💙 3

1.6K 119 68
                                    

Unbarmherzigen Wellen schlugen krachend übereinander zusammen, vermengten die Finsternis der Nacht mit der Schwärze der See und erstickten jegliches Leben unter ihrer Gewalt. Die reißenden Gischten spritzten wie funkelnde Blutstropfen in jegliche Richtungen, peitschten um sich und wandelten sich zu einem kräftigen Sog, der alles und jeden binnen weniger Momente mit einer solchen Leichtigkeit in die verhängnisvolle Tiefe riss, als würde der Wind ein trockenes Laubblatt vor sich her treiben. Die Natur besaß immense Gewalt und Kraft, die die Menschen trotz der unzähligen bereits geschehenen Unglücke und Naturkatastrophen immer noch unterschätzten und sich deren zerstörerischer Absicht nicht bewusst waren. Oder weil die Landbewohner mit ihrem übertriebenem Ego und dem nur allzu leicht kränkbaren Stolz nicht akzeptieren wollten, dass sie an der Spitze der Nahrungskette noch lange keinen Platz hatten. Eine unterentwickelte Spezies. Der simplen Natur unterlegen.

So dachten sie.

Ein Blitz zuckte über den weinenden Himmel und erleuchtete den Sturm und die brausenden Wellentürme, die bei jedem weiteren Zusammenstoß neuen weißen Schaum schlugen und damit die Oberfläche in äußerst ästhetischen Konstellationen zierte, ihnen trotz der Demolation etwas Sanftmütiges verlieh. Doch so schnell wie die tanzenden weißen Muster erschienen, genauso rasch wurden die Dekorationen von mächtigeren Seezungen verschlungen. In dem Prozess entstand ein undurchdringlicher Kreislauf: Meerkronen entstanden, Meerkronen wurden in die Tiefe gerissen und zerbarsten in der Finsternis des Ozeans. Das Meer holte sich alles zurück, was ihm gehörte. Es hinterließ nach dem Angriff auf die Konstellationen nur silberne Bläschen, ehe es sich einem neuen Opfer widmen konnte, welches es mit dem Ausmaß seiner verborgenen Kraft verschlingen konnte.

Da passierte es.

Inmitten des grausigen Seesturms und dem Sterben der Meerkronen erhob sich aus der auf den Wellen tanzenden silbrigen Schaumschicht ein verzerrter Schatten, der sich nach allen Seiten aufmerksam umsah und dabei allerdings gut versteckt vor einem potentiellen Augenzeugen blieb. Fast schon suchend verweilten die Augen der Gestalt keinen Moment an einer bestimmten Stelle, sie wanderten ruhelos immer weiter über die Wellenberge bis sie an etwas haften blieben.

Dem Schiff.

Die ozeanblauen Augen funkelten durch die Reflektion eines Blitzes auf und könnte man dieses Wesen nur erspähen, würde sicherlich niemand mehr an dessen Existenz zweifeln.

Das Meer riss die menschliche Baukunst nach oben um es danach über einen steilen Wellenrücken wieder auf die Wasseroberfläche aufklatschen zu lassen, bis sich die Gestalt sicher war, das Knarzen der überdimensional großen Schale hören zu können. Kein gutes Zeichen. Die zuckenden grellen Blitze am Firmament jagten dem Schatten einen unangenehmen Schauer über den Rücken, doch gegen das Wetter hatte das kleine Ding nichts in den Händen. Fröstelnd schluckte es.

Oh nein, hoffentlich passiert nichts Schlimmes! Die Himmelskinder wüten ausgelassener als sonst!", dachte das Geschöpf besorgt und beobachtete das Schiff, das just in dem Moment gefährlich schwankte während es gerade von einer seitlichen Welle ins Wanken gebracht wurde. Die Wassermassen waren so hoch wie uralte Korallenriffe und mit jedem zackenden Donner verschnellerte sich das Schlagen seines Herzens. Er befand sich knappe hundert Meter entfernt im Wasser, der Sog der Baukunst übte keinerlei ernst zu nehmende Auswirkung auf den trainierten Körper des Meerkindes, und schwebte in sichtlicher Sorge um das Wohl der Menschen.

Zwar war es selbst kein Landwesen, doch trotzdem hatte es Gefühle die sich von denen der Zweibeiner nicht sonderlich unterschieden.

Und eben jene Emotionen sollten den Schatten in nicht allzu entfernter Zukunft an den Rand seiner Existenz treiben. Natürlich wusste es nichts über das Schicksal, welches sich längst einen Weg für das Meerwesen ausdachte. Letzten Endes stellte sich diese Unwissenheit als wahrer Segen heraus – wer wollte schon in Erfahrung bringen, was an seinem qualvollen Ende die Schuld trug? Oder vielmehr...wer?

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now