf um die Tür zuzumachen, aber mein Bruder kam rein bevor ich auch nur die Chance hatte sie zuzuschlagen und schloss sie selber.

,,Ähm?", fragte ich.
,,Mum und Dad haben mich dazu gezwungen. Ich mache gerade nichts freiwillig."

Gelassen setzte er sich auf meinen Schreibtischstuhl und widmete sich seinem Handy.
Ja klar, ist ja nur mein Stuhl und ich betrete dein Zimmer auch nicht, aber setz dich ruhig, Brüderchen.
Ich seufzte und ließ mich wieder auf mein Bett fallen. Es federte den Aufprall angenehm ab.

,,Dein Freund?", fragte er und zeigte auf ein Bild von Tyler und mir.
,,Wüsste nicht, was dich das angehen soll."
,,Ich bin dein Bruder.", sagte er und schaute wieder auf sein Handy.
,,Ja, leider.", murmelte ich. ,,Nein, wir sind nicht zusammen. Er ist mein bester Freund."
,,Gut."

Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete ich ihn.

,,Du bist noch zu jung für eine feste Beziehung."
,,Ich bin fast 18, Lando!"
,,Und ich bin fast 20."

Ich warf ein Kissen nach ihm, welches er aber ohne mit der Wimper zu zucken auffing.
Verflucht seien seine Reflexe...

,,Nächstes mal vielleicht, Schwesterchen."
,,Wie lange willst du noch auf diesem Stuhl sitzen, Brüderchen.", fragte ich genervt.
,,So lange ich will."

Losing game (beendet)Where stories live. Discover now