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„In meinen Finger juckt der Drang mit einer raschen Bewegung all das Blut in Euren jungen Venen freizusetzen, Euch mit Pfeilen an der Wand aufzuspießen und dabei zuzusehen, wie ihr den letzten Atemzug tut. Dann, Korratius Sprössling, werde ich die wundersamen Zauberrunen einzeln von Eurem Fleisch schneiden und Ihr werdet machtlos mitansehen, wie ich den jämmerlichen Rest Eurer geliebten Völkerschar versklave", pries er seine irren Pläne wie das Blaue vom Himmel an und im nächsten Moment riss er die Decke von Tae's Körper, verstärkte den Druck an dem Dolchgriff und-...
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Stoppte.

Zuerst mit Verwunderung über den seltsamen Anblick, dann mit deutlich sichtbarer Bestürzung gaffte er auf den ausgemergelten Leib des Jüngeren, die viel zu präsenten Rippenknochen und sog argwöhnisch Wasser in seine Lungen. Sein dunkles Haar trieb gehorsam auf seinem Rücken, während seine eindrucksvolle und kunstvoll verarbeitete Rüstung in dem schwachen Mondlicht reflektierte. Das silbrige Licht strahlte geradezu spottend in die ausdruckslosen ergrauten Augenperlen, die er nicht wiedererkannte. Selbst bis hin in sein Reich verschlugen sich die Erzählungen über die makellose Anmut des Königskindes, welch Intensität die ozeanblauen Augen ausstrahlten und, dass nicht einmal die Menschen zu einer ehrwürdigen Nachbildung dieser Perfektion fähig wären. Ozeanblaue Augen, in denen die Liebe der Meere personifiziert wurde. Atemberaubende Runen, deren Ursprung niemand zu deuten vermochte, die in keinen Geschichtsbüchern aufzufinden waren.

Diese Gestalt, dieses zerstörte Bild dieser Sagen, konnte nicht das royale Kind sein, von dessen Eleganz sich selbst die schönsten Edeldamen in den Schatten gestellt fühlten.

Bitte", wisperte die kaum hörbare Stimme des Regenten trübselig und tonlos. So, als wäre er körperlich anwesend, geistig aber auf einem völlig anderen Planeten. „Macht, wie Euch beliebt. Ich möchte nicht, dass Ihr umsonst die Strapazen der langen Reise auf Euch nehmen musstet", implizierte er und legte seine Hände auf die Matratze, schloss die Augen und hauchte beinahe froh auf. Es würde ein Ende finden. Sich so schutzlos der Klinge des Feindes ausliefern stellte eine Herausforderung dar, der er gar nicht erst versuchte zu widerstehen. Er wünschte sich nichts sehnlicher als nie wieder in dieser Welt, gefangen im Körper eines Fisches, erwachen zu müssen. Vielleicht würde dieses Verlangen nach all den Gräueltaten, die ihm gegen seinen Willen angetan wurden, gestillt werden.

Ich bin auf dem Weg.

„Dürstet es Euch nicht zu erfahren, weshalb Euch des Nachts ein Dolch an die Kehle gehalten wird?", raunte Dragstor und verhärtete seinen Blick.

Tae schüttelte schwach lächelnd den Kopf. „Mich beliebt eher zu erfahren, aus welchem Grund Ihr so lange auf Euch warten ließet"

Dragstor, der mit der festen Absicht in die Schlossgemächer eindrang um seinem Feind unter Blut und jammervollen Klagelauten das Leben zu nehmen, zögerte. Diese...offene Bereitschaft für dieses Verbrechen an königlichem Blut, dieser fest entschlossene Todeswunsch - darauf hatte er sich nicht eingestimmt. Es war ihm neu. Tränen und Bitten das Leben zu verschonen, ja. Aber kein leichenblasser und kränklich ausgemergelter Jüngling, der das Ende mit einem Lächeln schon zu erwarten schien. Und mit dieser Erkenntnis zog Dragstor die Waffe zurück, steckte sie in das Halfter an seiner Hüfte und suchte Abstand. Sein Verstand konnte nicht mit dem umgehen, mit dem die Realität ihn konfrontierte. Der lichte Regent, den er sein gesamtes Dasein über eigenhändig ausmerzen wollte, bot sich ihm schutzlos auf einem Goldtablett an. Keine Wachen erhoben die Klingen zu seinem Schutz, niemand stellte sich Dragstor in den Weg.

Da stimmte doch etwas nicht.

Und weil Dragstor unter seinem bösartigen Wesen einen kleinen Funken Ehre besaß, versuchte er zumindest zu erfahren, weshalb das einst schönste Kind der Meere nun mit hervorstehenden Knochen und nicht vorhandenem Selbsterhaltungstrieb vor ihm lag, in einem Bett welches genauso gut sein letztes Krankenbett darstellen könnte. Die Skrupellosigkeit in Person, Verfechter von Graus und Angst, gefürchtet noch vom jüngsten Spross der lichten Meerhälfte schien so etwas wie das menschliche Mitgefühl zu hegen, welches er strikt mit seiner Unbarmherzigkeit überspielte. In Dragstor's Herzen beherbergte er die Unnachgiebigkeit seines Vaters Melostan, der vor ihm König über die Monster und Schreckgestalten der See war. Obszöne Gestalten, viel zu scheußlich als das Menschen beim bloßen Gedanken an sie ihren Verstand wahren könnten. Dragstor war die Verherrlichung personifizierter Beklommenheit, übermächtiger Ängste. Die wahrliche Ausgeburt der Hölle. Und eben die umrundete mit schräg geneigtem Kopf das imposante Bett, der Beantwortung seiner aufkeimenden Fragen auf der Spur.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now