21| Tess - Zwischen Tür und Angel

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Die erste Nacht in einem fremden Bett, in fremder Umgebung und in der Obhut eines Diebes, hatte ich besser überstanden, als erwartet

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Die erste Nacht in einem fremden Bett, in fremder Umgebung und in der Obhut eines Diebes, hatte ich besser überstanden, als erwartet. Ich fühlte mich zwar weder ausgeschlafen noch erholt, doch zumindest hatte ich wider Erwarten überhaupt die Augen schließen können. Nach Shades Versuch, mich erneut zu küssen, hatte ich meine Drohung wahr gemacht. Ich würde ihn nicht nochmal an mich heranlassen, so weit kam es noch. Nachdem ich ihm mein Missfallen demonstriert hatte, war ich vor ihm ins Schlafzimmer geflüchtet und hatte mich unter der großen Bettdecke verschanzt. Warum, konnte ich nicht sagen, zumindest aber war es bequemer gewesen, als der Kleiderschrank. Ich hatte erwartet, Shade würde nachkommen und sich erdreisten, zu mir zu legen. Doch er ersparte mir diese Peinlichkeit und ließ mich in Ruhe. Vielleicht hatte ihm der Tritt in seine Kronjuwelen, um ihn abzuschrecken, für das Erste gereicht. So wie ich ihn kennengelernt hatte, hielt das nur leider nicht lange an und er würde bald wieder versuchen meine Grenzen zu überschreiten. Es standen mir harte Zeiten bevor, in denen ich diesen unglaublich arroganten Idioten aushalten musste und keinerlei Kontakt zu meinen Eltern hatte. Sicherlich sorgten sie sich um mich und mein Wohlbefinden. Sie wussten im Moment nicht einmal wo ich war und wer mich entführt hatte. Ob es sie allerdings ruhiger machen würde, dass Shade derjenige war, der für diesen unnötigen Schlamassel verantwortlich war, bezweifelte ich jedoch. Die NCA hingegen würde alle Hebel in Bewegung setzen. Sie würden glauben, dass er einen unfassbar schweren Fehler begangen hatte und er es ihnen durch die Entführung nur noch leichter machte, ihn zu fassen. Doch so sehr ich mir wünschte, dass sich diese Chancen erhöht hatten, so sehr wusste ich auch, dass er sie nur an der Nase herumführte. Es war mir unerklärlich, wie er es schaffte, eine ganze Abteilung gestandener Männer derart lang vorzuführen. Die Ruhe, die Shade bei jedem seiner Coups ausstrahlte, ließ es so wirken, als wäre er allwissend. Es setzte mir ungemein zu, dass ich nicht einen Fehler an ihm und seinem Handeln finden konnte. Mehr als das, es war niederschmetternd.

Stöhnend drehte ich mich auf den Rücken und sah an die Decke. Obwohl der Giebel weit über mir lag, engte mich dieses Haus ein. Ein bedrückendes Gefühl begleitete jeden meiner Atemzüge, eine zerreißende Anspannung lähmte meinen Verstand. Es gab nichts, das mir einfiel, wie ich mich retten konnte und mir fehlte die Kraft, um mich zu bemühen.

Eine ganze Weile vegetierte ich so vor mich hin, badete in Selbstmitleid und schaffte es nicht mich zu motivieren, meine Drohung Shade gegenüber wahrzumachen. Dabei wäre es sicher aufmunternd gewesen, ihn zu nerven. Ihn zu bedrängen, mich gehenzulassen und dieses Haus in seine Einzelteile zu zerlegen, damit er nachgeben musste. Aber es war ein schönes Haus, es konnte nichts dafür, dass ich mich in ihm aufhalten musste. Und zurück war meine Demotivation, gefolgt von einem heftigen Magengrummeln. Wenn ich es Shade nicht zu leicht machen und an Hunger sterben wollte, dann musste ich mich hoch bequemen und mir etwas Nahrhaftes suchen.

Müde stemmte ich die Hände auf die Matratze und kämpfte mich schwerfällig hoch. Als ich den Blick ebenfalls aufrichtete, sah ich die dunkelgrüne Schönheit des Waldes durch die deckenhohen Fenster. Die Aussicht war einfach atemberaubend. Für einen kurzen Moment ließ ich meine Gedanken in den ruhigen Farben der Natur schweifen und vergaß meine klägliche Situation. Ich genoss einfach den Augenblick.

Stolen HeartsWhere stories live. Discover now