Kapitel 108

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"Frau Götze?", fragt die Therapeutin und als ich zu ihr aufschaue, lächelt sie mich warmherzig an. Ich lächel schwach zurück, stehe auf und folge ihr in den Raum. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als die Tür hinter uns ins Schloss fällt.

Neugierig schaue ich mich um, während ich langsam auf den Stuhl zugehe. Das Zimmer ist total freundlich eingerichtet. Ein hübscher Teppich liegt auf dem Boden, die Möbel sehen sehr modern und die Stühle sehr bequem aus. In einer Vitrine stehen kleine Skulpturen und an der Wand hängen ein paar Kunstwerke. Eines interessiert mich besonders und zieht meinen Blick praktisch magisch an.

"Ein Richter?", frage ich und wende mich dem Gemälde etwas mehr zu.

"Sie haben ein gutes Auge. Interessieren Sie sich für Kunst?", erkundigt sich die Frau und ich höre ein Lächeln aus ihrer Stimme heraus.

"Danke. Nicht wirklich, aber ich mag den Stil", entgegne ich und wende mich ihr wieder zu.

"Da kann ich Ihnen bloß zustimmen. Richter ist ja nicht umsonst einer der bekanntesten Künstler unserer Zeit", lächelt sie und nimmt auf ihrem Stuhl Platz, während sie mit ihrer Hand auf den anderen deutet. Ich lasse mich ebenfalls sinken und lege meine Hände in meinen Schoß. Unbewusst beginne ich diese zu kneten.

Nervosität steigt in mir auf. Ich muss mich mit vermutlich allem aus meiner Vergangenheit auseinander setzen und dafür bin ich absolut nicht bereit.

"Bleiben Sie ganz entspannt und locker. Wir machen hier nichts schlimmes", lächelt sie mich beruhigend an. Die Frau ist Therapeutin. Natürlich entgeht es ihr nicht, wie ich mich fühle. Kurz nicke ich.

"Wollen Sie mir erzählen weshalb sie hier sind?"

Kurz zögere ich, ordne meine Gedanken etwas und versuche dieses ungute Gefühl in mir herunter zu schlucken.

"Ich war einige Jahre trocken. Doch momentan ist ziemlich viel los und ich habe letzte Woche wieder zur Flasche gegriffen. Zweimal, beim zweiten Mal bin ich im Krankenhaus aufgewacht. Mein Verlobter und ich haben zur Zeit einige Probleme und das hat das Ganze natürlich nicht besser gemacht. Ich bin Mutter, ich kann nicht mitten am Tag trinken und nicht in der Lage sein mich um mein Kind zu kümmern"

Es ist komisch all das einer wildfremden Frau zu erzählen. Mehr als komisch.

Sie nickt kurz, lächelt sanft und verschränkt ihre Hände auf dem Tisch.

"Frau Götze, sie verstehen, dass das nicht gut war und sind jetzt hier. Sie wollen was daran ändern und das ist bereits der erste Schritt in die richtige Richtung", lächelt sie sanft "Erzählen Sie mir doch etwas mehr über sich, ihr Leben, ihre Beziehung zu ihrem Verlobten"

Eine Stunde später verlasse ich diesen Raum wieder. Mein Kopf dröhnt und zu sagen, dass es mir gut ginge wäre eine Lüge. Die frische Luft bis zum Auto tut irgendwie gut, aber wirklich helfen tut sie auch nicht.

Es war anstrengend über das zu reden was passiert ist. Natürlich habe ich nicht alles erzählt. Zeitlich hätte das sowieso niemals gereicht, gerade nicht mit den Nachfragen. Diese Frau wollte wirklich jedes kleinste Detail wissen. Teilweise habe ich das Gefühl sie weiß mehr als manch einer aus meiner Familie, meinem Freundeskreis oder sogar Leon, aber das ist bloß Einbildung.

Als ich am Trainingsgelände ankomme ist es beinahe eine Erleichterung. Die Fahrt war furchtbar. Ich hätte am liebsten nach zwei Straßen gehalten und den Rest zu Fuß zurück gelegt. Mein Kopf ist überall bloß nicht hier. Vor meinem inneren Auge spielt sich immer wieder irgendetwas aus der Vergangenheit ab. Auch der Tag als ich so viel getrunken habe und Taro alleine zuhause war, lässt mich nicht mehr los. Das Dröhnen in meinem Kopf wird mit jeder Minute bloß noch schlimmer.

"Mads, geht es dir gut?", nehme ich die Stimme von Leon wahr und die Autotür öffnet sich. Ich hebe meinen Kopf von dem Lenkrad und sehe den Lockenkopf an. Meine Sicht ist verschwommen, ich habe nicht einmal mitbekommen, dass sich Tränen in meinen Augen gesammelt haben.

