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„Fuck", fluchte Yoongi dunkel und zog seine Augenbrauen so grob zusammen, dass sich die Finsternis über sein Gesicht spannte. Die Strapazen der Reise schlugen sich allmählich auf seinen Schlafrhythmus über und er ertappte sich dabei, wie er hin und wieder wegdöste, nur um Sekunden später aufzuschrecken und sich alarmiert nach Feinden umzublicken. Es nervte ihn. Das permanente Salzwasser, das ihm obgleich der Magie der Luftbeere nichts anhaben konnte, und vor allem die Tatsache, dass er sich wie ein schwerfälliger Stein mit den Händen durch das Wasser paddeln und strampeln musste wie eine fehlgebildete Robbe. Er hatte das Schwimmer immer schon verabscheut – Ironie des Schicksals, möchte man meinen. Seine Haare trieben in der Meerströmung langsam um seinen Kopf, wie Seeanemonen in ihren eleganten Tänzen, zu gern hätte er jetzt seinen Freund neben sich gewusst, nach seiner Hand gegriffen und ihn schlichtweg bei sich gehabt. Er fehlte ihm. Sein ansteckendes Lachen und die Halbmond-förmigen Äuglein, die ausdrückten wie sehr er sich freute wann immer der Romantiker unter der rauen Schale hervorlugte. Ja, sogar ihre Date-Nights zu kitschigen Liebesfilmen vermisste Yoongi an diesem Punkt seiner Stabilität. Er vermisste Jimin. Fürchterlich. Und er legte sich für ihn allein in's Zeug, so schnell wie möglich hier fertig zu werden und die Kinder zurückzukriegen, wer auch immer und aus welchem Grund auch immer so grausam war, sie aus den Armen der Eltern zu rauben. Bald, Chim. Ich versprech's dir, wisperte er zu dem Sinnbild seiner lieben Tanzmaus, das einfach nicht aus seinem Verstand weichen vermochte. Zu seiner Rechten balancierte ein alter Bekannter, ein alter Freund von Jungkook, die schwerwiegende Verantwortung dieser Misere auf seinen Schultern, während Yoongi's gereiztes Gemüt kein Einhalten fand und darstellte, wie unerträglich ungern er noch länger als unbedingt nötig im Reich der Fische dümpelte: „Und ihr rühmt euch mit der Überlegenheit über uns? Wie konntet ihr nicht merken, dass ihr von vorn bis hinten verarscht worden seid? Friedensbündnis...tsk"

Der andere, getroffen von den harschen Worten des immer schon direkten Köpfchens, senkte betreten sein Haupt und blickte auf den vor ihm liegenden Palast, die hohen Türme erbaut aus dunklem Gestein, die trotz ihrer schaurigen Atmosphäre eine selten ehrfürchtige Baukunst symbolisierten. Nicht alles im Gebiet der Ungeheuer war monströs oder missgebildet. Manchmal, nur manchmal, lag die Schönheit in den Andersartigkeiten. „Mein Dienst unter der Führung seiner Hoheit wurde mir abgesprochen, ebenso das Aufenthaltsrecht in diesen Mauern. Du verstehst also, weshalb ich nicht imstande war euch eine Warnung zukommen zu lassen. Mir war die Teilnahme an Zusammenkünften nicht mehr gestattet, seitdem ich ein gut gemeintes Wort für seine Hoheit fallen ließ"

Yoongi schnaubte abfällig und verschränkte beide Arme, wobei er den Balanceakt seinem Beinschlag überließ um nicht ziellos in der Strömung zu treiben. „Seine Hoheit ist ziemlich zimperlich, was Süßholzgeraspel angeht. Hoffentlich erwischt ihn Kooks nicht auf dem falschen Fu- auf der falschen Flosse", korrigierte er sich brummend und beäugte mit wachsender Kritik den Palast, in dem sein bester Freund trotz der unzähligen Warnungen hineingeschwommen war. Einfach so. Einfach, weil sein Dickschädel auf die irrwitzige Idee festgefahren war, dass er um jeden Preis an den schlimmsten der Monsterwelt herankommen musste, um ihn auf seine Seite ziehen zu können. Fest entschlossen, die unrechtmäßigen Lügen und Märchen über seine Welt zu berichtigen und nicht eher wieder zu erscheinen, bis er seine Kinder an den Händen aus dieser Grotte führte. Denn wer auch immer töricht genug war, sich mit Jungkook anzulegen: es würde definitiv nicht hübsch enden. Erst recht nicht im Zuhause von Dragstor, der aus Jungkook's Erzählungen eine perverse Vorliebe für Folterungen und sämtliche kreative Handgreiflichkeiten hegte. Dass Yoongi demnach sichtlich angespannt war, konnte man ihm nicht übel nehmen.

„Dürfte...dürfte ich die Fotografie bitte noch einmal sehen?", bat der Ältere leise, seine Wehmut hatte ihn letztendlich doch übertroffen, und obwohl die zwei Menschen vielmehr auf seine Hilfe angewiesen waren, seit Anbeginn der Reise, wirkte er nun mit seinen eingefallenen Schultern und der gekrümmten Haltung...verzweifelt. Traurig. Sehnsüchtig auf den minimalen Einblick in das Leben seines Sohnes, der so weit entfernt sein Glück gefunden hatte und über die Existenz des verbliebenen Familienmitglieds sicherlich keinen Gedanken mehr verschwendete. Yoongi hob eine Braue, ihm war die feine Ausdrucksweise seines Gegenübers selbst nach Monaten noch nicht geläufig geworden, doch weil er den Schmerz eines Vaters verstehen konnte, weil er anhand von Jungkook wusste wie sehr man die Grenze des Leidens spannen konnte, holte er aus Jungkook's Habseligkeiten das laminierte Foto hervor, was der Schwarzhaarige heimlich mit in die See gebracht hatte. Einen handfesten Beweis, dass er sich die Erinnerungen nicht herbei fantasiert hatte. Das es echt war, alles. Dass er für einen Zweck hier unten dümpelte und nicht in einer verführten Midlife-Crisis festgefahren war. Zwei Hälften einer Seele, die sich gleich der Herkunft finden und zu einer Einheit verschmelzen, gelten als vom Meerreich selbst beschlossenem Gesetz ausgenommen. Die kosmischen Bindungen entspringen dem Werk der Götter, perfekt vorhergesehene Umstände führen zur Reinkarnation der einst verflossenen Liebschaft zwischen den Herzen. Gefährten, deren Opferbereitschaft über das eigene Leben hinausgeht, beschreiten den tragischen Weg ihrer spirituellen Reise Seite an Seite. Ihre Seelen seufzen in jauchzender Wiederfindung, die Grenzen ihrer Abstammung verschwinden und reich beschenkt werden die, die das Werk der Götter mit Ehre achten und den sorgsam ausgewählten Kindern Geleit und Respekt erbringen. Die Macht des Universums gespalten in zwei Teile, dazu bestimmt sich zu finden und das zusammenzufügen, was einst zerbrach.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now