21 - Deine Augen, Asel

1.5K 68 69
                                    

Seine Anwesenheit glich einem Sturm, der die Welt zum Schwanken brachte. Der zornige Brandungen in Ozeanen auslöste. Die Wucht der Brandung riss meine Füße vom Boden weg. Aber das Überleben im Wasser lernte ich vor Jahren.
Mein Leben war nie still gewesen, dass mich sein Durcheinander außer Fassung bringen konnte.

Da stand er ein weiteres Mal vor mir.
Cihangir Kaplan.
Der Mann, der spurlos aus meinem Leben verschwand und still darin eintauchte.
Nun kehrte er zurück, zu einer der unpassendsten Zeiten, was man von ihm nunmal kannte.

Als ob nichts passiert wäre, als ob er mich nicht im Stich gelassen hätte, ließ er sich auf den Platz gegenüber mir nieder.
In Trance befand ich mich. Immer wieder versuchte ich mir einzureden, dass dies ein Traum war, während ich todsicher sein konnte, dass dies die Realität war.

Eine bittere Realität, die Benzin auf das Feuer schüttete. Er wusste nicht, welche Hürden er freischaltete.

Meine Hände umschlossen sich zu festen Fäusten.
Dass er sich hier in dem Raum befand, war ein Fehler. Wie konnte sich ein Mensch eine dritte Chance erhoffen, wenn er die zweite nicht bekam?
Wie konnte ein Mensch dermaßen Selbstvertrauen haben? Oder war es schon Naivität?
Er war verdammt Selbstsicher und das hob ihn von der Masse ab. Ich wünschte, er wäre ein durchschnittlicher Mann gewesen, der nie meine Aufmerksam ergreifen konnte.

Aber er, war Cihan! Mein Kindheitsfreund!
Der Mann, der mir die schönsten Erinnerungen hinterließ und sie anschließend niederbrannte.

„Asel?", klang eine Stimme rechts neben mir. Alis Verwirrung richtete sich auf meine verkrampfte Haltung. Schwer schluckte ich und ging schweigend auf meinen Platz zurück.
Die Luft war auf einmal so dick geworden, dass ich schwer Luft bekam. Mit der Hand drückte ich gegen die ziehende Stelle auf meiner Brust und schloss kurz die Augen.

Als ich die Lider aufschlug, fixierten mich Cihans Blicke, die mich bis in die Tiefe meines Körpers durchbohrten. Die Kugel, wovon ich ausging, dass sie mich traf, zerschmetterte mich.

Das ganze Meeting zog wie ein Film auf einer fremden Sprache an mir vorbei. Meine Konzentration war schon längst verflogen. In meinem Kopf kreisten verschiedenste Gedanken und stießen gegeneinander. Ein Chaos brach aus - ein Erdbeben.
Dennoch riss ich mich zusammen und ließ mir nichts anmerken.

Am Ende des Vortrages wendete sich Ali an das Publikum und nahm Feedback an. Lediglich positive Kritik bekam er. Damit endete auch das qualvolle Meeting.
„Das Projekt mag nach einer lang ersehnten Lösung klingen, aber haben Sie sich auch mal überlegt, was Eschersheim wirklich braucht? Wie viel Bezug haben Sie zu dem Stadtteil?", zog eine Stimme die Aufmerksamkeit auf sich. Die Frage kam von niemandem außer Cihangir Kaplan. Der Mann, der Ali mit den Augen eines Feindes betrachtete.

Aufgeschmissen sammelte Ali die Worte in sich. Mit solch einer Frage hätte er ganz und gar nicht gerechnet. In Ruhe räumte er seine Unterlagen zusammen und ließ sich Zeit beim Antworten. Die verbliebenen Zuhörer trauten ihren Ohren nicht.
„Denken Sie wirklich, dass man einen Bezug oder eine emotionale Bindung benötigt, um Projekte zu bilden?", antwortete Ali spitz.
Die Luft spannte sich regelrecht an. Was machte Cihan nur?

„Es geht nicht um Emotionen, es geht um Tatsachen!", ließ Cihan die Antwort nicht auf sich sitzen.
„Herr Kaplan, Das Projekt-", setzte ich an, doch wurde im selben Moment unterbrochen. „Asel! Lass mich ausreden."
Verwundert zog Ali die Braue zusammen. Er entschlüsselte die Bekanntschaft zwischen uns und blickte voller Verwirrung zwischen mir und Cihan.
„Ich habe keinen Bezug auf Eschersheim, aber auf unser professionelles Team können Sie sich verlassen. Unser Ziel ist ein sicheres Frankfurt. Das Problem ist Ihnen sicherlich geläufig.", gab Ali letzte Worte von sich und verließ den Raum samt der Bauzeichnerin.

Gefangen in dirWhere stories live. Discover now