86. Kapitel

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„Na, aufgeregt?"

Ich verdrehe die Augen und sehe Harry durch den Spiegel aus an. Er seufzt und kommt auf mich zu. „Dreh dich mal zu mir", bittet er mich. Dann richtet er erst mein Hemd und dann meine Krawatte. Ich ziehe daran, der Kragen ist mit zu eng. Mein Mann greift nach meiner Hand und schiebt seine Finger dazwischen. Mit der anderen greift er wieder nach meiner Krawatte. „Du gewöhnst dich dran." – „Tu nicht so, als hätte ich noch nie einen Anzug getragen." – „Selten", antwortet er mir lediglich und legt seine Hände an meine Hüfte. Vorsichtig dreht er mich wieder zum Spiegel. „Du siehst ziemlich gut aus", sagt er leise und legt sein Kinn auf meine Schulter ab. Unzufrieden sehe ich mich an. „Mhm." – „Ich weiß, du hättest es lieber anders." Allerdings.

„In zwanzig Minuten müssen wir los", bemerkt Harry. „Schon?", frage ich verwundert. „Ja, oder willst du erst zu Spielbeginn dort auftauchen?" Sofort schüttle ich den Kopf. Harry drückt einen Kuss auf meinen Hals. Ich grinse glücklich. Sofort küsst er mich noch einmal. Fuck, ich benehme mich wirklich wie ein verliebter Teenager.

„Komm mit", sage ich dann und verlasse das Ankleidezimmer. Verwundert fragt er: „Was? Wohin gehst du?" – „Komm einfach mit", rufe ich laut zurück und gehe die Treppe herunter. Ich höre seine Schritte, er folgt mir. „Wohin willst du?", will er wissen, als ich eine weitere Etage nach unten gehe. „In den Fitnessraum", antworte ich lediglich und öffne die Tür. „Wieso –" Er bringt ab. Ich drehe mich zu ihm und mustere meinen Mann. Perplex sieht er in den Raum, blickt umher und man sieht förmlich, wie die Räder in seinem Kopf sich drehen. „Yogamatten? Und Klamotten? Und Korkklötze und Rollen?" Ich nicke. „Ja. Ich wusste nicht mehr, was du alles hattest, also habe ich eine Grundausstattung geholt", antworte ich ihm. Er betritt den Raum mit kleinen Schritten. „Du... so viel hatte ich gar nicht." – „Oh nein, dann tausch es um", entgegne ich trocken und sarkastisch. Er dreht sich zu mir. „Du..." – „Ja, komm mit in die Küche", bestätige ich. Er lässt mir den Vortritt. Die Küchenmaschine steht wie früher neben dem Kühlschrank auf der Arbeitsplatte. Vorhin hat er sie nicht bemerkt, aber jetzt haftet sein Blick augenblicklich daran.

„Es ist nicht das Modell, das du damals hattest. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, welches das war, deswegen habe ich dir einfach das Beste geholt, was es gab", erkläre ich knapp. „Du bist irre." – „Bin ich nicht", streite ich ab und gehe zu ihm. „Als du mir vor ein paar Tagen gesagt hast, dass du ab nächster Saison fest bei Lighning eingestellt bist, konnte ich nicht anders. Verdammt, du hast TAA verlassen und bleibst hier, was denkst du, hätte ich tun sollen?“ – „Liebling." – „Freust du dich?" Sofort nickt er und zieht mich zu sich heran. „Danke. Du hättest das nicht tun müssen." – „Ich hab deine Sachen schließlich weggegeben", entgegne ich und drücke seine Hand. „Eine Sache habe ich noch für dich." – „Noch was?", fragt er überrascht. Ein irritierter und unschlüssige Ausdruck machst sich auf seinem Gesicht breit. Er hat keinen blassen Schimmer, was es noch sein könnte.

Ich führe ihn ins Arbeitszimmer. „Ein neuer Schreibtisch", versteht er. „Nicht ganz." Verwundert sieht er mich an. Dann scheint es ihm zu dämmern. „Aber du hast ihn weggegeben. Du meintest doch..." Ich zucke mit den Schultern. „Ich habe ihn an den Sportverein gegeben. Ich war doch letztens da, da habe ich abgeklärt, dass du ihn wiederbekommst", erzähle ich. „An alles andere komme ich nicht mehr dran, aber das konnte ich organisieren."

Er küsst mich. Er küsst mich innig und liebevoll und leidenschaftlich. Mir knicken fast die Beine weg. „Danke, Schatz. Ich liebe dich. Das ist toll", flüstert er zwischen nicht aufhören wollenden Küssen. Dann fängt er meinen Blick. „Heißt das... uhm... also weil der Schreibtisch ja hier steht und nicht...", stottert er vor sich und sucht fieberhaft nach den richtigen Worten. „Wie lange ist das Hotelzimmer noch gebucht?", frage ich ihn hingegen nur. „Zwei Wochen." – „So lange noch?", frage ich schockiert. Er fängt an zu grinsen. „Das heißt aber nicht, dass ich so lange dort bleiben muss." – „Das wollte ich hören", antworte ich zufrieden und mein Herz flattert vor Glück. Ich gehe zu meinem Schreibtisch und öffne die obere Schublade. Es ist Harrys Schlüssel. Es ist das letzte Teil, was er noch nicht wiederbekommen hat.

Er schnieft und beißt sich auf die Unterlippe, als er sieht, was ich dort heraushole. „Sicher?" – „Soll ich ihn wieder weglegen?" – „Scheiße, nein!", flucht er. Und dann küsst er mich wieder. Und wieder. Fuck, ich liebe diesen Mann so sehr. Er nimmt den Schlüssel aus meiner offenen Hand und befestigt ihn an seinem Schlüssel.

„Da seid ihr ja endlich." – „Wir sind nur fünf Minuten zu spät", antworte ich Kenny und verdrehe die Augen. Meine Teamkollegen sind schon fertig umgezogen, aber noch in der Kabine. Harry und ich sind gerade eingetreten. Ich lege einen Arm locker um seine Hüfte und ziehe ihn an mich heran. „Wie geht es deinem Bein?", fragt Drew. „O'Donnell sagt, dass es gut verheilt, aber ich könnte frühstens in zwei Wochen mit dem Training starten." Da ist allerdings Sommerpause. „Da seid ihr in New York, oder?", erinnert Ian sich. Harry nickt. „Ja, es wird schließlich wirklich Zeit, dass Louis den Rest meiner Familie kennenlernt." Allerdings, da hat er recht.

Drew ergreift das Wort. „Also Jungs, heute könnte das letzte Spiel sein, das brauche ich euch wohl nicht zu sagen. Es steht 3:2 für uns gegen die Red Wings. Wenn wir das Spiel heute gewinnen, gehört die letzte Runde des Cups uns. Das wäre Lightnings Hattrick." Ich reiße mich zusammen, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich es hasse, gerade einen Anzug und keine Ausrüstung tragen zu müssen. Harry drückt einen Kuss auf meine Schläfe. Er weiß genau, was mir gerade durch den Kopf geht.

Schon beim Warm-Up mag ich es kein bisschen, hinter der Bank zu sehen und zuzusehen, aber beim Spiel ist es noch schlimmer. Ich feuere mein Team an, freue mich für sie und rege mich darüber auf, wenn die Red Wings den Puck haben, aber ich kann nicht über die Bande auf die andere Seite, nicht aufs Eis. „Fuck", murmle ich immer wieder. Wir sind im dritten Drittel und es steht 3:3. Schlimmer könnte es kaum sein.

„Ich finde ja, Ian sollte ein Tor schießen", höre ich plötzlich Mia sagen. Sie steht neben mir hinter der Bank und schaut kritisch aufs Feld. Ich schmunzle und nicke. „Sag ihm das gleich." – „Mache ich", antwortet sie entschlossen und sieht zu ihrem Dad. Drew beäugt das Spiel. Er ist angespannt, aber noch zuversichtlich.

Zayn lässt sich auf die Bank fallen. „Scheiße, die sind echt gut", murmelt er. „Ihr bekommt das hin", antworte ich sofort. Er nickt. „Du solltest mit uns spielen." – „Ich weiß", antworte ich nur. „Markus macht sich gut." – „Er ist gut", korrigiert Zayn. „Fast besser als Liam", fügt er hinzu. „Es ist immer noch komisch ihn hier nicht zu sehen." Der Verteidiger schweigt. Wir haben nur kurz darüber gesprochen, was zwischen den beiden passiert ist. Er wollte nicht näher drauf eingehen. Ich finde das okay. Ich weiß genau, dass nun viel mehr, von dem, was passiert ist, Sinn ergibt.

„Ian!" Mein Teamkollege dreht sich um und sieht zu Mia. „Was kann ich für dich tun?" – „Endlich ein Tor schießen!", fordert sie entschlossen. „Was denkst du, was ich die ganze Zeit versuche." – „Versuch es besser." Ich grinse und schüttle den Kopf. Je älter sie wird, desto schlagfertiger wird sie. Drew wird richtig Spaß kriegen, wenn sie ein Teenie wird.

Plötzlich geht alles ganz schnell. Kenny sprintet nach vorne, gibt ab und es wird augenblicklich lauter. Immer wieder sieht es so aus, als würde ein Spieler meines Teams zum Torschuss ansetzen, aber es geschieht nicht. Harry filmt es. Ich klammere mich an die Kante der Rückenlehne der Bank. „Los! Kommt schon!", ruft Mia immer wieder.

Fuck.

Ich begreife es im ersten Moment nicht, das war in den letzten beiden Jahren schon so. Tor. Wir führen. Es sind noch fünf Minuten, bis das Spiel endet. Im Eishockey kann alles passieren, man darf sich nicht zu früh freuen, aber ich kann nicht verhindern, dass ich breit grinse. Ab diesem Moment wechselt mein Blick zwischen Spielfeld und Uhr. Es dauert eine Ewigkeit. Eine verdammte Ewigkeit. Die Sekunden wollen nicht vergehen. Es bleibt laut im Stadion, es bleibt hitzig, schnell und dann nehmen die Red Wings auch noch ihren Torwart raus, um mit sechs Feldspielern anzugreifen.

Sie rasen auf unser Tor zu, durchbrechen die Verteidigung und... Markus schießt. Er fängt den Puck nicht, er bremst ihn nur für einen kurzen Moment und schießt ihn quer durch die Halle. Fast wird es Icing, aber die Scheibe kommt früh genug wieder aufs Eis zurück. Niemand ist schnell genug. Fuck, unser Goalie schießt uns im Finale zum 5:3.

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