11. Kapitel

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Wir verlieren das Spiel in der Verlängerung. Verdammte Scheiße. Genervt lasse ich mich in der Kabine auf die Bank fallen. Die Stimmung ist mies. Aber wie sollte sie das auch nicht sein? Ich seufze leise und ziehe meine Schlittschuhe aus. Drew kommt in die Kabine. „Sag es nicht.", brummt Liam. Er hat heute ein Tor zugelassen, dass er definitiv hätte verhindern können. „Gut, dann sag ich es nicht.", antwortet Drew und verschränkt die Arme vor der Brust. „Geht duschen, ihr stinkt. Gleich geht es direkt zum Flieger nach Tampa. Die Spielbesprechung machen wir morgen früh.", legt er fest.

Mit noch nassen Haaren steigen wir in den Bus zum Flughafen. Harry steigt als einer der letzten ein. Ich stelle kurzerhand meinen Rucksack auf den Platz neben mich, als er stehenbleibt. Einen Moment lang sieht er mich an. „Was ist? Willst du mir sagen, wie gut ich heute gespielt habe?", frage ich ihn trocken. Er möchte antworten, aber ich schüttle den Kopf. „Mir ist deine Meinung nicht wichtig.", stelle ich sofort klar und er schließt seinen Mund wieder, ehe er kurz nickt. Dann geht er zum Glück weiter, ohne noch etwas zu sagen.

Ian steht hinter ihm und ich nehme meinen Rucksack wieder vom Sitz. „Er sollte es langsam wirklich gut sein lassen.", merkt er an. Ich zucke mit den Schultern. „Bald ist es vorbei.", antworte ich nur und sehe aus dem Fenster nach draußen.

Im Flieger schlafe ich zum Glück die ganze Zeit. Irgendwann gewöhnt man sich daran, im Flugzeug zu schlafen. Es ist nicht unbedingt bequem, aber es ist besser, als völlig übermüdet zu trainieren oder an Besprechungen teilzunehmen. Aber auch diese endet irgendwann und nachmittags betrete ich endlich wieder mein Zuhause. Harrys Schlüssel wiegt schwer in meiner Tasche, die ich achtlos im Wohnzimmer liegen lasse. Mein Weg führt wie so oft als erstes in den Garten. Die Pflanzen sehen gut aus, aber sie brauchen Wasser. Entweder ich kümmere mich um den Garten oder Neo macht es, wenn ich auswärts zu einem Spiel unterwegs bin. Und wenn er auch nicht da ist, verdient sich die Tochter einer Bewohnerin, die die Straße runter wohnt, ein bisschen extra Taschengeld. Der Olivenbaum ist wie immer als erstes dran, als ich den Gartenschlauch aufdrehe. Unwillkürlich muss ich daran denken, wie Harry vor ihm stand.

Was soll's? Das wird nie wieder passieren. Es ist irrelevant. Trotzdem will das Bild nicht vor meinem inneren Auge verschwinden. Dagegen anzukämpfen, bringt gerade nichts, also kümmere ich mich weiter um meinen Garten und verschwinde dann wieder ins Innere des Hauses. Neo kommt in ein paar Tagen wieder her, bis dahin ist es still. Ich nehme mir ein Bier, bestelle mir Abendessen und setze mich mit meinem Laptop auf das Sofa. Meine Finger schweben über den Buchstaben, aber ich kann mich nicht überwinden, die Tasten wirklich zu drücken.

„Fuck!", fluche ich laute und stehe wieder auf. Einige Schritte gehe ich hin und her und sehe den Bildschirm des Laptops nicht an. Es kann doch nicht so schwierig sein, ein paar Wörter einzutippen! Ich schnaube und schüttle den Kopf. Reiß dich zusammen, Tomlinson! Ich trinke mein Bier aus und hole mir eine neue Flasche. Ich muss daran denken, den Kühlschrank nachher wieder aufzufüllen. Gerade, als ich mich wieder setzen möchte, klingelt es an der Tür. Ich verdrehe die Augen, gehe aber hin. Wie gedacht, ist es der Lieferant mit meinem Abendessen. Ich bedanke mich und bemerke dann, dass ein kleines Packet hinter einem der beiden großen Blumenkübel liegt, die links und rechts neben dem Eingang stehen. Ich nehme es mit rein und öffne es.

Ich hätte mir wirklich vorher denken können, was es ist. Aber nein, ich habe es verdrängt, bis ich es zwischen den Fingern halte. Ich lehne mich zurück und sehe auf den Ring in meinen Händen. Ich drehe ihn und her. Er sieht gut aus. Ich blicke auf den Ring, den ich bereits trage und halte den neuen Ring davor. Ein Gefühl der Übelkeit macht sich in mir breit und ein Schauer rollt über meinen Rücken. Minutenlang sehe ich die beiden Ringe an. Wie kann es sein, dass sich mein Körper nach wie vor sträubt, den Ring abzunehmen? Er ist doch nicht festgewachsen! Ich drehe ihn um meinen Finger und spüre, wie er sich in meine Haut brennt. Ob der andere das wohl auch tun wird? Ein Versuch ist es doch wert, oder nicht? Ich atme tief durch und bevor ich weiter zögern kann, ziehe ich den Ehering von meinem Finger. Sofort fühle ich mich nackt, entblößt und wehrlos. Es ist schrecklich. Ich will ihn zurück.

