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Vor seinem geistigen Auge fand er sich in den starken Armen des Menschen wieder, der ihn und all seine zerbrochenen Teile zusammenhielt. Sie einzeln aus Tae's blutigem Herz zog, ganz vorsichtig, sie betrachtete als hielte er reines Gold in den Händen und sich mit seinem intelligenten Verstand daran machte, aus den bunten Scherben etwas zu formen. Eine prächtige Explosion der verschiedensten Farben kreierte er mit dem, was dem Meerkind das Atmen zur Qual machte. Der Schwarzhaarige setzte die Splitter fürsorglich aneinander, verband die wildesten Färbungen und erstaunte den Blauhaarigen ein weiteres Mal. Jungkook's Empfindungen wie Begeisterung und Motivation waren es, die Tae lang nicht mehr am eigenen Leib fühlte. Eigentlich fühlte er seit der Trennung von Jungkook gar nichts mehr, ausgenommen dem Schmerz und der bitteren Trostlosigkeit. Der Kälte. Der Wertlosigkeit. Dem Wunsch, jeder Atemzug mögen endlich der letzte gewesen sein. Und dann passierte es. Dann fühlte Tae alles auf einmal, alles Gute was ihm abhanden kam flutete wie eine Sturmwelle auf ihn zu und begrub ihn unter heißer Ausgelassenheit. Sein verlorener aber nun wiedergefundener Selbsterhaltungsantrieb brachte ihn dazu, sich tanzend im Kreis zu drehen und himmelhochjauchzend strahlte er heller als hundert brennende Feuerplaneten, die bedrängenden Sorgen und niederträchtigen Stimmen schüttelte er wie federleichte Staubkörnchen von sich. Jungkook nahm ihn bei der Hand und zog ihn mit sich, mit in seine farbige Dimension wo der Tag niemals endete und die Nächte mit funkelnden Sternen übersät zu überschwänglichem Leichtsinn lockten. Der Mensch entführte Tae aus seinem Stadium der kryptischen Angst und hauchte dem tauben Geist beflügelnde Lebenslust ein, hielt ihn fest wenn er drohte zu fallen und fing ihn auf, wenn er bereits gefallen war.

Wozu die Sterne da oben belästigen, wenn der schönste von ihnen hier bei mir ist? Es leuchtet so schön...lass die Lichter nicht ausgehen...
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Nach drei weiteren Wochen, in denen Jimin mit keinem Wort mehr über Guiseppe's Entschlafen gesprochen hatte, sich auch nebst dieser Verschwiegenheit nicht mehr so unnachgiebig um Tae kümmerte weil er einfach selbst zu kaputt war, um noch etwas Positives in dieser Misere zu erkennen, akzeptierte er die Tatsache, dass das hier kein Leben war. Wie Tae sagte...was war dieser schöne Fleck Erde wert, wenn man ihn mit niemandem teilen und bewohnen konnte? Richtig. Nichts. Kein muffiges Augenrollen, keine gewitzten Kommentare und keine Wangenküsschen beim gemütlichen Filmeabend. Kein Yoongi.

Im Vordergrund stand jetzt die Sorge um die zwei Freunde, die miteinander Trost suchten und gemeinsam hinaus auf das Meer blickten, ungewiss, ob aus den Wellen ihre Liebsten jemals wieder freigegeben werden würden. Denn die blassen Silhouette die sie in ihrem Gegenüber sehen mussten, ließ die Zweifel nur so sprühen. Er war nicht mehr der Jimin, der Tae, den sie kannten. Statt sich über die sinnlosesten Themen zu unterhalten und sich gemeinsam durch die Stille zu kämpfen, durchzog eine bleierne Trübseligkeit ihre gesamte Aura, die nicht besser wurde je markanter die Melancholie sich über sie haftete. Immer mehr zogen sie sich zurück und verschanzten sich in ihren Räumen, suchten Schutz vor weiteren Schmerzen, Schutz vor dem letzten Schlag. Tae vergaß an den Essenszeiten seinem Freund Gesellschaft zu leisten und schlief oftmals auf der Couch ein, erschöpft und fürchterlich müde, wo ihn Jimin dann aber zudeckte und die kleine Lampe ausknippste.

Tae hätte nie für möglich gehalten, dass sich seine Kindheit wiederholen würde.

Wie oft musste er noch jemanden verlieren?

Die Sonnenaufgänge wärmten ihn nicht mehr. Schon eine ganze Zeit lang verspürte er nichts anderes als Leere und innere Zerrissenheit. Er fühlte sich unvollständig, wie ein Puzzlestück das nicht ins Gesamtbild passte.

Jungkook war kein einziges Mal gekommen.

Die Sonnenaufgänge schwanden von einem Zeitpunkt der Hoffnung zu einem Ort der Qualen, die Tae still ertrug und sein blutendes Herz in seiner Brust umherschleppte. Tae's illusionierte Runen, die er in seinen Träumen antraf wie sie sich in eleganten silbrigen Schnörkeln auf seiner Haut rühmten, erstrahlten in ihrer schönsten Pracht, verzauberten die harmonische Stimmung und das verdankte er dem Menschen, der seine zersplitterten Bruchstücke fein säuberlich zu einem atemberaubenden Mosaik zusammenfügte und dieses heillose Chaos an Farben dorthin setzte, wo zuvor das blutende Herz den Qualen erlag. Jetzt leuchtete Tae wirklich wie ein Stern, der das Himmelszelt verließ um einzig und allein für die korallbraunen Augen zu strahlen. Diese Romanze überschritt die Grenze zwischen den Welten, überbrückte die Feindseligkeiten und fand im ärgsten Sturm ihren Beginn. Die Liebe brannte ihre Abstammung nieder, riss mit einem lechzenden Flammenmeer die Vergangenheit in Fetzen um aus der Asche eine neue Zukunft zu formen. Eine, in der Tae mit seinem Menschen zusammen sein durfte. Und so hell, so klar das Licht strahlte, so matt und farblos hinterließ es den Ozeaner als der Zauber verstrich. So unmessbar himmlisch dieses falsche Trugbild auch war, umso brutaler fiel das Erwachen aus eben jenem aus. Tae reckte sich nach dem Menschen, nach dem Halt dem er ihm bot. Aussichtslos. Die korallbraunen Augen verblassten und ein kümmerliches Wimmern war das einzige, zu was der vom Liebeskummer zerflossene Elternteil fähig war. Es tat zu weh, schon wieder seine besondere Person zu verlieren. Zuzusehen, wie ihm das einzige was ihm lieb und teuer war entrissen wurde.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Where stories live. Discover now