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Seit der Entführung seines lieben Gefährten waren ein paar Tage verstrichen, in denen Jungkook das Schweigen dem Reden bevorzugte. Ausnahmslos. Er weigerte sich sogar die köstliche Suppe zu essen, die der Alte für den Schwarzhaarigen ein weiteres Mal zubereitete. Das Mahl verlief einseitig und in absoluter Stille, jeder hing seinen Gedanken nach. Wie sehr sich Jungkook wünschte, etwas tun zu können – er saß hier in Sicherheit, während er mit schwerem Gewissen von den Strafen wusste, die sein blauhaariger Schönling erdulden müsste. Allein. Diese strikte Tatsache und die schwerwiegende Machtlosigkeit waren es, die Jungkook vor Angst und Gewissensbissen um den Schlaf brachten. Sobald sein Kopf die Kissen berührte, packte ihn die Sorge vor dem großen Ungewissen wie die Pest mit ihren Klauen, projezierte ihm die schrecklichsten Bilder in den Verstand und trieb ihn bereits mehr als nur einmal so weit, dass er weit nach Mitternacht aus der Holzhütte rannte. Hinunter zum Meer, durch das taufeuchte Gras und über den kleinen Trampelpfad lockte ihn die ruhige Brandung. Wie lange er dann mit angezogenen Knien vor dem Ozean saß, den Kopf auf die Arme gebettet, und vor Verzweiflung sämtliche Optionen hinterfragte, konnte er nicht sagen. Es waren definitiv mehr als es gesund war.

Sollte er auf gut Glück einfach einen Versuch wagen, durch ein Wunder zum Palast zu gelangen?

Durch die Luftbeere könnte er ja unter Wasser unbegrenzt atmen...

Zum Hals im Wasser stehend und die Tränen nur schwach zurückhaltend, stieg ihm die Erinnerung der Reise in den Sinn.

Ich kann nicht guten Gewissens mitansehen, wie du orientierungslos durch den Ozean paddelst und am Ende als Haifutter endest.

Tae wollte damals schon nicht, dass sich Jungkook den dunklen Gefahren des Meeres aussetzte. Er würde nicht wollen, dass es der Mensch erneut täte. Also schob Jungkook jedes Mal wieder auf's Neue seinen Beschützerinstinkt zur Seite, kehrte aus den Fluten zurück in das Holzhaus und wünschte sich die Anwesenheit seiner beiden besten Freunde herbei. Jimin's Grinsen. Yoongi's lieb gemeintes Augenrollen. Eine Umarmung. Irgendwas.

Guiseppe, der sich in Geduld übte und Jungkook nicht zu einer Erklärung drängte, wie er denn jetzt genau den Weg in diese Einöde fand, räumte eine Kammer mit Blick auf den Leuchtturm frei von alten Möbeln und Krempel. Danach half er dem Schwarzhaarigen, die gröbsten Einrichtungsstücke hinein zu transportieren, welche den Raum weniger verlassen gestalteten. Jungkook's eigenes Zimmer – er würde es sich gern mit Tae teilen, arrangierte die Möbelstücke extra so. Nahm nur die Hälfte des Kleiderschrankes mit den Klamotten ein, die ihm Guiseppe am zweiten Tag seiner Ankunft aus der Stadt mitbrachte. Modisch passend für einen Jungen seines Alters, wie er die breite Auswahl an Jeans, Hemden und noch vielerlei anderen Kram betitelte. Jungkook freute sich sehr über die Großzügigkeit und bedankte sich in Form von tatkräftiger Unterstützung. Kochen, sauber machen, dem Alten helfen wo er eben Hilfe brauchte. Selbst einen neuen Anstrich verpassten sie dem Haus, reinigten den Motor des in die Jahre gekommenen Wagens und die zwei verstanden sich selbst in einvernehmlichem Schweigen hervorragend. Die Wohngemeinschaft der beiden funktionierte im Allgemeinen schon jetzt ziemlich gut, und das obwohl der Schwarzhaarige kein Wort über seine Reise verlor.

Ob er es je könnte, ohne an den Verlustschmerz erinnert zu werden?

*
*
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„Guiseppe?"

Der Alte blickt hoch von der Zeitung und zog an seiner Pfeife, beobachtete die tänzelnden Ringelchen in der Luft und wartete geduldig, bis weitere Wörter über Jungkook's blasse Lippen drangen. Wenn er freiwillig das Gespräch ersuchte, würde er statt neugierigen Fragen ein offenes Ohr antreffen. Der Schwarzhaarige holte tief Luft, bevor er leise und mit dünner Stimme fragte: „D-denken Sie, dass es möglich ist, dass das Schicksal einen Fehler gemacht hat?"

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now