19| Tess - Ein Blick in die Freiheit

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„Shade, ganz ehrlich, was soll der Mist?" fluchte ich und rüttelte zum einhundertsten Mal an der Haustür des kleinen Waldhäuschens

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„Shade, ganz ehrlich, was soll der Mist?" fluchte ich und rüttelte zum einhundertsten Mal an der Haustür des kleinen Waldhäuschens. Durch das Glas konnte ich den dunklen Wald sehen, viel mehr noch: meine Freiheit.

„Lass mich gehen!", schluchzte ich erneut den Tränen nahe.

Nachdem mich Boss, besagter Freund von Shade, nach einer endlosen Autofahrt in diesem Fleckchen nichts abgesetzt hatte, hatte ich alles Mögliche probiert, um diesem gläsernen Gefängnis zu entkommen. Zuerst redete ich mir ein, dass dieser bescheuerte Dieb scherzte. Dass er mich morgen wieder nach Hause bringen würde, so wie er es immer getan hatte. Doch als sein Freund mir zwischen Tür und Angel erklärt hatte, welche Räume sich wo befanden und in welchen Schränken das Essen aufbewahrt wurde, konnte ich mich nicht mehr selbst belügen. Diesen Aufwand hatte er nicht auf sich genommen, nur um mich für eine Nacht von zu Hause fernzuhalten. Diesmal meinte er es ernst.

Vor Erschöpfung, aber vor allem vor Schock war ich zusammengebrochen. Bitteres Weinen hatte mich überkommen und mich die Zeit vergessen lassen. Obwohl ich Shade gedroht hatte, ihm diese Entführung nicht leicht zu machen, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Vielleicht ließ er mich in diesem Waldhaus einsam und allein versauern, kam nur, wenn die Vorräte zu Ende gingen und hielt mich hier für immer gefangen. Würde ich meine Eltern je wiedersehen? Sie in den Arm nehmen können und ihnen sagen dürfen, dass ich sie liebe? Jegliche Rationalität und Logik hatte ich auf dem Weg hierher verloren. Zurückgeblieben war ein Häufchen Elend, das unsagbare Angst vor der Zukunft hatte. Angst davor, was dieser Verrückte mit mir anstellen würde.

Einige Zeit verstrich, in der ich all meine angestaute Wut herausschrie und meine Tränen kaum ein Ende finden wollten. Ich fühlte so viele Emotionen, die mich schier überwältigten. Das Schlimmste an allem war meine Schwäche und Hilflosigkeit. Ich sah keine Hoffnung, keinen Ausweg aus dieser Misere. Dabei hatte ich bis jetzt noch nie in meinem Leben schwierigen Situationen einfach nachgegeben. Ich war stets eine Kämpfernatur, die immer einen Weg fand, alles wieder in Ordnung zu bringen. Diesmal jedoch, war es anders. Es fühlte sich an, als würde ich einen völlig sinnlosen Kampf ausfechten, den ich niemals gewinnen konnte. Shade war das erste Hindernis, das unüberwindbar für mich schien.

Bei dem Gedanken an Shade packte mich ein antreibender Frust. Frust darüber, dass er mich noch immer an der Nase herumführte. Wie einen Löwen in der Manege ließ er mich durch Feuerprüfungen springen. Doch die Löwin in mir brüllte noch immer. Selbst wenn ich mich an meinem größten Tiefpunkt befand, würde ich nicht eher Ruhe geben, bis dieser Dieb hinter Gittern saß. Er hatte sich für meine erste Täuschung gerächt, also würde er auch für all das bezahlen müssen, was er mir angetan hatte. Mich erfasste neuer Mut, er stärkte mich, drängte all die niederschmetternden Gefühle beiseite. Noch war das letzte Wort nicht gesprochen. Ich konnte noch immer entkommen, es gab immer einen Weg, sprach ich mir gedanklich Courage zu. Mein Blickwinkel wandelte sich von aussichtslos in hoffnungsvoll. Es war die beste Möglichkeit Rückgrat zu zeigen und Shade zu beweisen, dass er sich mit der falschen Tessa Gordan angelegt hatte.

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