12 - Niemals ohne mich

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Lange betrachtete ich das Schmuckstück zwischen meinem Zeigefinger und Daumen.
„Der Mond durchbricht die Dunkelheit und leuchtet selbstsicher am Himmel. Egal wie tiefschwarz die Nacht ist."
Ich konnte immer noch nicht realisieren, was passiert war. Was Cihan gesagt hatte. Seine Worte klangen so sanft und voller Reue.

Cihan wollte mir vor sieben Jahren die Kette schenken. Er wollte mir seine Gefühle beichten. Jemand, der dich nur als Freundin betrachtete, würde dir niemals dieses Geschenk machen wollen.
Eigentlich waren uns unsere Gefühle schon immer bewusst gewesen. Wir waren nur zu feige sie zuzugeben.

Tante Nevin hatte die Gefühle der 17 Jährigen Asel und dem 20 jährigen Cihan durchschaut. Selbst ein Blinder würde sie fühlen. Wie wir miteinander umgingen, war schon immer anders gewesen. Dass wir aneinander gebunden waren, fühlte ich schon immer. Deshalb zerriss mich sein Verschwinden.

Irgendwann fand ich mich mit seiner Abwesenheit ab und begann Cihan zu vergessen. Denn er fügte meiner Familie einen großen Riss hinzu. Er war der Grund, dass Ertan von uns ging. Hätte sich Cihan nicht für einen dunklen Weg entschieden, wäre mein Bruder noch am Leben!

Die Mordtat geschah am Tag unserer Verabredung. Deshalb traf Cihan nie am Treffpunkt auf und verließ spurlos mein Leben!
Mein Bruder wurde an dem Abend umgebracht, an dem Cihan seine Liebe beichten wollte. Wie schmerzhaft musste das für Cihan sein?

18:05 Uhr, Frankfurter Innenstadt
Mit meinen letzten Nerven beendete ich die Protokolle und fuhr den Rechner runter.
Mein Kopf schmerzte schon. So viel Arbeit genügte für heute. Ich machte wieder Überstunden, obwohl ich mir versprochen hatte, mehr Zeit mit Ensar zu verbringen.

Gähnend verließ ich den Platz. Schlaf bekam ich auch nicht mehr ab. Probleme hielten mich wach. Offene Fragen raubten mir den Seelenfrieden.
Nachdem sich Ensar verschuldete und Cihan auftauchte, war nichts mehr so wie es mal war. Einerseits kämpfte ich für meinen Bruder. Andrerseits versuchte ich Cihan zu vermeiden. Beides klappte nicht. Und das erste Mal fühlte ich mich so verzweifelt.

„Du bist noch hier?", begegnete mir Engin im Aufzug.
„Ja. Der Vertrag von Hazar Holding hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als gedacht."
„Ich habe dir gesagt, dass ich dir etwas abnehmen kann.", erinnerte er mich. „Ich weiß, aber ich habe die Arbeit angefangen und ich beende sie auch. Rede nicht so als ob du mich nicht kennst.", sah ich ihn an. Schief lächelte mich Engin an. „Du bist zu stolz, um Unterstützung anzunehmen. Du kleine Perfektionistin.", behauptete dieser.
„Überhaupt nicht!"
„Doch, doch."
Wir spaßten miteinander, bis wir am Parkplatz ankamen und die Wege sich trennten.


Wie gewohnt machte ich meinen Einkauf am Mittwoch und fuhr eilig Heim. Ensar sollte nicht zu lang auf mich warten. Doch vergeblich stellte ich fest, dass die Wohnung leer war. Anrufe nahm er auch nicht an.
Musste ich mir Sorgen machen? Mit mulmigem Gefühl fing ich an das Essen zuzubereiten. Ich konnte nur hoffen, dass Ensar in Kürze kam.

Als eine weitere stille Stunde verging, rief ich nun Birkan an. Er nahm ab, aber wusste genau so wenig, wo sich der Herr befand. Auf Anhieb begann mein Herz zu rasen.
Die Männer, die vor unsere Haustür gekommen waren, fielen mir ein. Dreckig hatten sie mich angelächelt. Haben sie etwa meinem Bruder etwas angetan?

Das Messer in meiner Hand glitt runter und holte mich in die Realität zurück.
Verdammt! Noch einmal rief ich Ensar an, aber er war unerreichbar. Ich könnte ihn so etwas von zusammenschlagen!
Einen Pulli streifte ich mir über und hastete mit dem Autoschlüssel los.

Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn.
Diesen Jungen musste ich mit einem GPS Gerät chippen und nachverfolgen!
Während ich hilflos auf den Straßen nach Ensar suchte, empfing ich einen Anruf von Tante Nevin. Selbst in solch einem Zustand könnte ich sie nicht ignorieren.

Gefangen in dirWhere stories live. Discover now