"Komm her", murmelt Leon. Er kniet halb neben dem Wagen und zieht mich sanft aus dem Auto raus. Auf dem Bein, dass er aufgestellt hat, setzt er mich ab und zieht mich dann in eine feste Umarmung. Ich vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge, lege meine Arme ebenfalls um ihn und langsam laufen Tränen aus meinen Augen.

"Es tut mir leid. Ich hätte bei dir sein sollen", murmelt er und hastig schüttel ich meinen Kopf. Er soll sich nicht die Schuld geben, denn Leon hat absolut nichts falsch gemacht. Einige Minuten hält er mich fest und ich weine leise gegen seine Haut. Wie viele Spieler uns sehen will ich überhaupt nicht wissen.

"Na komm, lass uns nach Hause fahren. Du solltest dich etwas hinlegen und schlafen", meint Leon sanft, drückt mit seiner Hand meinen Kopf sanft nach oben und lächelt mich aufmunternd an. Ich nicke zustimmend, wische meine Tränen weg und stehe wieder von seinem Bein auf. Bevor ich einsteigen kann, hält Leon mich an meinem Handgelenk zurück "Ich fahre schon, setz du dich auf den Beifahrersitz"

Kurz nicke ich, gehe um das Auto herum und setze mich hinein. Leon reicht mir eine Sonnenbrille aus dem Handschuhfach.

"Reporter sind da", meint er lediglich und ohne zu zögern setze ich die Brille auf meine Nase, um meine roten und vermutlich verquollenen Augen zu verdecken. Leon fährt los und tatsächlich stehen die Reporter mal wieder bereit und machen wie verrückt Fotos, als wir vom Gelände runter fahren. Zum Glück war ich früh genug da, sodass sie mich dort nicht bereits gesehen haben.

"Kann ich irgendetwas tun, damit du dich besser fühlst?", fragt Leon sanft und schaut zu mir herüber, als wir an der nächsten Ampel halten.

"Schon okay. Mir geht's gut", murmel ich und lehne meinen Kopf gegen die Fensterscheibe. Dieses Dröhnen ist immer noch da und es ist wirklich ziemlich lästig.

"Dir geht es nicht gut, dass sehe ich. Ich bin für dich da, Liebling", meint Leon sanft und legt seine Hand auf mein Bein, als wir weiter fahren. Sein Daumen fährt sanft immer wieder über den Stoff meiner Hose und ich genieße diese kleine Geste sehr.

"Ich werde zuhause einfach eine Tablette nehmen und mich etwas hinlegen", versuche ich ihn etwas zu beruhigen.

"Kopfschmerzen?", hakt der Lockenkopf nach und ich nicke bestätigend. Der Druck seiner Hand verstärkt sich etwas "Nach einem kleinen Schläfchen geht es dir mit Sicherheit besser"

Der restliche Weg nach Hause ist ruhig. Ich weiß, dass Leon mich nicht überfordern will und dafür bin ich ihm sehr dankbar. In unserer Einfahrt steige ich aus und gehe langsam zur Haustür herüber. Leons Mutter steht bereits dort, mit Taro auf dem Arm, und lächelt uns herzlich an.

"Wie war euer Tag?", erkundigt sie sich und Leon unterbricht sie, bevor noch eine weitere Frage kommen kann.

"Maddie fühlt sich nicht sonderlich gut. Ich bringe sie kurz nach oben ins Bett", meint er und ich sehe aus dem Augenwinkeln wie seine Mutter nickt und hinter uns die Tür schließt. Meine Schuhe stelle ich in die Ecke, Leon nimmt mir meine Jacke ab und geht dann mit nach oben. Seine Hand liegt dabei auf meinem unteren Rücken und er schiebt mich leicht.

Er bringt mir ein Glass Wasser und eine Tablette, während ich meine Sachen gegen deutlich gemütlichere wechsle.

"Hier", meint er sanft und hält mir die Tablette entgegen, als ich im Bett sitze. Schnell schlucke ich sie herunter und lege mich dann hin. Ich will gerade nichts mehr als schlafen und meinen Gedanken zu entkommen.

"Bleib so lange liegen wie du es brauchst. Ich bin unten, falls was sein sollte ruf einfach nach mir", murmelt Leon mit ruhiger Stimme und fährt mit seinen Fingern durch mein Haar. Ich nicke leicht und schließe die Augen. Je früher ich schlafe, desto besser. Leon setzt sanft einen Kuss auf meine Stirn und steht vom Bett auf.

Ich höre noch wie er den Raum verlässt und die Tür schließt, dann wird es still um mich herum.

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Roommates // Leon Goretzka FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt