87 - Der Schmerz in deinen Augen

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Alles, was aus den Tiefen des Herzens kommt, berührt Herzen...




















Die Sonne am Horizont zeigte ihre letzten Strahlen und ein großer Tag verabschiedete sich.
Ein Neumond zeichnete sich am Himmel.
Die Wärme lag noch in der Luft.
Von hier aus wirkte die Stadt so friedlich. Die Wolkenkratzer erschienen klein. Der Abendverkehr zeichnete eine helle Linie entlang der Straße.
Mein Blick festigte sich auf den Commerzbankturm.

Dieser Ort wirkte nostalgisch als ich noch einmal auf die Graffitiwand schaute. Chico & Sel war hier. Wann immer wir die Gelegenheit fanden, trafen wir uns an der Aussichtsstelle.
Wir redeten über Gott und die Welt. Über unsere Träume und Ängste. Viele belanglose alberne Gespräche führten wir auf der Bank nebenan.

„Wenn ich irgendwann heiraten würde, wäre ich voll der Traummann.", klang Cihans jugendliche Stimme in meinen Ohren.
„Du und Traummann? Dann musst du noch vieles an dir verändern.", gab ich selbstbewusst von mir und warf meine Haare nach hinten.
Locker lachte Cihan. Und wann immer er das tat, wusste er, dass er charismatisch war.

„Dann sag mir was ich verändern muss.", haftete sein Blick auf mir.
Verstummt lächelte ich. Denn mit dieser Antwort hatte ich gar nicht gerechnet. Ich musste eine smarte Antwort von mir geben, also sagte ich: „Sehe ich aus wie deine Traumfrau? Oder warum suchst du die Antwort bei mir?"
Allein die Tatsache, dass er mir die Frage stellte, war ein Signal. Ich war seine Traumfrau. Mich wollte er zufriedenstellen.

Cihan behielt seine Stille. Insgeheim brannte ich für seine Antwort. Was ich mir im Kopf ausdachte, wollte ich wort wörtlich hören.
„Was denkst du?", neigte Cihan den Kopf ein wenig, als wolle er mich dazu bringen ihn anzuschauen. Erst musste ich mein rasendes Hetz unter Kontrolle bringen. Er konnte Eins und Eins zusammenzählen. Natürlich war er sich der Tatsache bewusst. Aber mit unklaren Antworten blieben wir weiterhin interessant füreinander.

Meinen Blick widmete ich letztendlich ihm. Länger konnte ich nicht wegblicken.
„Ich denke, dass wir losgehen sollten, bevor es dunkel wird."
„Gute Idee"
Der Schlüssel des Neuwagens balancierte in seiner Hand. Die jugendlichen stiegen in den Benzer ein und fuhren los.

Auf dem Rückweg amüsierten wir uns. Cihans Gegenwart verlieh mir immer das Gefühl von Geborgenheit.
Alles war gut. Bis ein Anruf einging und Cihans Haltung sich von dort an veränderte. Auf einmal verkrampfte er. Sein Lachen erlosch. Eilig fuhr er mich Heim und dann raste er los.
Den ganzen nächsten Tag über war Cihan nicht erreichbar.

Tief atmete ich die Luft ein, als ich die Augen aufschloss und mich aus der Erinnerung löste.
Irgendwo unten in der Stadt ertönten die Sirenen der Polizei. Wie viel Uhr war es?
Zehn nach zehn.
Und wie ich bemerkte, hinterließ mir jemand eine Voicemail.
Die Stimme kam mir bekannt vor.

„Guten Abend, Asel. Ich bin's Ali. Heute Abend bin ich aus meiner Geschäftsreise zurückgekehrt und habe die Nachricht erhalten, dass morgen dein großer Tag ist. Ich wünsche dir alles Gute für die Hochzeit. Möge eure Ehe gesegnet sein... An dieser Stelle möchte ich mich auch bei dir bedanken für deine Unterstützung als Anwältin. Du hast unsere Projekte nur positiv bereichert."

Ein Lächeln ging mir auf.
Ali würde mit seiner Höflichkeit in meinem Kopf bleiben.
„Das Angebot wirst du wohl nie annehmen, aber sei dir sicher, dass du mich anrufen kannst, wann immer du etwas brauchst..."

Diese Worte erinnerten mich an eine ganz bestimmte Person. Ertan.
Als wären sie die Worte meiner Bruders, die mittels Ali an mich kamen.
Ich war wieder emotional geworden und blinzelte die Tränen weg.
Ali war nicht der einzige gewesen, der mich versuchte zu erreichen. Die Anrufliste war lang. Doch ich war so sehr damit beschäftigt meine Gedanken einzuordnen, dass ich untertauchen wollte.

Gefangen in dirWhere stories live. Discover now