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Irgendwie musste es Tae gelingen, zur Ruhe zu kommen und die Nacht für den vorgesehen Zweck zu nutzen: schlafen. Schlafen, anstatt vor sich hin zu grübeln und sich den Kopf über mögliche potentielle Alternativszenarien zu zermartern. Er hatte nur das hier und jetzt, und das galt es zu leben so gut es in diesen dunklen Umständen eben ging. Aber was hatte Jimin ihm nahegelegt? Tae überlegte. Eine warme Milch mit Honig sollte Wunder bewirken, wie der Tänzer überzeugt gesprochen hatte. Tae wollte schlafen, und da dieses Getränk bei Cedric hervorragend gegen zu hohe motorische Reflexe funktionierte, entschloss sich der Elternteil dazu, der Substanz einen Versuch zu gewähren. Also streckte er seine nackten Füße zögernd aus dem Bett, zuckte instinktiv zusammen als die gewärmten Fußsohlen auf den kalten Dielenboden aufsetzten und war drauf und dran, den Gedanken zu verwerfen und sich zurück in die schützende Wärme zu hüllen.

Gib auf dich Acht, hm? Auf...auf euch.

Er stockte. Das waren die Worte gewesen, die ihm sein Gefährte hinterlassen hatte. Worte, eine letzte Umarmung, ein letzter Kuss...und dann war es soweit. Tae kamen prompt die Tränen, unstillbar und wie eine Welle gegen die er sich nicht wehren konnte, überrollte ihn das Verlangen sich zusammenzukauern und erst wieder aus der gedeckten Pose zu entfliehen, sobald sein geliebter Jungkook heimkehrte.

I-ich...ich g-gebe Acht", murmelte er benommen von der Intensität der zurückkehrenden Gefühle des letzten Abschiedes, holte tief Luft und versicherte mit monotoner Stimmlage: „Ich gab dir ein Versprechen", ermutigte er sich dazu, sprach sich tröstlichen Beistand kund und erinnerte sich daran, eben noch eine Jacke überzuwerfen und nach kuschligen Socken zu suchen. Es war eine kalte Nacht, in der niemand das Bett wärmte und so sah sich Tae dazu gezwungen, seinen Schmerz für einen Moment zu vergessen und das Wohl des ungeborenen Engelchens vor seines zu stellen. Ausgestattet gegen die nächtliche Frische erhob er sich langsam, ächzte durch das gepeinigte Rückgrat und holte tief Luft, um nicht aufzugeben. Er schaffte es. Er musste es schaffen. „Sternchen legt sich gleich wieder nieder", besänftigte er das herbeifantasierte Treten der winzigen Füßchen und fühlte sich sofort, er hatte den Satz noch nicht mal zuende gesprochen, schon hundeelend.

Sternchen.

„Es ist vorbei", flüsterte er und wiederholte diese Worte einige Male, ehe er seinem Kuschelfratz durch die Haare kraulte und damit die vorherige Geste spiegelte, ein betörendes Seufzen erklang und Jungkook fühlte ein warmes Kribbeln bis hin in seine Fingerspitzen. „Du bist bei mir...dir kann hier nichts geschehen, Sternchen. Hörst du? Es ist Vergangenheit, aber das hier ist die Zukunft. Du und ich, und was noch auf uns zukommt"

Ach, Jungkook...in diesem Leben existiert nichts, ohne deine Erinnerungen an sich zu tragen", wimmerte er traurig und zog unglücklich die Nase hoch. Dieser Kosename war es, mit dem die Melodie der Herzen getaktet wurde. Sternchen. Sternchen. Sternchen. Gerade fühlte sich Tae wahrlich nicht wie ein leuchtender Komet, sondern wie ein nasser, grauer Kieselstein am Wegrand, an dem die Leute ungeachtet vorbeiliefen. Sein Herz raste, vielleicht stand es auch still, Tae konnte es nicht wahrlich genau bestimmen, als er ohne bewusstes Zutun leise über den Flur tappste und seinen Weg tapfer fortsetzte. Mit jedem weiteren Mondwechsel, den er diesen Gang entlangging, stand ein weiteres Zimmer leer. Zuerst die Kinder, dann Jungkook, jetzt auch noch der gutmütige Guiseppe...wann würde Jimin gehen und ihn in dieser Misere allein lassen? Irgendwann wäre es soweit. Vor der Tür des Besagten hielt er inne, drehte sich zu dem Holz und war versucht sich zu seinem Freund zu legen, Trost in dessen Umarmung zu suchen...nein. Jimin kannte genug Gründe sich zu sorgen, ein klammernder und anhänglicher Tae wäre da gewiss nicht von Hilfe. Er...er wollte ihm nicht noch mehr zur Last fallen. Nicht bei allem, was sein Freund schon für ihn tat. Die Unterstützung im Haushalt, die Aufmerksamkeiten was das gesunde Essen und hier und da ein Spaziergang bei gutem Wetter...wie er sich kümmerte. Um alles. Besonders um Tae und dessen Umstände, ja sogar wenn er Tae scharf mahnte sich hinzulegen um kein Risiko für das Engelchen einzugehen, berührte den empathischen Ozeaner so sehr, dass er es nicht verkraften könnte, würde sich Jimin auch noch von ihm abwenden. Jetzt, wo er ihn so dringend brauchte.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt