68 - Die Sommernacht

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Denkst du zu viel über die Liebe nach, wird es dich krank machen. Vergisst du die Liebe, wirst du das Leben in ihren grausten Tönen leben.

~demez34























(Für alle, die meine langen Kapitel vermisst haben.)






Noch einmal fuhr ich über das müde Gesicht, als ob ich dadurch Kraft schöpfen konnte, doch es brachte nichts.
Der Beamte tippte letzte Worte ab und wirkte dabei angespannt. Ob es an dem Sachverhalt lag, oder der Ernsthaftigkeit seiner Arbeit, war mir ungewiss.

„Also nochmal, Frau Atay.", hafteten seine Augen auf mir. „Sie sind Richtung 21:47 Uhr in Ihrem Apartment eingetroffen. Sobald die Haustür aufging haben Sie den Einbruch bemerkt. Herr Cihangir Kaplan war währenddessen anwesend. Sie haben sofort die Polizei verständigt und nichts verändert, oder berührt. Vermutungen über den Einbrecher gibt es nicht. In Ihrer Wohngegend sich solche Fälle auch nicht verbreitet.", fasste er zusammen.

Ein müdes Nicken gab ich meinerseits. Es war nervenraubend um diese Uhrzeit, nach einem langen Tag im Polizeirevier eine Aussage zu machen.
„Alles ist so abgelaufen.", bestätigte ich. Nickend ließ der Herr die Worte auf sich wirken.
„Wir werden unser Bestes geben. Die Kommission untersucht noch. Wir werden Sie kontaktieren, sobald es Neuigkeiten gibt.", schien er das Gespräch zu beenden.

„Danke, Herr...", versuchte ich mich an seinen Namen zu erinnern.
„Polat"
Türke also.
Dankend nickte ich und schwang mich von der Stelle hinauf. Mein Gegenüber tat das gleichfalls.
„Frau Atay", erwähnte er beim nächsten Schritt. Ich drehte mich um. „Sie sind Anwältin. Sie haben viele Mandaten verteidigt. Dem Einen haben Sie geholfen und den anderen geschadet..."
Bevor seine Denkpause endete, wusste ich, worauf er eingehen wollte.

„Denken Sie, es gibt eine Partei, die Ihnen gezielt schaden möchte, weil sie Ihretwegen im Gericht gescheitert haben?", wurde seine Miene schärfer. Unter dem gelb weißen Licht kamen seine Augenringe deutlich zum Vorschein.
„Nichts Wertvolles wurde geklaut, Ihrem Eindruck nach. Da will sie Ihnen jemand nur persönlich angreifen!", stemmte er die Hiebe am Schreibtisch.

Aus irgendeinem unerklärlichen Grund drängte mich etwas dazu, mir die Frage zu stellen, ob dieser Mann einen persönlichen Berührungspunkt zu mir oder meiner Arbeit hatte.
Warum stocherte er dermaßen auf dem Einbruch herum? Waren Polizisten immer so aufmerksam? Spürte er einen Beschützerinstinkt, weil ich seine Landsfrau bin?

„Wissen Sie was, Herr Polat?", näherte ich mich.
„Für diese Fragen sind die Kriminalpolizisten verantwortlich. Ich habe getan, was jeder vernünftiger Bürger machen sollte.", wies ich ihn auf meine Trostlosigkeit und drückte die Tür zum Korridor auf.
Unmittelbar blickte ich einem vertrauen Augenpaar in Bernsteinbraun entgegen.

Wortlos zog ich an ihn vorbei, als gäbe es nichts zu Bereden. Wenn er wusste, dass ich gereizt war, wurde er leise. Wie ein unsichtbarer Schatten folgte er mir den Korridor runter, bis wir draußen ankamen. Ein erdiger Geruch lag nach dem Regen in der Luft. Tief füllte ich meine Lungen mit dem Sauerstoff.

In den Nachthimmel blickend drehte ich mich im Kreis. Ben ne yaptım Allah'ım? (Was habe ich nur getan, lieber Gott?), stellte ich mir die Frage. Es war kein Vorwurf. Ganz im Gegenteil schimpfte ich mir selbst, mich in dunkle Geschäfte eingemischt zu haben.

„Wasser?", wurde mir angeboten. Soeben musste Cihangir eine Wasserflasche aus seinem Auto geholt haben. Die Flasche nahm ich an und trank einen Schlug. Es entging mir nicht, wie mich Cihan schmerzerfüllt anblickte.
Als spiegelten seine Augen meine seelischen Stürme wider. Als wäre er mein Spiegel. Als könne er nicht stehen, wenn ich fiel.

Gefangen in dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt