2. Kapitel

2.8K 397 167
                                    

Flashback

„Es könnte sein, dass Mr Styles schläft", erklärt die Ärztin mir, als wir durch die Flure gehen. Ich nicke stoisch. Ich will nur zu ihm. Und solange er wirklich nur schläft, ist das absolut in Ordnung für mich. „Und seien Sie bitte nicht zu laut." – „Okay, werde ich nicht", stimme ich zu und sie bleibt vor einem der Patientenzimmer stehen. 

„Er steht unter starken Schmerzmitteln, wenn er etwas verwirrt sein sollte, wenn er aufwacht, machen sie sich keine Sorgen, das ist normal. Wenn etwas sein sollte, drücken Sie den Schwestern-Knopf." – „Wie lange wird er hierbleiben?", frage ich zögerlich mit einer Hand auf der kühlen Türklinke. „Mindestens die nächsten 48 Stunden", antwortet sie mir. „Dann entscheiden wir, ob er nach Hause entlassen werden kann, aber arbeiten kann er dann definitiv noch nicht." Ich nicke verstehend und atme tief ein und wieder aus. Mein Herz schlägt wie verrückt. Dann überwinde ich mich und drücke die Klinke nach unten. Ich habe Angst, was mich erwartet, aber das Verlangen, Harry zu sehen, überwiegt. Haushoch sogar.

Ich betrete mit leisen Schritten den abgedunkelten Raum. Harrys Bett steht in der Mitte des Raumes. Als erstes fällt mir der Verband in seinem Gesicht auf. Die Partie um sein linkes Auge ist dunkelblau bis lila gefärbt und sein Gesicht ist angeschwollen. Oh Scheiße. Ein Schauer erfasst meinen Körper und ich schlucke, bevor ich weiter in das Zimmer hineintrete. „Hi, Love", sage ich leise, aber er reagiert nicht. Ich nehme mir den Stuhl, der gegenüber an dem kleinen Tisch steht, trage ihn herüber zum Bett und setze mich neben ihn. Vorsichtig nehme ich seine Hand und küsse seinen Handrücken. Wieder treten mir Tränen in die Augen. Er sieht schlimm aus. Richtig schlimm.

„Scheiße...", murmle ich und schließe kurz die Augen. Verloren, ist wohl das Wort, dass meine Gefühlslage in diesem Moment am besten beschreibt. Ich streiche über seine Fingerknöchel und schniefe. „Weißt du, wir haben sogar gewonnen. Nicht, dass mich das gerade interessiert, aber vielleicht möchtest du es ja wissen", rede ich drauf los. „Und das ganze Team steht unten. Alle sind mit zum Krankenhaus gekommen", erzähle ich weiter. „Weißt du, was verrückt ist? Wir sind offenbar verlobt." Ich lache leise und schließe einen Moment lang die Augen. „Dabei hast du noch überhaupt keinen Ring."

Dass ich ein paar Mal hintereinander schnell blinzle, hilft nur bedingt, meine Augen wieder trockener werden zu lassen. „Die Ärztin wollte uns nicht zu dir lassen. Du weißt schon, wegen dieser Vorschrift, dass nur Angehörige zu den Patienten dürfen und so. Und dann habe ich etwas total Verrücktes getan. Aber eigentlich ist es gar nicht so verrückt. Ich habe ihr gesagt, dass ich dein Verlobter bin. Ich glaube, sie war etwas überrascht. Coach Warren wollte es nicht glauben. Ich denke, er dachte kurz, dass ich auch etwas abbekommen habe." Einen kurzen Moment schweige ich, bis ich weiterspreche. „Aber dann hat Kenny es bestätigt. Und Zayn und Ian... und auch Drew. Sie alle haben für uns gelogen. Sie alle haben, ohne zu zögern behauptet, dass sie wüssten, dass wir verlobt sind." Sie stehen hinter uns. Voll und ganz.

Ich sehe auf die grauen Vorhänge, die die Außenwelt aus diesem Zimmer fernhalten. Alle vier haben ohne Wenn und Aber gelogen, für uns.

„Du hast dich geoutet?"

Augenblicklich sehe ich wieder zu Harry. Meine Augen werden groß, als ich sehe, wie er ein paar Mal blinzelt. „Oh fuck...", murmelt er mit vor Schmerz verzogenem Gesicht. „Hey...", sage ich leise und lächle. „Aua", antwortet er leise und völlig fertig. „So siehst du auch aus", antworte ich ihm, glücklich darüber, dass er wach ist. „Was ist passiert?", möchte er mit rauer, kratziger Stimme von mir wissen. „Du hast einen Slapshot abbekommen, weißt du noch? Kurz vor Ende des Spiels. Dein Jochbein ist gebrochen und du hast eine Gehirnerschütterung." – „Mhm... nein, keine Ahnung." Er sieht nachdenklich geradeaus. „Hast du gerade erzählt, dass wir verlobt sind?" Ich lache leise und nicke. „Ja, allerdings. Anders hätte ich nicht zu dir gekonnt." – „Und das haben sie dir abgekauft?" – „So weit hergeholt ist es nicht", erwidere ich und drücke erneut einen Kuss auf seinen Handrücken.

„Und... das Team?", fragt er erschöpft weiter. „Du... du hast es ihnen auch gesagt?" – „Sie wissen es alle", nicke ich. „Du Vollidiot", brummt Harry mit geschlossenen Augen. Perplex sehe ich ihn an. „Vollidiot?" – „Du wirst nie wieder spielen können", erinnert er mich. „Ich konnte dich nicht alleine lassen." Erst jetzt sehe ich, dass ein sanftes Lächeln seine Lippen umspielt. „Du hast dich tatsächlich für mich entschieden." – „Das würde ich immer tun. Ich bereue es nicht, falls dir das Sorgen macht." Er nickt leicht. „Alles wird gut, Lou." – „Ich weiß." Er ist schon wieder eingeschlafen, als ich antworte.

Ich bleibe bei Harry, bis irgendwann mein Handy vibriert. Es ist Drew. Ich küsse Harrys Fingerknöchel und verlasse leise den Raum. Er soll nicht aufwachen. Ich war jetzt gut eine Stunde bei ihm, ich werde wahrscheinlich gleich wiederkommen. Im Foyer sitzt nach wie vor (zu meiner Überraschung) das ganze Team und wartet. „Da bist du ja endlich", höre ich Drew sagen. „Wie geht es ihm?" Ian ist aufgestanden und kommt auf mich zu. „Er hat Schmerzen und schläft jetzt wieder, aber die Ärztin hat gesagt, dass er wieder gesund wird", fasse ich zusammen. „Aber bis dahin braucht er Ruhe."

Plötzlich wird es ruhiger. Die Jungs sind aufgestanden und nach und nach bildet sich um mich ein Halbkreis aus Eishockeyspielern. Meine Kehle wird trocken und ich fühle mich, als würde ich vor Gericht stehen. Ich bereue nicht, was ich getan habe, auf gar keinen Fall, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich mir keine Sorgen mache, was jetzt kommen mag. Kenny stellt sich zu mir und haut mir freundschaftlich auf die Schulter. Du packst das, sagt sein Blick stumm und ich richte meine Augen zu meinem Team. Ist es noch mein Team? Coach Warren steht an der Seite und hat die Arme vor der Brust verschränkt. Ich wage nicht, etwas zu sagen.

„Bist du eine Schwu- bist du schwul?", fragt Duckie schließlich. Bist du eine Schwuchtel? Das ist es doch, was er eigentlich fragen wollte. „Das ist doch offensichtlich", antwortet Gibson für mich und sieht mich mit abfälligem Blick an. „Dass niemandem früher aufgefallen ist, dass Louis 'ne Tunte ist." Mir war klar, dass es passieren wird, dass ich genau diese Sätze an den Kopf geknallt bekomme, und doch tut es weh. Ich befeuchte meine trockenen, eingerissenen Lippen und überlege, was ich antworten könnte. Nach all der Zeit sollte es mir nichts mehr ausmachen, so genannt zu werden. Ich kenne es von meinem Team, ich habe nicht einmal auf etwas anderes gehofft und doch fühlt es sich an, als würden sie mit Messern auf mich einstechen.

„Ja, ich bin schwul", spreche ich schließlich aus. Obwohl es alle schon wissen, ist es trotzdem, als würde eine Bombe platzen. Eine Bombe, die seit über zehn Jahren scharf gestellt ist und die alles zu zerbersten gedroht hat. Genau das ist passiert. Alles ist zerstört. Jetzt ist es vorbei. „Styles hat ihn umgedreht", höre ich jemanden murmeln. „Harry hat mich nicht umgedreht", antworte ich sofort mit erstaunlich starker Stimme. „Ich war schon immer schwul. Wenn ihr es genau wissen wollt, weiß ich es seit zehn Jahren. Das bedeutet übrigens auch, dass ich es schon wusste, als ich Teil der NHL wurde", stelle ich klar. „Scheiße", höre ich Kenny leise sagen. „Mir ist inzwischen egal, was ihr denkt", spreche ich meine Gedanken aus und auch, wenn es mir das Herz zerreißt, fühlt es sich wie ein Befreiungsschlag an.

„Louis, schau mal bitte." Kenny hält mir sein Handy unter die Nase. Es ist Twitter. Er hat ein Video geöffnet. Es wurde gefilmt, wie ich bei Harry knie, wie ich weine und seine Hand küsse.

„No way! Tampa-Bay-Lightning-Spieler Louis Tomlinson ist schwul?!"  

-- -- -- -- --

Ein Flashback. Dachtet ihr, ihr erfahrt nicht, was direkt nach dem Epilog in Teil 2 passiert ist? Nein, so gemein bin ich dann doch nicht :D

Love, L

Lightning's HattrickUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum