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„Soll ich dich füttern?", meinte der Ältere ernst, vielleicht auch zu schelmisch und es wirkte ernst, und wunk mit dem Schlüssel, der eine in Aussicht gestellte Anregung der Geschmacksnerven darstellen solltes. „Happa happa, dann gibt's den Spaziergang. Na komm, für mich? Wenn nicht für meine Wenigkeit, dann bitte für die Kleine", bat Jimin bedächtig und zögerte, doch er erkannte den hin- und hergerissenen Blickwechsel zwischen Suppenteller und Schlüssel nur zu gut. Tae wollte, konnte aber nicht. Stattdessen hoffte er, Jimin wäre stark genug für sie beide...den Tae war ohne Jungkook zweifelsfrei ein scharfkantiger Scherbenhaufen, der sich selbst weh tat.
Also, zum Nachdruck und als Zeichen seines Beistandes, legte Jimin seine Hand zaghaft auf die sichtbare Wölbung und flüsterte mit vertrauensvollen Augen: „Hast du vergessen, wie man träumt? Das hier ist keine Sackgasse, Tae. Das verspreche ich dir. Jungkook und die Rasselbande werden wiederkommen, ganz bald, und wenn sie da sind, dann wird sich der Papa auf seine Prinzessin freuen. Hm, was sagst du? Na komm, lächle doch. Du liebst Kinder"

Tae schwieg. Es war die Wahrheit, er liebte Kinder über alles und dabei schien Jimin eine winzige, alles entscheidende Unterscheidung zu vergessen. Tae liebte seine Kinder. Seine Kinder, die vier Engelchen, die Jungkook ihm gemacht und geschenkt hatte. Das war ein deutlicher Unterschied zu der pauschalen Aussage. Tae liebte Kinder...seine Kinder, und die wollte er wiederhaben bevor er gänzlich zerbrach und nicht mehr weitermachen konnte. Denn gerade fühlte es nicht so an, als gäbe es einen Ausweg aus dieser depressiven Dunkelheit. Der Verzweiflung. Der Hoffnungslosigkeit. Dem Ende. Dem letzten Kapitel dieser Geschichte.

Ob er freudig lächelte oder sich des Nachts in den Schlaf weinte. Es interessierte sich niemand für sein Wohlergehen, niemand der dem Weltenkind hätte helfen können, machte einen Finger krumm. Und diese Prozedur der langsamen Verwesung zeigte sich äußerlich immer stärker. Die seidigen Gewänder, die ihm Jungkook zu Haufen gekauft hatte weil dieser Stoff sich so angenehm anfühlte zu tragen, saßen lockerer, in den Augen erlöschte das strahlende Glänzen und ob Tae mit bunten Armbändern und funkelnden Ohrringen im Bett lag oder stillschweigend in dem vereinsamten Wohnzimmer saß, das achtlos herumliegende Spielzeug seiner Kleinen betrauerte, kümmerte ihn nicht mehr länger. Jeder sah es, Jimin und Guiseppe, keiner verlor ein Wort darüber. Vielleicht, weil sie Angst hatten. Vielleicht...vielleicht, weil sie der Wahrheit nicht ins Gesicht blicken konnten.

Jimin, der die Hand von dem trächtigen Bäuchlein wieder wegnahm und einsah, dass er vielleicht zu direkt an die Thematik herangetreten war, seufzte leise und beschloss, ein einziges Mal eine Ausnahme zu machen. „Zwei Löffel, und wir gehen kurz raus", rationierte er die geforderte Suppenschüssel.

Tae lugte vorsichtig hoch und wartete auf das höhnische Lachen, das diese entgegenkommenden Worte als arglistigen Scherz entlarvten. Doch nichts passierte. Die beiden blickten sich stumm an und der Ältere spielte ein wenig stutzig mit der Versuchung, die zwei Löffel auf einen zu reduzieren, als er eine Reaktion erhielt. Langsam, ganz langsam, umfassten die mit nackter Leere geschmückten Finger das Besteck und der Ozeaner erfüllte die gestellte Forderung wortlos. Sogar ein drittes Mal hob er die warme Suppe an die Lippen, damit er seinem Freund die Kooperation zweifellos beweisen konnte. Er war durchaus bereit die gut gemeinten Spielchen mitzuspielen, sofern ein wenig Rücksicht auf ihn genommen wurde. Er hatte einfach keinerlei Hungerempfinden, und es tat ihm nicht leid – er fühlte es nicht. Zufrieden nickte Jimin und führte Tae also in den Flur, wo er den Elternteil in einen dicken Mantel samt Mütze und Schal murmelte. Würde er jetzt riskieren sich zu erkälten, würde der abgemergelte Körper es wirklich nicht gut wegstecken und das geschwächte Immunsystem würde nicht genug Schutz vor Viren oder Krankheiten bezwecken können. Eine leichte Erkältung war in dieser Lage gleichbedeutend mit dem Spiel zwischen Leben und Tod...für beide. Sowohl für den Ozeaner, als auch dessen ungeborenen Nachwuchs.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt