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Nach drei weiteren Wochen, in denen Jimin und Yoongi wie angekündigt mehrmals zu der Hütte fuhren und sich nach einem kurzen Plausch mit Guiseppe um ihren vereinsamten und zurückgezogenen Freund kümmerten, beschäftigte sie die Frage nach seinem Überleben nicht mehr. Im Vordergrund stand jetzt die Sorge. Denn die blasse Silhouette die sie sehen mussten, ließ die Zweifel nur so sprühen. Er war nicht mehr der Jungkook, den sie kannten. Statt sich mit Jimin über die sinnlosesten Themen zu unterhalten und sich mit Yoongi Rap Battles zu liefern, durchzog eine bleierne Trübseligkeit seine gesamte Aura, die nicht besser wurde. Immer mehr zog er sich zurück und verschanzte sich in dem Bücherzimmer, vergaß an den Essenszeiten Guiseppe Gesellschaft zu leisten und schlief oftmals auf der Couch, wo ihn Guiseppe zudeckte und die kleine Lampe ausknippste.

Die Sonnenaufgänge wärmten ihn nicht mehr. Schon eine ganze Zeit lang verspürte er nichts anderes als Leere und innere Zerrissenheit. Er fühlte sich unvollständig, wie ein Puzzlestück das nicht ins Gesamtbild passte.

Tae war kein einziges Mal gekommen.

Die Sonnenaufgänge schwanden von einem Zeitpunkt der Hoffnung zu einem Ort der Qualen, die Jungkook still ertrug und sein blutendes Herz in seiner Brust umherschleppte. Tae kam nicht. Tae würde nicht mehr kommen. Nie wieder. Jungkook hätte nicht untätig zusehen sollen wie ihm das Liebste genommen wurde - deswegen machte er sich schreckliche Vorwürfe. Weil Tae für ihn kämpfte und Jungkook im Moment des Ernstfalles nur reglos dastand und zuließ, dass Tae für seine Selbstlosigkeit zu einem schlimmen Schicksal verschleppt wurde.

In all der Zeit, in der Guiseppe ihm ein Dach über den Kopf gewährte und sich um ihn kümmerte als wäre es sein eigenes Kind, hatte Jungkook noch immer nicht mit ihm über die Hintergründe der Geschehnisse gesprochen, auch sonst zu niemandem ein Wort über die Reise durch den Ozean verloren. Er konnte mit niemandem darüber sprechen - selbst wenn Tae weg war galt sein Versprechen noch, ihn vor den Menschen zu beschützen. Auch wenn dies bedeutete, er würde die ozeanblauen Augen nie mehr wieder sehen. Der einzige, mit dem er noch halbwegs Kontakt hielt und hin und wieder kleinere Gespräche führte, war Jimin und nicht einmal diesem vertraute er Details mit Bezug zu Tae an. Er konnte nicht. Seine Gedanken kreisten permanent um den Blauhaarigen und das vermisste Lächeln, die Röte auf seinen Wangen wann immer sie die physische Distanz überbrückten und sich näher kamen. In beidseitigem Einvernehmen berührten sie einander, bewältigten ihre Abstammung mit einer solchen Leichtigkeit, dass es ihnen umso einfacher fiel, die entstehende Bindung zuzulassen. Die Gefühle in ihren Herzen aufblühen zu lassen, ihnen eine Chance gaben, obgleich diese Chance mit dem Schreiten in die Zukunft immer deutlicher verblasste.

Jungkook hoffte und betete inständig, die Erinnerungen an Tae würden nicht genauso enden wie diese entgleitende Zukunft. Eine Zukunft in der es einen Jungkook zusammen mit einem Tae gab, die sich sehen durften ohne eine Feindschaft auszulösen. Und inmitten dieser Illusionen und Vorstellungen glaubte Jungkook nachzuempfinden, wie sich Romeo und Julia wohl gefühlt haben musste. Mit den verfeindeten Familien und den Auseinandersetzungen, zwischen denen irgendwo eine Liebe begann ihren längst verurteilten Lauf zu nehmen. Eine Romanze, die unweigerlich und von Beginn an zum Scheitern verurteilt war.

War Tae Jungkook's Julia? In übertragenem Sinne? Jungkook teilte die Ansicht, dass sein Überleben einen Sinn haben musste - wofür die vielen Umstände und Mühen, wenn man seine Wenigkeit letztendlich doch nicht brauchte? Das konnte nicht möglich sein, Jungkook musste und durfte nicht verzagen.

Er würde weiter warten.

Sonnenaufgang für Sonnenaufgang würde er für den Rest seiner Tage nah an der Brandung sitzen, inständig flehend sein Gefährte möge aus den Wellen auftauchen und zurückkehren. Jungkook in die offenen Arme schwimmen, seine Zutraulichkeit ihm gegenüber nicht verloren haben und ihn mit demselben verliebten Blick begrüßen, mit dem er Abschied nehmen musste.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Nơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