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Nicht wie sonst durch das funkelnde Sonnenlicht, welches durch die imposante Fensterfront des luxuriösen Schlafgemaches schien, sondern durch das deutlich hörbare Meeresrauschen im Hintergrund erwachte das blauhaarige Wesen aus einem tiefen Schlaf. Einem tiefen, erholsamen Schlummer voller lieblicher Träume. Seit langer Zeit hatte es nicht mehr so wohlig geschlafen und es tat gut, den Tag mit frischer Energie zu beginnen. Blinzelnd öffnete es die Augen zaghaft, war es doch im ersten Moment verwirrt wo es sich befand. Der raue Untergrund des körnigen Strandes rieb aufdringlich an seiner empfindlichen Haut und leise wimmerte es auf, wünschte sich die seidene Decke seines Bettes herbei um sich darin zu verstecken. Ein Frühaufsteher war es eben noch nie gewesen, ganz gleich welcher feierliche Anlass auch den Tag mit Freude beschenken würde. Benommen richtete es sich auf und fokussierte erfolgreich beim vierten Anlauf den spiegelglatten Ozean vor sich, kein Windchen versetzte das blaue Nass in Aufruhr und allgemein glich die Szene einem Ende. Ende eines Filmes, Ende eines schönen Traumes, Ende einer Reise...

Tae hielt verdutzt inne.

Dann trieb ihm sein heftig pochendes Herz eine so brachiale Röte in die Wangen, dass er zu tiefst erleichtert darüber war, den Menschen schlafend anstatt wach vorzufinden. Denn es war kein Traum. Er, der verbissene Schwarzhaarige, hielt tatsächlich Tae's schmale Finger eng umschlungen mit den seinen. Mit einer solchen Selbstverständlichkeit hatten die beiden den winzigen Körperkontakt aufrecht erhalten, dass sich der selige Vater noch im Grab umgedreht hätte. Um ein Haar hätte Tae vor Überraschung glatt vergessen, dass der Zweibeiner vor ihm ja gar nicht für ein liebliches Händchenhalten anwesend war. Schiffbruch. Er lag als Opfer des Sturmes hier, klammerte sich an sein einziges Fünkchen Hoffnung und bis zum alsbaldigen Erwachen war es ihm gestattet, den Trübsal in seinen Träumen zu vergessen. Schnarchend bemerkte Jungkook nicht, dass der nächste Tag ihn schon ungeduldig begrüßte und wie als könne er Tae's Gedanken lesen, vergrub er die Nase tiefer in der schwarzen ledernen Kluft und drehte sich brummend auf die andere Seite.

Ihre Hände lösten sich.

Und Tae wurde kalt.

Ein kleines bisschen enttäuscht fühlte er sich schon, als der undankbare Mensch ihm nicht einmal einen morgendlichen Gruß aussprach und stattdessen in aller Seelenruhe ein Liedchen schnarchte. Schmollend strubelte er sich durch die zerzausten Haare und blies die geröteten Backen auf, wandte schweren Herzens den Blick ab und beschloss, ihm noch ein klein wenig Ruhe zu gönnen. Sie waren ja erst in den frühen Morgenstunden eingeschlafen und obwohl Tae wahrlich kein Frühaufsteher war, man brauchte nur die Zofen im Palast nach seinem Dornröschenschlaf befragen, hatte er schon lange nicht mehr solch einen Energiestrom durch seine Venen fließen gefühlt. Es musste wohl daran liegen, dass die Verantwortung auf seinen Schultern nun nicht einzig ihn betraf, denn er hatte sich selbst, als auch dem Schiffbrüchigen, ein Versprechen gegeben. Der Mensch würde zurück zu seinen Angehörigen kehren. Und Tae würde sich diesem Vorhaben so lange verpflichtet fühlen, bis der Schwarzhaarige ihn aus diesem Schwur erlöste. Bis das nicht geschehen war, stand er im Dienste dieses Versprechens und damit in der Schuld des Menschen.

Baek hätte binnen einer Sekunde die königliche Leibgarde auf Jungkook gehetzt, wäre er über diese Verpflichtung in Kenntnis gesetzt worden – doch Tae verschwieg dieses Detail bewusst. Es war seine Entscheidung, seine Hilfsbereitschaft. Kein Adel würde ihm dieses letzte bisschen Entscheidungsfreiheit aus den Händen reißen. Tae mochte ihr König sein, doch dieser Titel machte ihn nicht zu einer Puppe, die nach den Fäden anderer tanzte. Himmel, er war König! Da stand es ihm ja wohl frei, wem er seine Gunst zukommen ließ. Und welche Absichten er verfolgte.

Quälend langsam löste sich der Blauhaarige von dem betörenden Anblick eines sehr verschlafenen Menschleins und rutschte tiefer in die verspielte Brandung, lächelte bei dem Gefühl des kühlen Meerwassers auf seiner Haut und ließ sich nur allzu gern von den Wellen mitreißen. Er folgte ihrem trauten Schabernack und tauchte euphorisch durch einen sich bildenden Strudel, schloss die Augen und genoss es. Das hier war sein Zuhause. Obgleich auf seinem Haupt unter anderen – normaleren - Umständen eine funkelnde Krone ihren Platz fand und ihn in den Augen seiner umringenden Folgschaft somit zu einem sündigem Objekt der Begierde machte. Obgleich seinem Namen höchstes Ansehen und vollster Respekt entgegengebracht wurde, sobald die Rede von dem Jungen mit den ozeanblauen Augen war. Obgleich er in seinem vergleichsweise überreifen Alter der Tradition nachhing und sich mit noch niemandem zu binden wusste, deren Nachfahren er in sich austragen wollte.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now