33 - Sehnsucht

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Die Sehnsucht im Herzen wird alles aufrecht-
erhalten, was der Verstand vergessen möchte...

~demez34



































„Asel?", hörte ich Engins Stimme, nachdem ich lange auf den Bildschirm starrte und abnahm.
Ein wichtiges Gespräch wurde meinetwegen verschoben. Ob ich mich erkrank habe, wurde mir gefragt.
„Nein Engin. Ich weiß auch nicht, ob ich morgen kommen werde."
„Warum? Sagst du mir bitte, was los ist?"

Zunächst brachte ich es nicht über die Lippen. „Mein Vater hat die Sache mit Ensar erfahren.", gestand ich von der einen Sekunde zur anderen.
In eine Schockstarre geriet Engin, was ich aus seiner Stille heraushörte.

„Meine Anrufe nimmt er nicht an. Ich werde ihn gleich suchen gehen."
„Ich wäre auf der Stelle losgegangen, aber das Meeting kann ich nicht einfach verschieben!"
„Du musst nichts tun Engin. Es reicht schon, dass du daran denkst. Danke.", vergewisserte ich trocken und legte auf. Engin brauchte ich in die Sache gar nicht einzumischen.

So oder so werde diesen Jungen finden!

Ich raffte mich auf, klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht und zog mich um. Danach ging es raus auf die Straße.
Noch einmal klingelte ich bei seinen Freunden durch, die mir nicht weiterhelfen konnten.
Ich wusste nicht einmal in welchen Ecken sich mein Bruder üblich aufhielt. Die Tatsache wie distanziert wir zueinander standen, konfrontierte mich ein weiteres Mal.

Wohin könnte ein Junge geflohen sein, der sich den Tod wünschte?

Die Uhren Schlugen auf 12 Uhr Mittags. Es gab immer noch keine Spur von Ensar. Ein bitteres Deja-vu durchlebte ich. An dem Abend, an dem Ertan umgebracht wurde, konnten wir ihn auch nicht erreichen. In der Nacht erreichte uns die erschütternde Nachricht.

Die Geschichte durfte sich nicht wiederholen.

Ich würde alles tun, nur um ihn ein weiteres Mal zu sehen! Wusste er überhaupt in welchem Zustand er uns zurückließ?
Sogar nach Wiesbaden fuhr ich, wo er sich ab und an aufhielt. Aber nein, ich kam kein Stückchen weit.

.

Mit schweren Schritten steuerte ich mich auf die Polizeiwache zu.
Die Situation schilderte ich aus, doch den Eindruck ernst genommen zu sein, bekam ich nicht. Am Abend könne er doch Heim kehren, wurde mir gesagt.
Vorwürfe über Drogenhandel wurden ihn gemacht. Da riss mir der Geduldsfaden.

„Mit Drogen hat mein Bruder nichts zutun! Es geht um einen 19 Jährigen, mit einer möglichen Selbsttötungsabsicht! Die Fahndung muss eingeschritten werden!", wurde ich lauter.
„Ganz Ruhig! Wir versuchen den Sachverhalt zu verstehen.", entgegnete mir der Polizist.

Ein Foto von Ensar gab ich weiter und beschrieb ihn so gut ich konnte.
„Ein schwarzes T-Shirt und dunkle Jeans trug er zuletzt, mit weißen Schuhen. 1,83 ist er groß. Sein Kennzeichen ist F EN 107", vervollständigte ich.
Der Beamte notierte sich alles auf und trug die Vermissten-Fahndung im System ein.

.

In der Nähe des Europaviertels verabredete ich mich mit Izem, um den Sachverhalt auszudiskutieren.
Auf einer Parkbank ließ den Tag durch den Kopf gehen. Schon seit mehr als 20 Stunden galt mein Bruder als vermisst.
Die Ungewissheit glich einer skrupellosen Folter.

Ich weiß, dass ich Ensar lebendig finden werde!
Bitte Allmächtiger, ermögliche mir diesen Wunsch!
Du verstehst mich am besten. Du kennst den Schmerz in mir am besten. Lass mich mein Bruder finden...

Gefangen in dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt