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Jungkook betrat nach seiner ausgiebigen Dusche, die ihm nach dem langen Tag voller Besorgungen und Verkehrschaos mehr als nur zustand, mit einem ausgelaugten Seufzen das dezent verdunkelte Schlafzimmer und rubbelte sich durch die noch etwas feuchten Haarsträhnen. Dabei merkte er, dass er wohl mehr Muskeln besaß als er ahnte, denn ihm tat alles erdenkliche weh von dem Schleppen der vielen Einkaufstüten – aber das Angebot des örtlichen Supermarkts war die Schlepperei der zwei Kisten Bananenmilch definitiv wert gewesen. Sollte Jimin ihn eben bis zum Lebensende damit aufziehen, Jungkook liebte Bananenmilch und mit diesem Genuss würde er nicht abschließen, selbst wenn er aus dem Alter längst herausgewachsen war.

Wofür verdiente er schließlich so viel Geld, wenn er sich nichts davon zugute kommen ließe?

Er legte das Handtuch ordentlich über die Heizung und öffnete seinen Teil des großen Kleiderschrankes, griff blindlings in die Schublade voller gefalteter weißer T-Shirts und zog sich eines über, bevor er durch ein merklich angespanntes Hüsteln davon abgehalten wurde, das Handtuch um seine Taille aufzuknoten.
Er schmunzelte.
Ihm war klar wessen Augen ihn dabei so aufmerksam verfolgten, und es verlieh ihm ein kribbeliges Gefühl im Bauch. Als hätte er fünf Ahoi Brause Packungen pur geschluckt, so unfassbar kribbelig fühlte es sich an. Bewusst langsam, er inszinierte gern kleine Darbietungen um seinen Partner zu verunsichern und den Effekt seiner Muskeln auszunutzen, warf er einen Blick über seine Schulter, nur um anschließend zu lächeln und provokativ zu erwähnen: „Ist es moralisch verwerflich wenn ich sage, dass es mich anmacht wenn du mich so anguckst?"

Nein, moralisch verwerflich würde ich es nicht bezeichnen", erwiderte die Person schlicht, die im Schneidersitz auf dem Doppelbett saß und neben sich ein Buch liegen hatte, aus dem sie bis eben gelesen zu haben schien. Das braune Haar war im Lauf der letzten Monate dunkler und dunkler geworden und obwohl Tae es selbst abstritt, musste Jungkook einfach wieder bewundern, wie unglaublich adrett die sich lockenden schwarzen Strähnen in das Gesamtbild dieses Engels einfügten. Tae war die Art Person, die jede erdenkliche Typveränderung verboten hinreißend gestaltete und die selbst in einem dreckigen, löchrigen Kartoffelsack sämtliche Laufstegmodels und Victoria Secret Sternchen übertrumpfen konnte.

Denn Schönheit kam von innen.

Und Tae war eine unumstrittene Reinkarnation der griechischen Göttin der Schönheit, zumindest in Jungkook's Ansichtsweise, mit einem Herz aus purstem Gold. Die schwarzen Haare zeigten, dass nebst den ozeanblauen Augen von den magischen Zauberkräften der Ozeanreiche rein gar nichts mehr in Tae schlummerte und er...ein Mensch geworden war.
Durch und durch.
Ein normaler, langweiliger, gewöhnlicher Mensch.
Losgelöst von den Wurzeln seiner Heimat saß er da, da auf Jungkook's Bett mit seinen Beinen und den lustig wippenden Zehchen, und versprühte solch inneren Frieden, solch zwangsloses Wohlbefinden in dieser menschlichen Behausung, dass nicht einmal die brausenden Stürme Tae einen Vorwurf mehr machten.

Nicht mehr.

Denn für eine sehr lange Zeit nachdem die Flosse gegen Beine getauscht und die Zauberkraft als Tribut zurückgezollt wurde, Tae die Freiheit aus den goldenen Ketten des Palastes erkaufte indem er zurückgab was ihn so Besonders machte, versank der Ozean in brausenden Stürmen und weinendem Himmel. Blitze formten sich und zerschlitzten die tosenden Wellen. Die Wassermassen preschten aufeinander und übereinander ein, zerrten die armen weißen Schaumkronen an sich und begruben die feinen Geflechte in einem tödlichen Strudel unter sich.

Der Ozean klagte und würde nicht mit der Sintflut einhalten, die er aufgebracht schluchzte.

Denn er hatte sein liebstes und schönstes Kind verloren.

Den ozeanblauen Augen entschwand die prächtige Farbintensität jedoch nie mehr, die magischen Runen hatten den silbrigen Zauber längst ausgeblutet, der obgleich der immensen sozialen Ansehung nichts als eine lastende Bürde für den Jungen mit ozeanblauen Augen war. Tae war gegangen, hatte sich aus freiem Willen entschieden seiner Heimat den Rücken zu kehren und die Hand des Menschen zu nehmen, auf das ihn dieser in die behütete Zukunft führen würde, die ihm in den liebevollen Küssen versprochen wurde. In eine Zukunft voller Glück, Respekt und unermesslich warmer Liebe – der Mensch nahm den Ozeaner mit offenen Armen zu sich und schaffte ihm ein Zuhause, welches ihm von der eigenen Rasse verwehrt worden war. Hätte er jemals ein Leben dort unten führen können, unter den Vorschriften und Regelungen, unter den Verträgen, die ihm auferlegt worden wären? Tae's Selbstlosigkeit, für die ihn das Volk schätzte, hätte ihn in den Ruin getrieben.

Ocean Eyes  [MERMAID!AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt