3. Kapitel

2.7K 387 119
                                    

Ich drehe mich um und gehe wieder in die Küche. Ich sollte dringend einen Arzt aufsuchen. Optische Halluzinationen? Das ist definitiv nicht normal. Ich schüttle den Kopf und nehme mir ein Glas Wasser. Mein Herz klopft wie verrückt und mir ist eiskalt, während ich gleichzeitig schwitze. Meine Gedanken überschlagen sich so schnell, dass ich sie kaum zu fassen bekomme. Nein, das habe ich mir eingebildet. Oder es war doch nur Neo. Ich atme tief durch und gehe zurück zu der Glastür. „Ich dachte, du bist schon beim Flughafen?", frage ich schnell, bevor mir mein Gehirn wieder vorspielen kann, dass – oh Gott.

Er dreht sich zu mir um und sieht mich direkt an. „Louis." Mir wird schwummerig. Die Ränder meines Sichtfelds verschwimmen und ich halte mich an der Tür fest, um nicht zu taumeln. „Harry.", antworte ich leiser mit schwacher Stimme und mir rutscht das Wasserglas aus den zittrigen Fingern. Es zerschellt auf dem Boden. Er sieht mich einen Moment nur an und es bringt meinen Verstand vollkommen durcheinander. Er kommt einige Schritte auf mich zu und ich weiche instinktiv zurück. Daraufhin bleibt er stehen. „Pass auf die Scherben auf!", warnt er, aber da ist es schon zu spät. Ich spüre, wie sich die spitzen Glasstücke in meine Fußsohle bohren, doch das ist nichts, im Gegensatz zu dem Gefühl, das sich gerade in meiner Brust ausbreitet.

„Du... was machst du hier?", möchte ich wissen. Meine Atmung ist flach und hektisch. „Ich bin vorhin in Tampa angekommen und ..." – „Was macht du hier?", wiederhole ich meine Frage. Er leckt sich über die Lippen und streicht sich die kurzen Locken zurück. Er hat sie geschnitten. Natürlich hat er das. Es sind fast zwei Jahre vergangen! „Das... uhm..." Er sucht nach Worten, aber stattdessen zieht er kurz danach nur einen Schlüssel aus der Hosentasche. Ich schlucke. Ich war mir so sicher, dass er den Schlüssel nicht mehr hat. Wieso hätte er ihn behalten sollen? Die letzten Monate war ich davon überzeugt, dass er ihn einfach entsorgt hat. Langsam macht er einige Schritte nach vorne, bis er durch die Tür ins Innere des Hauses tritt. Ich gehe rückwärts und bemerke dabei nicht, dass ich blutige Fußabdrücke auf dem Boden hinterlasse.

„Du solltest dich setzen, Louis." Seine Stimme zu hören, zerschneidet meinen Körper in viele kleine Einzelteile. Ich schüttle den Kopf. Ich spüre kaum noch, was die Scherben mit meinen Füßen anrichten. Der dumpfe Schmerz in meinem Brustkorb hat meinen ganten Körper eingenommen und hüllt mich wie in Watte ein. Schmerzende, stechende, brennende Watte. Harry sieht sich um. „Es hat sich kaum etwas verändert." Ich antworte nicht. „Und du hast den Garten gepflegt. Der Olivenbaum ist gewachsen.", stellt er fest.

„Was machst du hier?" Er zögert und sieht sich weiter um, anstatt mich anzusehen. Noch immer kann ich nicht glauben, was hier gerade geschieht. Das passiert doch nicht wirklich, oder? Nein, das ist sicherlich wieder einer dieser Träume. Einer dieser Träume, von denen ich dachte, dass ich sie endlich nicht mehr habe. Seit sechs Wochen schon hatte ich keinen mehr. Am Anfang hatte ich sie jede Nacht. Mehrfach. Nicht direkt, als Harry weg war, aber nachdem ich langsam realisiert habe, dass er so schnell nicht wiederkommen wird. Ich schüttle den Kopf. Ich sollte dringend aufwachen. Alles andere tut mir nur wieder weh. Mein Herzschlag beruhigt sich wieder. Ich werde gleich wach werden und wie immer wird seine Bettseite leer und kalt sein.

„Ich... ich wusste nicht recht, wann du kommst. Ich dachte, ich wäre vor Ende deines Trainings wieder weg, aber..." – „Hör auf.", fahre ich dazwischen. Traum, alles nur ein Traum. Wunschdenken, mehr nicht. „Es ist okay für dich?", fragt er verwundert, aber ich erkenne, dass er überrascht lächelt. „Gleich bist du sowieso wieder weg." – „Was – wieso sollte ich gleich weg sein?" – „Gleich wache ich auf und du bist wieder weg. So wie immer.", antworte ich ihm. Wieso erkläre ich es ihm überhaupt? Beim nächsten Mal weiß er es doch sowieso nicht mehr. Neuer Traum, neues Szenario. „Du wachst auf?" – „Mal bist du plötzlich wieder bei einem Spiel, ich wache neben dir auf oder ich komme nach dem Training nach Hause zurück zu dir. So wie jetzt.", antworte ich schulterzuckend. „Und dann wache ich auf und bin alleine." Er blinzelt ein paar mal. „Du denkst, du träumst das hier?"

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now