3 - Bekannte Fremde

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Er hatte sich verändert. Als ob nicht mein ehemaliger lebensfreudiger, optimistischer Kindheitsfreund vor mir stand, sondern eine andere Person. Flüchtig musterte ich ihn von oben bis unten. Schwarzer Rollkragenpullover, Trenchcoat. Eine große Uhr und ein Siegelring am Ringfinger vervollständigten sein Outfit. Die Haare, leicht nach hinten gestylt, frisch geschnittener Dreitagebart. Und die Blicke kälter als Alaska.
Windstürme zogen sich zwischen uns vorbei.
Seine Ausstrahlung war nicht mehr warm und herzig. Ganz im Gegenteil. Doch alles hatte seinen Grund.

„Du hast dich verändert.", machte Cihan eine Anmerkung. Die Worte kamen zögerlich aus ihn heraus. Eindeutig fiel es ihm schwer eine Konversation mit mir aufzubauen.
„Du auch Cihan. Zuletzt sahen wir uns vor 7 Jahren."
Seine Hand, die auf dem Tisch ruhte, ballte sich zusammen. Die Kiefermuskel spannten sich an und verhärteten seine Miene. Der Vorfall zwischen unseren Familien begleitete ihn heute noch aus tiefstem Herzen.
„Freunde und Familie nennen mich Cihan. Du kannst mich Cihangir nennen.", trat er ein Stückchen vor. Wie bitte? Die Worte schockierten mich. Doch hatte ich einen Grund dafür? Schließlich waren wir keine Freunde mehr.

Während ich mich darum bemühte, dass das Treffen gut ausging, benutzte er alle Mittel, um die Situation unerträglicher zu machen!
Rasch warf ich die Braue in die Höhe. Das war ein eindeutiges Zeichen, dass er mich verabscheute und rote Fahnen niederließ.
„Na gut, Cihangir Kaplan.", kam ich an die Reihe und betonte spitz seinen Nachnamen. Wie er, trat ich vor. Bestimmt blickte ich in seine bernsteinbraunen Augen, mit der Hoffnung, ihn durch den Blickkontakt durchdringen zu können, doch er zeigte keine Reaktion. Hartnäckig hielt er den Blicken stand.

„Lass uns einfach ein angemessenes Gespräch miteinander haben. Ich bin nur für Tante Nevin gekommen.", machte ich zunächst klar.
„Ich ebenfalls, Asel Atay."
Es störte mich, dass er meinen Namen bedenkenlos aussprechen konnte. Ich hatte keinen Spitznamen, womit ich eine Distanz einsetzen konnte.

Seine kindliche Stimme aus der Vergangenheit hallte in meinen Ohren. Der aufrichtige Cihangir, war schon längst verschwunden. Was hatte ich mir auch gedacht? Man veränderte sich in den Jahren.
Die Bedienung traf ein und servierte uns die Getränke.
„Ich verstehe nicht, weshalb Tante Nevin unbedingt ein Treffen mit uns vereinbaren wollte.", kam er zu Wort. Antwortsuchend schaute er mich an.
„Ich auch. Jahre sind vergangen und unser Kontakt hat sich aufgelöst."

Noch länger konnte ich nicht still bleiben. Eine Frage brannte mir auf der Zunge, die ich Cihangir stellen musste. Sein Duft, welches ein herber frischer Geruch war, erkannte ich wieder.
„Du hast mich aus der Schießerei gerettet, stimmt's?", brachte ich Klarheit. Cihangir trug denselben Duft, der auf der Lederjacke lag. Seine Körpergröße, die Haltung - alles passte überein.
Als ich auf sein Gesicht traf, vervollständigten sich die fehlenden Puzzleteile in meinen Kopf.
Mein Retter war mein jahrelang untergetauchter Kindheitsfreund gewesen!

Schlagartig erstarrte er und hörte auf im Kaffee zu rühren. Er blickte auf mich hinauf. Und dieses Mal war ich diejenige, die sich durch die Blicke in Gefangenschaft genommen fühlte.
„Was hattest du dort zu suchen?", bestätigte er indirekt die Aussage.
„Wieso bist du bewaffnet?"
Meine Stirn runzelte sich. Ich hörte mich schon fast enttäuscht an. Aber bei seinem Nachnamen, hätte es mich nicht wundern sollen.
„Beantworte meine Frage.", forderte Cihangir trocken. Sein Ton gefiel mir ganz und gar nicht.
„Wer bist du, dass ich deinen Bitten folgen soll?"
Auf Anhieb spannten sich seine Kiefermuskel an. Was machst du Asel? Willst du dich wie ein Kind mit ihm streiten? Ich musste zu mir kommen.

„Ich wollte mit dem Inhaber aufgrund eines persönlichen Problems reden. Jetzt antwortest du mir, Cihangir!"
Es war seltsam ihn mit seinem bürgerlichen Namen anzusprechen. Denn für mich war er immer Cihan gewesen.
„Es war purer Zufall."
Niemals. Es war Schicksal, aber niemals Zufall.
„Trägst du deine Waffe auch aus Zufall bei dir?", fragte ich belustigt. Er verbarg die Wahrheit vor mir.
„Hast du mich erkannt, oder warum hast du mich gerettet? Hättest du mich zurückgelassen, wenn du mich erkannt hättest? Immerhin bin ich eine Atay!"
„Warum wolltest du den Inhaber ansprechen?", verkrampfte er von der einen Sekunde zur anderen und wich meinen Fragen aus.

Gefangen in dirWhere stories live. Discover now