Ich lege ich vorsichtig auf den Tisch vor mir und alles in mir schreit daran, sich dieses Stück Metall sofort wieder zurückzuholen. Stattdessen schiebe ich den neuen Ring über meinen Finger. Er passt ganz gut und er sieht nicht schlecht aus. Es dämmt das Gefühl ein wenig und ich schließe die Augen. Ich spüre den Unterschied. Es fühlt sich anders an. Ich schaue auf den neuen Ring. Ich kenne das Gefühl, dass in diesem Moment meinen Körper einnimmt nur zu gut. Aber ich weiß, dass es ungerechtfertigt ist.

 Theoretisch jedenfalls. Ich betrüge meinen Mann nicht. Zum einen ist es lediglich Metall, um dass es gerade geht, zum anderen habe ich keinen Ehemann mehr. Ich schüttle den Kopf und nehme mir meine Flasche Bier. Ich werde mich an den neuen Ring gewöhnen. Es wurde höchste Zeit, dass ich ihn abnehme. Bevor ich mich anders entscheiden kann, schnappe ich mir meinen Ehering und gehe ins Arbeitszimmer. Harrys Schreibtisch habe ich in einer Nacht und Nebelaktion mit Neo entsorgt, nur noch meiner steht hier und er steht wieder an seinem alten Platz in der Mitte. Ich öffne die untere Schublade und lasse den Ring hineinfallen. Vielleicht verkaufe ich ihn und gehe das Geld an das Sportcenter. Zumindest würde das Geld dort etwas bewirken und der Ring schlussendlich doch noch für etwas gut sein.

Zufrieden mit dieser Idee kehre ich ins Wohnzimmer zurück und setze mich erneut vor den Laptop. Bis ich aufgegessen habe, tippe ich keinen einzigen Buchstaben in das Suchfeld. Den leeren Teller lasse ich achtlos an der Seite stehen. Dann schweben meiner Finger wieder über den Buchstaben. Ich atme tief durch, dann tippe ich. Ich muss da durch. Es wird anders niemals besser werden.

Scheidungsanwalt Tampa

Sofort werden mir dutzende Suchergebnisse angezeigt. Noch sind die Kanzleien geöffnet und bevor ich einen Rückzieher machen kann, nehme ich mir mein Handy und tippe die Nummer ab, die auf der Website angezeigt wird, die ich nun auf dem Bildschirm angezeigt bekomme.

„Guten Tag, Kanzlei Anderson & Partner, mein Name ist Miss Garcia, wie kann ich Ihnen helfen?", höre ich kurz danach eine freundliche Stimme. „Hallo, ich heiße Mr Tomlinson und brauche einen Scheidungsanwalt." – „Sind Sie bereits bei uns Klient Mr Tomlinson?" – „Nein, noch nicht.", antworte ich und mein Bein zuckt nervös. „Okay, ich kann ihnen gerne ein Termin für ein Erstgespräch anbieten." – „Klingt gut.", erwidere ich und öffne parallel auf dem Laptop meinen Kalender.

„In zwei Wochen hat unsere Anwältin Ms Moore einen Termin frei. Können sie an dem Montag morgens um 8 hier sein?" Der Montag in zwei Wochen... ein Trainingstag, aber dann werde ich eben ein wenig später da sein müssen. „Ja, das geht.", antworte ich und tippe mit den Termin ein.

Es ist beschlossene Sache. Ich habe einen Termin bei einer Scheidungsanwältin. Ich starre auf den Termin in meinem Kalender und kann nicht verhindern, dass meine Sicht verschwimmt. Scheidung. Ich hasse es so sehr. Ich will mich nicht von Harry Scheiden lassen, aber ich weiß, dass der Harry, den ich viel zu oft in letzter Zeit sehe, nicht mehr mein Harry ist. Der Mann, der nun unsere PR-Abteilung unterstützt, ist nicht mein Ehemann. Ich kenne ihn kaum, nicht besser als jeder andere Spieler im Team. Ihm trauere ich nicht hinterher. Ich trauere meinem Mann hinterher, der mich vor knapp einem Jahr und zehn Monaten ohne irgendeinen Kommentar verlassen hat und verschwunden ist. Dieser Mann ist nie zurückgekehrt und wird wohl für immer verschollen sein.

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Louis hat also bald eine Anwältin... was haltet ihr davon? 

Love, L

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now