8. Kapitel

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Flashback

„Willkommen Zuhause. „Ich trete zur Seite und lasse Harry durch die geöffnete Tür gehen. Wir sind heute Mittag aus New York zurückgekehrt. Ich nehme unsere Reisetaschen und lasse sie im Wohnzimmer fallen. Darum kümmere ich mich später. Harry trägt wegen des Bruchs nun eine Maske, die ein wenig so aussieht wie die, die Superhelden, wie Batman oder Arrow über den Augen haben. „Möchtest du dich hinlegen?", frage ich ihn, aber er schüttelt den Kopf. Fast sofort merkt er, dass das eine dumme Idee war. „Können wir auf die Terrasse?" – „Sicher", nicke ich und öffne die Terrassentür. Schnell hole ich aus der Garage die beiden Liegen und die Auflagen dazu, um sie in den Schatten zu stellen. Harry schleppt sich durchs Wohnzimmer und setzt sich. Ohne, dass er fragt, gehe ich zurück in die Küche, hole ihm eine Kleinigkeit zu Essen, Wasser und einen Eimer. Abgesehen von dem Schwindel und der Müdigkeit, verursacht die Gehirnerschütterung auch, dass ihm immer wieder schlecht wird.

Er schließt die Augen und wird ruhiger. Dann sieht er doch noch mal in den Garten und lächelt. Er blickt zum Olivenbaum, dem es prächtig geht. „Wie geht es dir, Love?", frage ich mit ruhiger Stimme und setze mich auf die andere Liege. „Kopfschmerzen", murmelt er. „Und mein Auge tut wieder weh, aber noch mehr Schmerzmittel darf ich nicht nehmen?" – „Und Schokolade?" Er schmunzelt, hält die Augen aber geschlossen. Ich breche ein Stück von der Tafel ab, die ich mit aus der Küche gebracht habe. „Mund auf." Er seufzt, als ich ihm das Stück zwischen die Lippen schiebe. Ich selbst nehme mir auch eins und betrachte meinen Freund.

Es ist drei Tage her, seitdem er beim Spiel von dem Puck getroffen worden ist. Die Maske wird er noch einige Zeit tragen müssen. In vier Wochen darf er wieder arbeiten, wenn alles so verheilt, wie es soll. Ich weiß jetzt schon, dass er in dieser Zeit trotzdem von hier aus seinem Job nachkommen wird. Spätestens nächste Woche wird er nach dem Frühstück im Arbeitszimmer sitzen. Ich breche noch ein Stück Schokolade ab. Harry kaut genüsslich und lächelt.

Plötzlich klingelt sein Handy. „Ich gehe schon", sage ich schnell und laufe wieder ins Haus. Es liegt auf dem Küchentisch. Videoanruf: Gemma.

„Hi, Gemma", begrüße ich sie. Kurz ist sie überrascht, lächelt dann aber. „Hi, Louis. Na, wie sehr ist mein Bruder zum Pflegefall mutiert?" – „Ich füttere ihn gerade auf der Terrasse mit Schokolade"", antworte ich amüsiert. „Dann scheint es ihm ja besser zu gehen", antwortet sie. Harrys Schwester und seine Mutter sind beide am gleichen Abend noch ins Krankenhaus gekommen. Sie haben das Spiel nicht geschaut, aber Drew hat ihnen Bescheid gesagt, als ich bei Harry war. Sie haben das Video inzwischen gesehen, es geht seit Tagen um die Welt. Nur Harry hat es sich nach wie vor nicht angeschaut, nicht dass er es nicht gewollt hat, aber bisher konnte ich es erfolgreich verhindern. Offiziell habe ich ein paar Tage frei bekommen, aber jeder weiß, dass der Vorstand diese Zeit braucht, um sich zu beraten, was nun geschehen wird. Mit Harry habe ich nicht noch einmal darüber gesprochen. Er nimmt einfach hin, dass gerade keine Spiele sind. Zumindest bekommt er von diesen nichts mit.

„Love, deine Schwester ist am Telefon." Er streckt einen Arm aus und ich reiche ihm das Handy. „Hi, Gem." Er öffnet die Augen ein Stück und nimmt sich einen Keks. „Hallo Batman." Ich sag ja, er sieht mit der Maske so aus. „Wie geht es einem Kopf?" – „Wird besser", antwortet er und nimmt sich noch einen Keks. „Aber noch tut es weh." – „Mhm... so sieht es auch noch aus. Sehr grün, dein Auge", stellt sie fest. „Was, echt?", fragt Harry trocken und ich höre Gemma lachen. „Ich gehe mal unsere Sache auspacken", sage ich Harry kurz Bescheid und verziehe mich ins Haus. Das Hemd, dass er beim Spiel anhatte, habe ich noch im Krankenhaus entsorgt. Es war voller Blut. Als wenig später die Waschmaschine läuft, gehe ich zurück nach draußen. Harry telefoniert noch mit Gemma.

„Ich habe uns was beim Italiener bestellt", meint er dann zu mir, als ich mich gesetzt habe. „Ich könnte –" – „Nein, kannst du nicht", unterbricht er mich sofort. „Du kannst nicht kochen, Louis und ich schaffe es noch nicht, so lange am Herd zu stehen." Ich verdrehe die Augen. Er trinkt einen Schluck Wasser und verzieht dabei kaum merklich das Gesicht. Oh Shit. „Jungs, ich muss los", meint Gemma dann. Harry nickt und wenn man genau hinsieht, erkennt man Erleichterung in seinem Blick. „Bis dann, Gemma", lächelt er und in dem Moment, in dem sie auflegt, lässt er sein Handy fallen. Ich habe den Eimer bereits in die Hand genommen. Mir war klar, was kommen würde.

