Kapitel 8

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,,Ich verstehe Motorsport einfach nicht.", sprach Michelle mir aus der Seele, ,,Es ist immer das gleiche: 20 Autos fahren im Kreis und bekriegen sich gegenseitig."
,,Naja, es ist immer noch sinnvoller als 22 Männer die einem Ball hinterher laufen.", widersprach ich ihr trotzdem.
,,Touché''
Michelle und ich standen im Backstagebereich. Sie regte sich über diverse Dinge auf, während ich hin und wieder mit meinen Freunden schrieb.

Wir hörten eine quietschige Stimme und kurz darauf rannte ein kleiner, blonder Junge in den Raum rein, der sich hinter meinen Beinen versteckte.
,,Hey, wer bist du denn, Kleiner?", fragte ich und beugte mich zu ihn runter.
Fragend schaute er mich an.
Okay, also kein Englisch.
Ich nahm seine winzige Hand und führte ihn zur Tür um seine Mutter zu suchen, welche uns schon entgegen kann. Sie sagte etwas zu dem Jungen, nahm ihn zu sich und wendete sich dann an mich.
,,Gott sei Dank haben Sie ihn gefunden."
,,Er hat wohl eher mich gefunden als ich ihn."
Der Kleine sagte etwas zu seiner (wahrscheinlichen) Mutter, woraufhin sie lächelte.
,,Er sagt, dass er sie hübsch findet."
,,Ach wie süß, danke, kleiner Mann."
Ich verabschiedete mich von den beiden und ging zurück zu Michelle.
,,Gott, war der niedlich.", meinte sie und begann wieder irgendein Zeug zu labern. Irgendwie machte es mich müde aber ihr zu liebe hörte ich zu.

***********

Die Zeit verging quälend langsam, aber endlich waren auch die letzten Pressekonferenzen zu Ende und wir konnten fahren. Mein Bruder sah unfassbar müde und glücklich zugleich aus. Als wir im Van saßen, legte er erschöpft seinen Kopf auf meine Schulter und war sofort eingeschlafen, wenn ich mich nicht täusche. Da es bis zum Hotel noch dauerte, ließ ich ihn einfach. Carl schaute währenddessen angestrengt in irgendwelche Papiere. Es sah verboten kompliziert aus. Ich beschäftigte mich nicht mehr weiter damit sondern schrieb mit Tyler über Gott und Welt.

Es passierte einfach mehr Drama wenn ich weg bin. Tyler hat mir erzählt, dass ein Mädchen aus der Stufe unter mir ihren Freund bloßgestellt hat, weil er ein anderes Mädchen umarmt hat.
Und ich dachte immer, sie wäre nett.

Der Van hielt an.
Sanft weckte ich meinen Bruder auf, der nur verschlafen die Augen öffnete und abwesend die Tür aufschlug, um einen Moment später fast rauszufallen. Wahrscheinlich schläft er sogar im Gehen ein.
Ich kletterte nach ihm aus dem Van und ging neben ihm her.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es schon halb sieben ist. So wie ich Lando kenne, fällt er gleich ins Bett und steht bis morgen nicht mehr auf.

Wie ein Zombie lief er neben mir her und stolperte in unser Zimmer.
,,Soll ich dir essen mitbringen?", fragte ich grinsend. 
Lando schüttelte den Kopf, zog sich eine Jogginghose an und sein Shirt aus und fiel ins Bett. 
Ich nahm mein Handy und die Zimmerschlüssel, deckte Lando zu und machte das Licht. Fast war ich schon zur Tür raus, als ich mich noch mal umdrehte und meinem Bruder einen Kuss auf die Wange gab.
,,Hab dich lieb, Leighton.", nuschelte er und ich musste lächeln. Ich hab ihn doch auch lieb...
,,Schlaf gut. Ich komme später wieder."

Leise schloss ich die Tür und ging runter ins Restaurant, wo Michelle schon auf mich wartete. Ich ließ mich auf den Stuhl ihr gegenüber fallen und sie schob mir einen Teller voll Nudeln rüber.
,,Danke."
,,Ich habe diesen Teller mit meinem Leben beschützt. Daniel hätte ihn schon lange gegessen."
,,Welch eine Ehre, dass ihr euer Leben für mein Essen opfern wollt.", meinte ich in einem übertriebenem Akzent und begann zu essen. Michelle schob sich eine Gabel mit Hühnchen in den Mund.
,,Wem gehört eigentlich die Jacke? Sieht etwas zu groß aus."
,,Sie gehört meinem Bruder. Ist echt bequem, vielleicht klaue ich sie ihm einfach."
Ich spießte drei weitere Nudeln auf.
,,Erzähl doch mal etwas über dich. Sonst rede ich die ganze Zeit."
,,Ach Michelle, das ist zwecklos. Mein Leben ist uninteressant."
,,Quatsch! Jedes Leben ist interessant. Erzähl einfach."
,,Naja, mit knapp 11 Jahren kam ich in ein Internat und vor einem Monat haben meine Eltern mich zurückgeholt und mich hierzu gezwungen. In meiner Kindheit bekam ich Privatunterricht und mein Bruder ist halt Rennen gefahren."
,,Was ist denn dein Lieblingsmoment mit deinem Bruder?"
,,Es gibt keinen. Wie gesagt, mein Leben ist ziemlich unspektakulär."

Michelle seufzte und schüttelte den Kopf. Dabei wippten ihre braunen Locken hin und her.
,,Weißt du was, ich werde einfach ganz viele Dinge mit dir nachholen."
Einige Minuten schwieg sie und nippte an ihrem Wasser oder kaute auf dem Hühnchen rum.
,,Okay, fangen wir mit einem 3AM swim an, ich besorge dir einen Freund und mit dem wirst du dich im Regen küssen. Finde ich keinen, mache ich es auch mit dir, kein Problem. Dann müssen wir auf jeden Fall eine Nacht draußen bleiben und-"
,,Michelle, ich brauch das alles nicht. Ich bin auch so ganz zu Frieden."

Schweigend aßen wir unser Essen auf. Ich hab noch nie so lange für einen Teller Nudeln gebraucht. Fast anderthalb Stunden saßen wir hier.

Michelle und ich verabschiedeten uns nach einer Weile von einander und ging auf die Dachterrasse um den Sonnenuntergang zu beobachten.
Ich setzte mich weiter weg vom Rand und sah auf die Sonne, die schon fast hinter dem Horizont verschwunden war.

,,Warum so alleine?"
Den Akzent würde ich überall wieder erkennen.
,,Ach keine Ahnung. Es ist einfach schön."
Charles setzte sich neben mich.
,,Wurdest du verletzt oder warum guckst du so traurig?"
Die Fürsorge in seinem Blick trieb mir ganz leicht Tränen in die Augen.
,,Nein, alles super."
,,Sicher?" Ich nickte. ,,Na dann, warum setzt du dich nicht als Gelände? Da sieht man doch viel besser."

Okay, das war random.

,,Hab Höhenangst. Bleib lieber hier hinten."
Charles stand auf, hielt mir seine Hand hin und sah mich abwartend an.
,,Mit mir passiert dir nichts, versprochen."
Na gut, man kann es ja versuchen.

Als ich seine Hand nahm, explodierte etwas in mir. Meine Bauchgegend wurde warm, mein Herz schlug wie wild. Irgendetwas passierte mit mir und ich weiß nicht was.
Ich zog mich an seiner Hand hoch und er führte mich langsam an das Gelände. Sobald wir aber nur noch fünf Meter Abstand dazu hatten, setzte das schöne Gefühl aus und mein Verstand setzte wieder ein.
Alles in mir schrie danach stehen zu bleiben. Ich fing leicht am zu zittern. Das hier ist nicht das gleiche wie auf den Barrieren oder dem Balken, wo weiche Matten unter mir liegen und eine Person da ist, die mich auffängt, wenn ich falle.
Anscheinend bemerkte Charles mein leichtes Zittern und blieb sofort stehen.
,,Wie fühlst du dich?"
,,Nicht gut. Können wir bitte zurück gehen?"
Sanft nickte er und ging mit mir zurück.

,,Ich kenne dich nicht, obwohl ich es gerne würde, aber man sieht dir an, dass du dich gerne hinter anderen versteckst. Fast schon so, als ob du Angst vor Aufmerksamkeit hättest. Ich meine, du bist ein hübsches Mädchen, es gibt keinen Grund sich zu verstecken."
Autsch, okay. Das war zwar random, aber es stimmt. Ich hab Angst, dass ich alles falsch mache, wenn ich auch nur ein bisschen Aufmerksamkeit bekomme.
Aber obwohl wir uns erst vor einigen Stunden das erste mal gesehen haben, verstand er mich besser als jeder Mensch davor.
Und es schien so, als ob ich mich gerade in ihn verliebe.

Mein Handy klingelte und rettete mich aus dieser Situation. Ich zog es schnell aus der Jackentasche und ging ran. Charles beobachtete jede meiner Bewegungen.

,,Hallo?"
,,Hey, Leighton."
,,Tyler? Ist alles gut? Unsere Zeit ist noch nicht gekommen."
,,Alles bestens. Ich wollte nur deine Stimme hören. Wie geht es dir?"
,,Ich... bin etwas durcheinander, aber das wird sich bestimmt schon legen."
Charles schmunzelte. Er wusste ganz genau, dass ich ihn meinte.
,,Ähm, okay."
,,Also Tyler, was brauchst du? Ich hab noch etwas zu erledigen."

Habe ich gerade meinen besten Freund gekorbt?

,,Ich wollte nur wissen, ob alles gut bei dir ist."
,,Bei mir ist alles bestens, aber in bei dir alles gut ist, ist die Frage."
,,Machen deine Eltern Ärger?"
,,Weich nicht vom Thema ab, Adams."
,,Ach verdammt... weißt du Leighton, es ist so: wir kennen uns ja jetzt schon echt lange und... es kann... ich hab mich in dich verliebt, Leighton Norris."

Hm?
Hab ich das richtig gehört.

,,Tyler, hast du Drogen genommen?"
Charles Blick zeigte Verwirrung. Ich schaute ihn die ganze Zeit an, es beruhigte mich irgendwie.
,,Nein Leighton, das hier ist die Blanke Wahrheit. Ich liebe dich und das schon seit einer langen Zeit."
,,Ty, ich-"
,,Du brauchst Zeit, verstehe schon."
,,Ja, genau. Zeit. Viel Zeit. Tschüss, Tyler."

Ich habe das das Bedürfnis mein Handy gegen die Wand zu schmeißen.
Oh Gott...
Ich verliebe mich in Charles - obwohl ich ihn nur seit einigen Stunden kenne - Tyler sich in mich... es läuft grad nichts nach Plan.
Ich will weinen.
Was ein shit.

,,Ist alles in Ordnung mit deinem Freund?"
,,Äh ja, alles super. Ich sollte gehen. Gute Nacht, Charles."
Ich hatte nicht bemerkt, dass es schon dunkel geworden ist.
,,Gute Nacht, Leighton."
Er zog meinen Körper in eine Umarmung, die ich trotz der Situation zu gerne erwiderte.

Losing game (beendet)Where stories live. Discover now