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Das Schicksal trennt Menschen und vereint sie wieder, damit sie lernten sich zu schätzen.

~demez34


























Am Samstagmorgen wurde ich mit den ersten Sonnenstrahlen wach. Ein wenig wälzte ich mich hin und her, bis ich mich aus dem Bett raus zwang.
Mein Kopf schwirrte beim ersten Schritt auf den kühlen Laminatboden.
Als erholsam erwies sich der Schlaf nicht.

Am Waschbecken stützte ich mich mit beiden Händen ab und versuchte aus dem Halbschlaf zu erwachen. Gähnend öffnete ich den Wasserhahn, welcher kaltes Wasser über meine Hände herabließ.
Der Kontakt mit dem erfrischenden Wasser machte mich gleich wacher.

Eine Aspirintablette warf ich in ein Glas Wasser, mit der Hoffnung den Tag überstehen zu können. Brodelnd löste sich die Tablette darin auf. Den Inhalt kippte ich in drei Zügen runter.
Nachtschichten taten mir nicht mehr gut.
Ich erinnerte mich an die Tage, an denen ich kontinuierlich Überstünden schob, um Ensar das bestmögliche Leben zu bieten.

Den Papierkram auf dem Couchtisch räumte ich beim Vorbeigehen auf.
Da gab mein Handy ein Klingeln von sich. Seufzend schlenderte ich ins Schlafzimmer. Am liebsten würde ich für die nächsten Stunden mit niemandem reden. Doch den Gedanken schob ich bei Seite, als Cihan'ım (Mein Cihan) auf dem Bildschirm aufleuchtete. War er schon um diese Uhrzeit wach?

„Günaydınlar efendim! (Guten Morgen meine Hoheit!)", entgegnete er mir in einem munteren Ton. „Günaydın (Guten Morgen)"
„Seni düşündüm tüm gece boyunca... Rüyama giremedin, ama birazdan seni almaya geleceğim, meleğim. (Die ganze Nacht lang habe ich an dich gedacht... In meinem Traum kamst du nicht vor, doch gleich werde ich dich abholen, mein Engel.)", kündete er prompt an.

„Ne? Birazdan mı? (Was? Gleich?)", geriet ich in eine Schockstarre.
„Ja, habibi (Schatz). Mach dich bereit. Sonst komme ich hoch und bereite dich höchstpersönlich vor.", versprach er und lächelte womöglich frech hinter der Leitung. Ach, ich musste ehrlich sein. Dieser Mann schaffte es immer wieder mein Herz zu erwärmen. Die ganzen Komplimente, seine Redensart, seine Selbstsicherheit - alles sprach für ihn.
„Okay, habibi (Schatz)", bediente ich mich an Cihans Sprachgebrauch.

Nun kam die große Frage: was zog ich Bitteschön an? Wohin ging es? Wann wäre er da? Warum fragte ich dies nicht nach?
Kaum begann der Tag, schon kam ich durcheinander.

Zunächst zog ich mir eine lockere Stoffhose und eine Baumwollbluse über. Das erinnerte mich zu sehr an meine Office-Outfits und ich entschied mich für ein Sommerkleid. Die Haare ließ ich offen, womit Cihan mehr als zufrieden wäre. Nach zehn Minuten wurde ich angerufen und hastete das Treppenhaus runter. Warum beeilte ich mich? Cihan kann auch bisschen warten.
Die Schritte verlangsamte ich.

Bevor ich raustrat, straffte ich die Schultern und räusperte mich. Dann ging ich raus und versteckte hinter der Sonnenbrille meine Augen, die nach Cihan suchten.
Es dauerte nicht lange bis ich ihn fand. Der protzige Geländewagen war nicht zu übersehen. Und ich erkannte von der Ferne, dass ich auch ins Visier genommen wurde.

Bevor ich die Straßenseite wechselte, schaute ich mich flüchtig um und gewann noch etwas Zeit.
Da stieg Herr Kaplan auch aus seinem Auto und ließ den Blick über mich schweifen.
„Hey", begrüßte ich ihn und ging vorbei.
„Hey? Bin ich dein Kumpel, oder was?", setzte er dramatisch an. „Wie soll ich dich sonst empfangen?", nahm ich die Brille runter. Ich liebte es ihn zu nerven.

„Wie wäre es mit hayati, sabah al khair? (Mein Leben, guten Morgen?)", verbesserte er mich und packte mich an der Hand. Ehe ich reagieren konnte, hauchte er einen Kuss darauf. Damit brach das Eis, das es nicht wirklich gab zwischen uns.
„Sabah al khair (Guten Morgen)", erwiderte ich verzückt und wollte direkt verschwinden, bevor wir mehr Kinomaterial für meine Nachbarn lieferten.

Gefangen in dirWhere stories live. Discover now