„Fuck", murmelt er und übergibt sich erneut. „Zu viele Kekse?", frage ich und er nickt. „Scheint so", murmelt er und fast sofort dreht sich sein Magen zum dritten Mal um. Er lehnt sich nach hinten, schließt die Augen und zwingt sich ruhig zu atmen. Mit einem feuchten Taschentuch wische ich ihm über den Mund. Dann nehme ich ein weiteres, mache es mit etwas Wasser nass und lege es auf seine Stirn. „Danke, Schatz", flüstert er leise. Ich streiche durch seine Haare. „Nicht dafür, das weißt du doch", antworte ich ihm, wissend, dass er nicht widersprechen wird. Harry lasse ich draußen liegen, während ich die Spuren im Eimer beseitige.

Etwas später klingelt es an der Tür. Das Essen ist da. „Love, kommst du?", frage ich laut und richte das Abendessen an. Ein paar Kerzen müssen reichen, Wein gibt es heute noch nicht. Harry betritt das Wohnzimmer und setzt sich. Ich mustere ihn kurz und laufe dann ins Schlafzimmer. Meint er wirklich, mir wäre das nicht aufgefallen. „Louis?" – „Arme hoch", antworte ich nur und er seufzt, kommt meiner Anweisung aber nach. Ich ziehe ihm einen großen Pullover über knie mich dann hin, um ihm Kuschelsocken anzuziehen. „Ich bin kein Kind", meint er daraufhin. „Du hast gefroren." – „Ich kann mir selbst Socken anziehen." – „Also soll ich mich nicht mehr um dich kümmern?", frage ich erwartungsvoll. Er zögert. Schmunzelnd lehne ich mich zu ihm und küsse ihn sanft. Wusste ich's doch.

Harry isst langsam und nicht allzu viel. Diesmal spielt sein Magen mit. Den Rest stellen wir in den Kühlschrank, damit er es sich später warm machen kann. „Sofa?", fragt er nur und steht auf. „Sicher. Ich räume nur eben auf", stimme ich zu. Mein Freund hat bereits die warme Decke über sich ausgebreitet, als ich mit unseren Getränken dazukomme. Er hebt ein Ende der Decke an und fordert mich wortlos auf, zu sich zu kommen. Ich rutsche ans Ende des Sofa und spreize meine Beine. Er lächelt und klettert dazwischen, sodass er kurz darauf mit dem Rücken an meiner Brust lehnt. Ich streiche durch seine Haare und massiere seine Schultern und seinen Nacken. Er hat die Augen geschlossen und seufzt immer wieder leise. „Nicht aufhören", murmelt er. Ich küsse seinen Hals. „Hatte ich nicht vor." – „Du bist zu gut für mich." – „Irgendwann bin ich bestimmt auch mal krank, dann kannst du dich revangieren." – „Werde ich", verspricht er leise und lehnt einen Kopf an meine Schulter.

„Weißt du, wer meinen Job übernimmt?", möchte er nach eine Weile wissen. „Nicht du." – „Weißt du es?" – „Nein, aber sie werden schon jemanden gefunden haben", erwidere ich. Ich habe keine Ahnung, ob sie das haben, aber ich hoffe es. Harry hat seit dem Spiel nicht mehr auf die Social-Media-Kanäle geschaut. Und ich auch nicht.

„Magst du mir mein Handy geben?" – „Nein." – „Nein?", fragt er verwundert und dreht sich ein Stück, dass er mich ansehen kann. „Du musst dich ausruhen", antworte ich lediglich. „Warum – du hast selbst noch nicht geschaut, was das Internet sagt", schlussfolgert er. Ich schweige. „Louis?" – „Ich habe das Video einmal gesehen", sage ich dann. „Im Krankenhaus und seitdem bin ich mehr oder weniger permanent offline. Und bevor es dir nicht wieder gut geht, schaust du dir nicht an, was online gerade passiert", beschließe ich. „Das kannst du nicht bestimmen", widerspricht er. 

„Du musst dich jetzt auf deine Genesung konzentrieren, Harry. Und Schadensbegrenzung bringt sowieso nicht mehr. Das Video ist längst viral gegangen", stelle ich klar. Er nickt nachdenklich. „Trotzdem, wir müssen –" – „Nein, Harry!", unterbreche ich ihn und mein Tonfall ist dabei lauter und härter, als geplant. Ich seufze. „Ruh' dich aus, Love. Bitte." – „Morgen kümmern wir uns darum", kündigt er an und kuschelt sich wieder an mich. Nein, werden wir nicht. Und wenn ich sein Handy das Klo herunter spülen muss, er schaut sich dieses Video erst an, wenn er wieder arbeitet. Er weiß, was passiert ist, das reicht fürs erste. Ich drücke ihm einen Kuss auf die Locken und ziehe ihn enger zu mir heran.

Er schläft wenig später wieder ein und das ist in Ordnung. Eine Weile bleibe ich mit ihm auf dem Sofa liegen. Meine Gedanken kreisen, aber zu einem Schluss komme ich nicht. Vorsichtig klettere ich hinter ihm vom Sofa und gehe nach oben ins Schlafzimmer. Als das Bett aufgedeckt ist, trage ich Harry vorsichtig die Treppe hinauf, ziehe ihn um und gehe anschließend ins Badezimmer. Als ich wiederkomme, schläft er nach wie vor.

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Wie meint ihr, wird Harry reagieren, wenn er das Video sieht?

Love, L

Lightning's HattrickWhere stories live. Discover now