60 - Hoffnung

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Die Hoffnungslosigkeit ist vernichtend.
Hoffnung hingegen, gibt uns die Kraft zum Leben. Deshalb sagt man, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Denn stirbt sie, stirbt unser Inneres auch...

~demez34

































Mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
Mit zitternden Knien rannte ich den Korridor runter.
Menschen zogen an mir vorbei. Alles zog an mir vorbei. Ich spürte nur Angst - mehr nicht.
Mein tiefer Atemzug war das einzige, das ich hörte.
„Wo ist Ensar!", hielt ich eine Krankenschwester auf, die mir entgegenkam.

Die Notaufnahme verließ ich und hastete ins zweite Obergeschoss. Ich erlebte ein Déjà-vu.
Das Feuer in mir entfachte von Sekunde zu Sekunde. Jedes Mal, wenn ich wusste, dass auch nur ein Haar von meinen Geschwistern verkrümmt wurde, überkam mich die Verlustangst.

Jedes Mal kam mir Ertans Abschied vor die Augen.

Außer Atem kam ich im Obergeschoss an.
Meine Beine brachten mich irgendwo hin.
Ein Krankenpfleger mit Blut bespritzer Kleidung eilte an mir vorbei. Er kam aus Ensars Zimmer heraus.
„Ensar!", schrie ich aus meinen Lungen heraus und begann zu rennen.
Nein. Nein. Nein!

Die Tür schlug ich beinahe ein.
Da stand er vor mir. Erst fiel mir ein Stein vom Herzen, weil er lebendig war. Dann zerbrach ich beim Anblick auf sein Zustand.
Blutverschmierte Kleidung, Nackenstützte und Kniebandage angebracht, Verbandszeug am Körper...
„Ensar'ım! (Mein Ensar!)", löste ich mich aus der Starre.

Ich wusste nicht wie lange ich weinte. Doch bis ich mich beruhigte löste ich mich nicht von Ensar. Von der einen Seite weinte er, von der anderen Seite ich.
„Birkan uyanmadı! (Birkan ist nicht aufgewacht!)", krächzte mein Bruder.
„Uyanır! Merak etme. (Er wird aufwachen! Mach dir keine Sorgen.)", versprach ich ihm.
„Ya uyanmazsa? (Und wenn er nicht aufwacht?)"
Widerwillig schüttelte ich den Kopf.

Vor der Tür gab der Notarzt die Lage der Jungs wieder.
Ensar befand sich noch im Schockzustand. Er war total aufgedreht und ängstlich. Jede Emotion war überspitzt. Es soll keine unnormale Reaktion sein, dem Arzt nach. Erst nachdem mich Ensar anrief begann er zu sprechen.

Bei Birkan sah es schwieriger aus. Der heftige Prall gegen die Fensterscheibe löste eine Gehirnerschütterung aus. Er könnte aufwachen und einen Gedächtnisverlust erleben. Eine Rippe war gebrochen und die Niere wurde dabei verletzt.

Oh Mann... ich fühlte mich so schlecht.
Wie will ich Birkans Vater die Lage erläutern? Das bekam ich nicht übers Herz und überließ es den Polizisten.

Ensars Führerschein wird abgenommen. Über der Geschwindigkeitsgrenze fuhr er. Der Wagen kam aus der Spur, stieß dabei gegen ein anderes Auto und schleuderte Richtung Autobahnplanke zu. Die Autobahn wurde abgesperrt und die Zeitungen berichteten jetzt schon vom schweren Unfall.

Einer Zeugenaussage nach machte Ensar ein Rennen gegen ein anderes Auto. Der Tatsache ging ich nach.
„Willst du mir erzählen wie der Unfall vorgefallen ist?", setzte ich mich zu meinem Bruder.
Starr fixierte er die Wand.
Er wirkte wie ein Geist. So abwesend und emotional am Ende. Schwer hielt ich meine Tränen zurück.

Seine Hand umgriff ich, um meinen Beistand zu signalisieren. Lange Zeit kam nichts aus seinem Mund heraus.

„Mit den Jungs haben wir uns getroffen."
Aufmerksam hörte ich ihm zu.
„Morgen sollte unser Album rauskommen! Die Jungs haben uns 'ne Überraschung gemacht... Dann fuhren wir Heim. Ich wollte Birkan ablassen... Ein Auto ist mir aufgefallen. Längere Zeit fuhr er hinter uns - Er kam immer näher."

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