Kapitel 9

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,,Er hat was getan?", fragte Michelle fassungslos.
,,Ich will es nicht noch mal wiederholen müssen. Du hast mich verstanden."
Wir gingen den langen Gang hinter den Boxen im Backstagebereich rauf und runter. Jedes Mal, wenn Michelle vor Aufregung aufqieckte, schauten uns die Menschen komisch an. So wie jetzt.

,,Ich wusste doch, dass dein Leben interessant ist."
,,Fein, aber wir brauchen immer noch eine Lösung. Ist mich nie wieder zu melden eine Option?"
,,Nein! Der arme Junge! Soll ich das mit ihm regeln?", schlug sie vor.
,,Michelle."
,,Ja was denn... George könnte sich als dein Freund ausgeben."
,,Denk nicht mal dran.", rief eine Stimme am Ende des Ganges. Anscheinend sprach Michelle so laut, dass es alle mitbekamen.
George kam uns entgegen und schüttelte den Kopf.
,,Lando würde mich umbringen."

Würde er das...
Davor bringe ich ihn um.
Wenn er nochmal so laut schnarcht wie letzte Nacht, ist er ein toter Lando. Und natürlich habe ich es nicht übers Herz gebracht ihn zu wecken, weil er seinen Schlaf braucht. Stupid me...

Der beste Freund meines Bruders schloss sich uns an und ging mit uns den Gang rauf und runter. Von außen betrachtet sieht es bestimmt nicht normal aus. Ich meine, zwei Mädchen mit einem Altersunterschied von sieben Jahren und ein Formel 1 Fahrer?

Was genau möchte George eigentlich von uns?
Wir führen gerade Mädchengespräche.
,,Warum sollte ich eigentlich deinen Freund spielen?"

Shit.
Was jetzt? Hätte er nicht einfach ruhig bleiben können?
Erzählen kann ich es ihm nicht, er würde es sofort Lando weiter erzählen. Lando ist einer von diesen ich-gebe-einen-scheiss-auf-dein-leben-aber-sollte-dir-ein-junge-näher-als-auf-10-meter-kommen-ist-er-tot Leuten.

,,Ach nicht so wichtig. Hast du nicht Training oder sowas?"
,,Erst später. Aber ich kann gerne gehen, wenn ihr eure Gespräche weiterführen wollt.", sagte er und zwinkerte uns zu. Elegant drehte er sich um und ging durch eine Tür, wahrscheinlich zu seiner Box.
Erleichtert atmete ich aus.
Ein Problem weniger.

,,So sehr ich ihn auch mag, Geheimnisse sollte man in seiner Gegenwart lieber nicht gerade aussprechen.", sagte ich zu Michelle.
,,Danke für den Tipp, schätze ich. Was hast du gestern eigentlich noch gemacht?"
,,Ich bin schlafen gegangen.", log ich. ,,Und du?"
,,Hab die Bar unsicher gemacht."
Wir gingen raus und suchten nach etwas zu essen. Das nächste, das wir fanden war ein Popcorn Verkäufer, also kauften wir zwei mittelgroße Tüten und gingen zurück zu unserem Schauplatz alias der Rand der Boxengasse. Wir hatten echt ein Privileg mit unseren speziellen Paddock Ausweisen.

Also ich muss schon sagen, die Jungs, die hier rumlaufen, sehen echt nicht schlecht au- nein, ich nehm alles zurück, Charles läuft vorbei, er lässt alles andere weniger hübsch aussehen.

Sein roter overall war geöffnet und ging ihm an der Hüfte runter. Durch das weiße Shirt konnte man seine Muskeln sehen, die sich deutlich abzeichneten und holy crap, sind das Armvenen?
Neben ihm ging ein jüngerer Dude, fast schon eine blonde Version von ihm. Ich tippe auf seinen Bruder oder seinen Cousin.
Als Charles mich entdeckte, blickte ich instinktiv nach unten.
Michelle stieß mich an und wackelte mit den Augenbrauen. ,,Schau mal, dein Loverboy sieht dich an."

Ach was.

,,Ich weiß."
Mein Handy vibrierte. Ich nahm es aus der Tasche und schaute auf den Anrufer.

,,Wer ist es?"
,,Tyler." ,,Lass mich mit ihm reden."
,,Nein, niemand redet mit irgendwem.", sagte ich genervt von Tyler und drückte ihn weg. Einige Sekunden später kam noch ein Anruf rein, welchen ich ebenfalls wegdrückte.
Beim dritten Mal war mein Geduldsfaden dünner als als ein Faden und ich hob ab.
,,Tyler, was brauchst du?", fragte ich wütend, versuchte es aber zu unterdrücken.
,,Hast du dich entschieden?", wollte er wissen.
Ich überlegte kurz.
,,Ja, habe ich."

Das war spontan.
Und mit Sicherheit werde ich es bereuen, ich sah mich schon mit einem Nervenzusammenbruch am Boden liegen. Tyler war alles für mich: mein Bruder, mein Ratgeber, mein bester Freund, jemand, dem ich alles erzählen konnte und der mich nie dafür verurteilte.

,,Und?", er klang hoffnungsvoll.
,,Tyler es geht nicht. Bitte ruf mich nicht mehr an."
,,Ich verstehe das nicht. All die Jahre war ich derjenige, der dich aufgebaut hat, wenn deine Eltern sich nicht gemeldet haben. Ich habe dir geholfen und das ist der Dank?", fragte er mit zittriger Stimme.
,,Nur weil du mir geholfen hast muss ich nicht deine Freundin sein. Ich werde dir dafür für immer Dankbar sein aber ich verstehe wirklich nicht, warum du uns unsere komplette Freundschaft ruinieren musstest. Du warst der einzige den ich hatte, und dann sowas. Hab ein schönes Leben, Adams."
,,Leighton-", versuchte er es nochmal aber ich drückte ihn weg und blockierte seine Nummer.

Tief durchatmen. Du hast alles richtig gemacht, Leighton.

,,Das war hart.", meinte Michelle verdutzt. ,,Hätte nicht sowas von dir erwartet."

Dann hab ich eben nichts richtig gemacht, ich kann doch auch nichts dafür.

Mir stiegen Tränen in die Augen. ,,Er war mein ein und alles, Michelle."
,,Psht, nicht vor dem Loverboy weinen. Er guckt ganz besorgt."
Sie zerrte mich weg vom Paddock in einen abgelegeneren Bereich und da brach der Damm endgültig. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf und scheisse, das tat gut.
Aber der Gedanke ist trotzdem noch da.

Ich habe gerade meinen besten Freund verloren.

Losing game (beendet)Where stories live. Discover now